Der Historiker Walter Schmidt zeichnet in den Erinnerungen seinen Entwicklungsweg von der Kleinstadt Auras an der Oder über Greiz und Jena nach Berlin. Aufgewachsen in einer antifaschistisch orientierten kommunistisch-katholischen Arbeiterfamilie erlebte er den Alltag des Faschismus in einer schlesischen Kleinstadt, arbeitete 1945 in einem Lazarett der Roten Armee und 1945/46 als Müllerbursche bei der polnischen Verwaltung. Nach der Umsiedlung nach Thüringen nutzte er die Bildungsmöglichkeiten der neuen Zeit, machte das Abitur in Greiz und begann das Studium der Geschichte und Russistik bei Hochschullehrern wie Karl Griewank, Reinhold Trautmann, Karl Schrader, und Georg Klaus. Es war die Zeit, in der er zu einem Historiker wurde, der sich der historisch-materialistische Methode verpflichtet sah. In Berlin setzte sich diese Entwicklung fort, als er 1953 Assistent am Lehrstuhl Geschichte der Arbeiterbewegung des Instituts für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED wurde. Mit einer biografischen Arbeit über Wilhelm Wolff promovierte er hier und leitete schließlich von 1964 bis 1984 diesen Lehrstuhl. Es waren Jahre des Lehrens und Betreuens von Aspiranten, des Forschens und Diskutierens. Im Zentrum seines Forschens stand die Revolution von 1848/49, die vergleichende Revolutionsforschung generell; dazu kamen Marx-Engels-Forschung, Geschichte der frühen Arbeiterbewegung, Historiografiegeschichte und Geschichte der deutschen Nation. Im September 1984 übernahm er, 1981 zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR gewählt, die Direktion des Zentralinstituts für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften mit zahlreichen neuen Aufgaben, von denen die Herausgabe der Deutschen Geschichte in zwölf Bänden genannt sei. Er erlebte die sogenannten Wende-Wirren und wirkte von 1990 bis 1993 in der MEGA-Kommission der Akademie der Wissenschaften an der Rettung der MEGA mit. Der Umbruch von 1989/90 war für ihn kein Abschied von der Wissenschaft, sondern eine neue Etappe des Forschens. Anfangs stand die Auseinandersetzung mit früheren Arbeiten im Vordergrund. Neue Forschungsfelder wurden erschlossen, alte fortgeführt. Die verfolgten Burschenschafter des 19. Jahrhunderts, seit der Wilhelm-Wolff-Biografie ein nie ganz verlassenes Thema, wurden in Gestalt von Biografien zu einem Forschungsgegenstand, der Freude machte. Hinzu kam die Erforschung der schlesischen Demokratie im Umfeld von 1848/49, biografische Studien über Persönlichkeiten von 1848, aber auch aus dem antifaschistischen Widerstand in der schlesischen Heimat waren ihm wichtig. Das Revolutionsjubiläum 1998 verlangte einen Rückblick, wie die Forschung sich entwickelte. Zum Wichtigsten aber wurde ihm der Arbeitskreis Vormärz- und 1848er Revolutionsforschung. 1992 gegründet, wurde er zu einem Gremium, das mit der Biografien-Reihe Männer und Frauen der Revolution von 1848/49 sich einen Platz in der deutschen Geschichtswissenschaft verschaffte.
Aktualisiert: 2020-12-12
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