Der im Juli/August 1945 zeitnah niedergeschriebene Bericht beginnt mit der Deportation der Familie Trautmann von Karlsruhe in das südwestfranzösische Internierungslager Gurs am 22. Oktober 1940 (und bald in das Camp de Rivesaltes bei Perpignan). Darüber gibt es inzwischen nicht wenige Publikationen, auch in unserer Edition; doch fast alle Berichte enden mit der Weiterdeportation der aus Südwestdeutschland deportierten Jüdinnen und Juden ab Sommer 1942 von Südwestfrankreich über Drancy bei Paris in den Osten, zumeist nach Auschwitz.
Arthur S. Trautmanns Bericht ist der erste in unserer Edition, der den Leidensweg des Autors und seiner Frau sowie zahlloser Leidensgenossinnen und Leidensgenossen von Rivesaltes nach Auschwitz beschreibt, Leben und Leiden, Mord und Tod und Überleben in Auschwitz, dessen Evakuierung ab Mitte Januar 1945, Todesmärsche und Todesfahrten durch das KZ Groß-Rosen nach Dachau, die Befreiung durch die US-Armee am 1. Mai 1945 in Mittenwald – „die echte, goldene und unbegrenzte Freiheit (Unterstreichung im Original!) mit amerikanischer Hilfe“ –, die Reise in das zerstörte Karlsruhe – „Von meinen zurückgelassenen Gegenständen waren nur die Gebetbücher gerettet, die ich mit großer Freude empfing und auch wieder benütze.“ – und schließlich nach Konstanz an den Bodensee, denn es gab Verwandte in Kreuzlingen (vgl. S. 101 u. 103). Arthur S. Trautmann konstatiert: „Hitler hatte den Krieg gegen die kleinen Kinder, unschuldigen Frauen und wehrlosen jüdischen Männer gewonnen. Das Judentum als solches aber hatte er nicht besiegt.“
Der Autor schreibt als eine Art Resümee 1945: „Das sind meine Erlebnisse des Zweiten Weltkrieges 1939/45, den ich ohne körperlichen Schaden und ohne
auch nur eine Stunde krank gewesen zu sein, trotz unmenschlicher und lebensgefährlicher Behandlung in den verschiedenen Lagern mit Gottes Hilfe glücklich überstanden habe. – Viele meiner Freunde und Bekannten habe ich überlebt, vielen habe ich geholfen, wo zu helfen war, insbesondere wenn es galt, die Errettung eines Menschenlebens zu erwirken. – Den Ersten Weltkrieg 1914/18 durfte ich als Frontkämpfer beim Bayerischen Alpenkorps mitmachen, und als besondere Anerkennung meiner Verdienste "Für Kaiser und Reich" sperrten mich die Nazi-Banden, nur weil ich Jude bin, in ein Konzentrationslager.“
Arthur S. Trautmanns Bericht ist als Typoskript überliefert, bei der folgenden Lektorierung blieb der Text fast zu 100% originalgetreu erhalten. Die Zwischenüberschriften wurden eingefügt, um den Text leserfreundlicher zu gestalten; auch die erläuternden bzw. weiterführenden Fußnoten stammen vom Herausgeber. Hier sei darauf hingewiesen, dass die zeitliche Abfolge der Ereignisse im Text nicht immer stimmt (1943/1944, S. 44 ff.). Der Text wurde
laut handschriftlichem Vermerk (S. 14) im Juli/August 1945 in Konstanz geschrieben, wahrscheinlich aber später in den USA abgetippt und dabei evtl. ergänzt, weil darin manches erwähnt wird, was im Sommer 1945 noch kaum bekannt sein konnte. Insgesamt handelt es sich zweifellos um ein starkes und authentisches Dokument.
