Judentoleranz bedeutete im frühneuzeitlichen Verständnis Aufnahme und Schutz von Juden durch einen
territorialen Schutzherrn. Unter welchen Umständen sich die Aufnahme von Juden vollzog und welche
rechtlichen Modalitäten ihre Lebensverhältnisse bestimmten, untersucht der Verfasser am Beispiel der
Grafschaft Nassau-Wiesbaden-Idstein und des Fürstentums Nassau-Usingen. Die Existenzbedingungen der
aufgenommenen Juden wurden vor allem durch die Judenordnungen bestimmt, die als Polizeiordnungen
namentlich das christlich-jüdische Zusammenleben in den Bereichen Religion, Wirtschaft, Moralität und
Hoheitsrecht regelten und den Schutz der christlichen Untertanen vor den vermeintlich negativen
Einflüssen der „Ungläubigen“ gewährleisten sollten. Wie der Verfasser darlegt, wurde die Judenordnung
Landgraf Philipps des Großmütigen von 1539 richtungweisend auch für die hessischen und nassauischen
Judenordnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Judeneid. Durch ihn wurde nicht nur die Aufnahme in den
landesherrlichen Schutz bekräftigt, er war mit seinen besonderen Formeln und Ritualen auch ein Indikator
für die rechtliche und soziale Stellung der jüdischen Minderheit innerhalb der christlichen Gesellschaft.
Der Verfasser untersucht hier die nassauischen, hessischen und reichsstädtischen Formeln des Judeneids
im Hinblick auf Herkunft, Struktur, Topik und Funktion und ordnet sie in die Geschichte des Judeneides im
Alten Reich ein.
Darüber hinaus verbindet die Studie die Darstellung der Wert-und Rechtsnormen mit der Lebenswelt der
nassauischen Landjuden. Judenschutz und Judenordnung werden mit ihren Auswirkungen auf Einzel- und
Familienschicksale exemplarisch dargestellt. Dadurch werden zugleich sozial-, wirtschafts-, rechts- und
kulturgeschichtliche Beziehungen und Zusammenhänge im Rahmen der modernen Landesgeschichtsforschung
erschlossen. Im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung wird auch die
Judenordnung der benachbarten Landgrafschaft Hessen-Darmstadt berücksichtigt.
Die anschaulich geschriebene Untersuchung wird durch eine topographische, chronologische und
statistische Übersicht der Niederlassungen von Juden in den beiden nassauischen Territorien vom
Spätmittelalter bis zur Gründung des Herzogtums Nassau im Jahr 1806 ergänzt und mit einem Ausblick auf
die Entwicklung der Judenemanzipation im Herzogtum Nassau von 1806 bis 1866 abgerundet. Dem Buch
ist ein ausführliches, um Sachbegriffe erweitertes Ortsregister beigegeben.
Aktualisiert: 2021-01-28
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Leben und Schicksal der Juden als andersgläubiger Minderheit am Rande der christlichen Gesellschaft
stehen gegenwärtig besonders im Blickpunkt des historischen Interesses. Gesetze und Verordnungen, die
in den Territorien des deutschen Reiches eigens für die jüdische Bevölkerung erlassen wurden, stellen
hierfür eine einzigartige Quellengruppe dar. In der vorliegenden Sammlung werden zum erstenmal für ein
geschlossenes Territorium des Alten Reiches alle im Laufe eines Zeitraums von über 250 Jahren erlassenen
Gesetze und Verordnungen erfasst, die die rechtliche und soziale Stellung der jüdischen Minderheit
regelten.
Die 331 Verordnungen, die den Zeitraum von 1524 bis 1806 umfassen und größtenteils im Volltext
geboten werden, behandeln nicht nur die Zahlung von Leibzoll, Schutzgeld und den unzähligen jüdischen
Sonderabgaben, sondern neben Handel, Viehschlachtung und Darlehensgeschäften auch die Religionsausübung
der Juden und rabbinatische Gerichtsbarkeit, um nur einige zu nennen. Die Verordnungen
geben zugleich Aufschluss über das Verhältnis zwischen den Juden und der christlichen Bevölkerung
ebenso wie über die Stellung der Judenschaft zur Obrigkeit und ihren Verwaltungsorganen.
Über den Bereich von Hessen-Darmstadt hinaus ist die Quellensammlung von großem Interesse, da die
rechtliche Problematik in den meisten Territorien des Alten Reiches ähnlich war und vielfach
vergleichbare Verordnungen erlassen worden sind.
Aktualisiert: 2021-01-28
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