Das Verständnis von Schülern und Schülerinnen über das, was Naturwissenschaften sind, was sie leisten, von wem, wie und wozu sie betrieben werden, ist sehr begrenzt. Die traditionellen Unterrichtsverfahren des Physikunterrichts leisten kaum einen Beitrag zu einer Lösung dieses Problems. Die Dissertation will diese Lücke schließen und arbeitet diesem Thema auf zweifache Weise zu: In einem fachdidaktischen Teil wird der historisch-genetische Unterricht auf eine breite argumentative Basis gestellt. In einem wissenschaftshistorischen Teil wird eine Fallstudie zur experimentellen Tätigkeit Michael Faradays entfaltet, die als eine Art Grundlagenforschung des historisch-genetischen Unterrichts zu verstehen ist. Die Arbeit beginnt mit einer Kritik des fachdidaktischen Normalverfahrens, das die Unterrichtswirklichkeit nach wie vor prägt. Es wird gezeigt, dass der Physikunterricht gefährdet ist, Mythen über Naturwissenschaft zu erhärten oder zu vermitteln. Daraufhin wird das Vorverständnis von SchülerInnen und LehrerInnen über das, was sie für Naturwissenschaften halten, aufgrund empirischer Untersuchungen dargestellt. Auf dieser Basis werden verschiedene, bislang vorgeschlagene und praktizierte didaktisch-methodische Verfahren zur Verbesserung des Kenntnisstandes über Naturwissenschaften auf den Prüfstand gestellt. Es wird ein hermeneutischer Begriff von Physikverstehen erarbeitet, um zu zeigen, wo die spezifischen Chancen und Möglichkeiten des historisch-genetischen Unterrichts liegen. Es wird gezeigt, dass dieser Ansatz geeignet ist, Informationen und Einstellungen über Naturwissenschaften (insbesondere über Physik) im Hinblick auf den Forschungsprozess zu vermitteln. Der Funktion und den Erfolgsbedingungen physikalischen Experimentierens gilt dabei besondere Aufmerksamkeit. Im zweiten Teil der Arbeit wird eine wissenschaftshistorische Fallstudie zur experimentellen Praxis Michael Faradays zur quantitativen Bestimmung dielektrischer Stoffeigenschaften (1836/37) durchgeführt. Anhand der Replikation der Experimente wird analysiert, unter welchen gedanklichen und materiellen Voraussetzungen sie stattfanden und welche experimentellen Strategien Faraday entwickelte, um erfolgreich zu sein. Es zeigt sich, dass im Experiment Gemessenes sich nicht selbstevident ergibt, sondern Ergebnis eines vielschichtigen Herstellungsprozesses ist. Wenn naturwissenschaftliche Tätigkeit als produktive Praxis nicht aus dem Blick geraten soll, wird es nötig sein, diesen Prozesscharakter auch im Schulunterricht zu betonen.
Aktualisiert: 2023-05-15
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Das Verständnis von Schülern und Schülerinnen über das, was Naturwissenschaften sind, was sie leisten, von wem, wie und wozu sie betrieben werden, ist sehr begrenzt. Die traditionellen Unterrichtsverfahren des Physikunterrichts leisten kaum einen Beitrag zu einer Lösung dieses Problems. Die Dissertation will diese Lücke schließen und arbeitet diesem Thema auf zweifache Weise zu: In einem fachdidaktischen Teil wird der historisch-genetische Unterricht auf eine breite argumentative Basis gestellt. In einem wissenschaftshistorischen Teil wird eine Fallstudie zur experimentellen Tätigkeit Michael Faradays entfaltet, die als eine Art Grundlagenforschung des historisch-genetischen Unterrichts zu verstehen ist. Die Arbeit beginnt mit einer Kritik des fachdidaktischen Normalverfahrens, das die Unterrichtswirklichkeit nach wie vor prägt. Es wird gezeigt, dass der Physikunterricht gefährdet ist, Mythen über Naturwissenschaft zu erhärten oder zu vermitteln. Daraufhin wird das Vorverständnis von SchülerInnen und LehrerInnen über das, was sie für Naturwissenschaften halten, aufgrund empirischer Untersuchungen dargestellt. Auf dieser Basis werden verschiedene, bislang vorgeschlagene und praktizierte didaktisch-methodische Verfahren zur Verbesserung des Kenntnisstandes über Naturwissenschaften auf den Prüfstand gestellt. Es wird ein hermeneutischer Begriff von Physikverstehen erarbeitet, um zu zeigen, wo die spezifischen Chancen und Möglichkeiten des historisch-genetischen Unterrichts liegen. Es wird gezeigt, dass dieser Ansatz geeignet ist, Informationen und Einstellungen über Naturwissenschaften (insbesondere über Physik) im Hinblick auf den Forschungsprozess zu vermitteln. Der Funktion und den Erfolgsbedingungen physikalischen Experimentierens gilt dabei besondere Aufmerksamkeit. Im zweiten Teil der Arbeit wird eine wissenschaftshistorische Fallstudie zur experimentellen Praxis Michael Faradays zur quantitativen Bestimmung dielektrischer Stoffeigenschaften (1836/37) durchgeführt. Anhand der Replikation der Experimente wird analysiert, unter welchen gedanklichen und materiellen Voraussetzungen sie stattfanden und welche experimentellen Strategien Faraday entwickelte, um erfolgreich zu sein. Es zeigt sich, dass im Experiment Gemessenes sich nicht selbstevident ergibt, sondern Ergebnis eines vielschichtigen Herstellungsprozesses ist. Wenn naturwissenschaftliche Tätigkeit als produktive Praxis nicht aus dem Blick geraten soll, wird es nötig sein, diesen Prozesscharakter auch im Schulunterricht zu betonen.
Aktualisiert: 2023-04-17
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