Aktualisiert: 2022-08-05
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Zigmund (Žiga, Yekutiel, Zise) Stern und seine Frau Rozina sind zu Anfang des 20. Jahrhunderts in zwei benachbarten slowakischen Karpatendörfern geboren, leben in Bratislava und haben zwei Söhne, Richard (Richi, David, geb. 1932) und Alfred (Freddy, Noah, geb. 1935). Der Vater ist ein hoch geachteter Zahnarzt und betreibt eine gut gehende Praxis, die Mutter ist Hausfrau und kümmert sich um die Erziehung ihrer Söhne, die in einem gutbürgerlichen jüdischen Elternhaus sehr behütet aufwachsen. In Bratislava, dem alten Preßburg, leben Slowaken, Ungarn, Deutsche und Juden; für die beiden Buben ist Deutsch die Muttersprache, sie beherrschen aber auch Slowakisch, Jiddisch und das Hebräisch der Synagoge.
Ab Sommer 1942 werden Mutter und Kinder verbal und sogar handgreiflich belästigt. Der Vater verlegt seine Zahnarztpraxis vorsichtshalber von Bratislava in das Städtchen Kozárovce, wo er samt Familie noch eine ganze Weile arbeiten und leben kann. Bald wird aber dem weitsichtigen Vater klar, dass sich die Judenfeindschaft weiter steigern wird, und die Eltern beschließen im Sommer 1942, Richi zu Mutters Eltern in ein ungarisches Dorf zu schmuggeln, wo sich der Junge zunächst auch sicher fühlen kann. Niemand konnte ahnen, was den Juden in Ungarn zwei Jahre später bevorstehen sollte.
Im September 1944 beschließen Zigmund und Rozina Stern, sich mit ihrem neunjährigen Söhnchen Noah in der slowakischen Berglandschaft bei Povrazník (Region Banská Bystrica, Zentralslowakei) zu verstecken, was durch den Winter unter ständiger Lebensgefahr nur mit Mühe und viel Glück – und nicht zuletzt durch die engagierte Hilfe der einfachen slowakischen Bäuerin Maria Matula gelingt, die damit ihr Leben und das ihrer Angehörigen riskiert, welche deshalb ihrerseits mit dieser ebenso selbstlosen wie gefährlichen Hilfe überhaupt nicht einverstanden sind. Obwohl sein Sohn erst 10 Jahre jung ist, setzt der Vater besonders Vertrauen in Noah, und zwar mit Erfolg. Vater, Mutter und Noah werden am 21. März 1945 von ungarischen Soldaten befreit, die auf alliierter Seite kämpfen. Der Vater hat für das Überleben nur eine einzige Erklärung: "Gott hat mir den Weg gezeigt", - was auch für Maria Matula gilt. Beide hatten in der Tat ein unglaubliches Gottvertrauen. – Richi kommt 1944 mit seinen Großeltern und den Juden aus dem Ghetto Munkacz mit einem der letzten Transporte aus Ungarn nach Auschwitz-Birkenau. Bei der Selektion an der Rampe ist er als gut entwickelter 12-jähriger Junge schon auf die Seite der arbeitsfähigen Männer eingeteilt, als er von seinem Großvater auf dessen Seite gezogen wird, weil der sich für den Enkelsohn verantwortlich fühlt. Wie Zeugen später berichten, marschiert Richi mit seinem Großvater direkt in die Gaskammer, wo die Sterns noch etliche weitere Familienangehörige verlieren.
Familie Stern kehrt nach Bratislava zurück, wo sie einen Neuanfang versucht. Im Februar 1949 wandern Vater, Mutter und Noah in Israel ein, dort wird Mirjam (Miri) geboren. Vater Stern kann sich wieder als Zahnarzt etablieren, und seinem Sohn Noah gelingt später eine erfolgreiche universitäre Karriere als Professor für Prothetische Zahnmedizin an der Hebräischen Universität zu Jerusalem und am Hadassa Hospital. Im Jahre 1988 kann Noah Stern zusammen mit seiner Frau Micki erstmals seit 1949 nach Spuren seiner Kindheit in Bratislava und in der ländlichen Slowakei suchen. Im Juni 2000 folgt ein zweiter Besuch Noahs mit Micki und einem befreundeten amerikanischen Ehepaar. Während seines dritten Besuchs in der Slowakei im September 2004, diesmal mit seiner Schwester Miri und deren Mann Eli, kann Noah Stern endlich erleben, wie Maria Matula von Yad VaShem (Jerusalem) posthum als "Gerechte unter den Völkern" geehrt wird, worauf er lange hingearbeitet hat.
Aktualisiert: 2019-12-11
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