Die zentrale These des Buches: Wir werden gegenwärtig Zeugen, wie das zentrale Fundament des Zusammenlebens in Deutschland - der „Boden unserer Verfassung“ - langsam ausgehöhlt wird, und zwar nicht mit Absicht, sondern ganz unmerklich durch unsere zunehmend dekadente Art und Weise der Kommunikation.
Ein Phänomen dieser Entwicklung ist, dass viele Menschen nicht mehr sagen, was sie denken – und zwar aus Angst, hinterfragt zu werden. Zum Beispiel Pädagogen: Aus Angst, von Eltern hinterfragt oder verbal angegriffen zu werden, setzen viele Erzieher und Lehrer eigentlich notwendige Grenzen nicht mehr und weichen damit früher selbstverständliche pädagogische Grundsätze auf – mit der Konsequenz, dass sie sich gleichsam vorbeugend selbst hinterfragen und nicht mehr handeln.
Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei Führungskräften beobachten: aus Angst, falsche Entscheidungen zu treffen, sichern sich viele Führungskräfte vorher bei Beratern und Juristen ab. Grundsätzlich mag das richtig sein, aber der Anteil von Juristen und Beratern ist während der vergangenen Jahrzehnte in vielen Organisationen so stark angestiegen, dass in der Konsequenz auch hier eine Art „prophylaktischer Selbsthinterfragung“ zu beobachten ist. Entscheidungen werden vielerorts erst dann „kommuniziert“, wenn sie abgesichert wurden.
Diese beiden Beispiele mögen an und für sich noch keine größeren Probleme darstellen. Was geschieht aber, wenn sich die Angst vor der Hinterfragung auch auf andere Lebensbereiche ausdehnt? Etwa, indem die prophylaktische Selbsthinterfragung politischer Akteure dazu führt, dass nur noch mehr oder minder angepasste Dinge gesagt werden, weil von irgendwoher Hinterfragung droht.
Wirkliche Kommunikation bedeutet, den Standpunkt des anderen zumindest verstehen zu wollen, abweichende Sichtweisen zu ertragen und Streit auszuhalten. Was derzeit getan wird, ist vor allem, Menschen mit abweichenden Meinungen zu belehren. Das ist eine höchst naive Strategie, die nichts bewirkt außer dem Gegenteil dessen, was sie bewirken soll.
Das Recht, den Standpunkt anderer zu hinterfragen, ist eigentlich ein unverzichtbares Element der Freiheit, das Schutz verdient. Gegenwärtig wird jedoch zu oft hinterfragt, einfach weil man es kann - etwa um den eigenen Standpunkt durch Belehrungen, Angriffe etc. zu schützen und nicht auf die vermeintlich andere Seite zuzugehen oder bisweilen auch, um schnelle Schlagzeilen zu generieren. Bei den einen führt dies zu „prophylaktischer Zurückhaltung“, indem nur noch Dinge gesagt werden, die mehr oder minder sozial erwünscht sind. Bei den anderen führt es zum Rückzug in ideologische Bunker und damit tendentiell zur Radikalisierung. Das die Menschen Verbindende und unser gemeinsamer „Boden der Verfassung“ werden dadurch brüchig und porös.
Aktualisiert: 2023-06-19
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Die zentrale These des Buches: Wir werden gegenwärtig Zeugen, wie das zentrale Fundament des Zusammenlebens in Deutschland - der „Boden unserer Verfassung“ - langsam ausgehöhlt wird, und zwar nicht mit Absicht, sondern ganz unmerklich durch unsere zunehmend dekadente Art und Weise der Kommunikation.
Ein Phänomen dieser Entwicklung ist, dass viele Menschen nicht mehr sagen, was sie denken – und zwar aus Angst, hinterfragt zu werden. Zum Beispiel Pädagogen: Aus Angst, von Eltern hinterfragt oder verbal angegriffen zu werden, setzen viele Erzieher und Lehrer eigentlich notwendige Grenzen nicht mehr und weichen damit früher selbstverständliche pädagogische Grundsätze auf – mit der Konsequenz, dass sie sich gleichsam vorbeugend selbst hinterfragen und nicht mehr handeln.
Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei Führungskräften beobachten: aus Angst, falsche Entscheidungen zu treffen, sichern sich viele Führungskräfte vorher bei Beratern und Juristen ab. Grundsätzlich mag das richtig sein, aber der Anteil von Juristen und Beratern ist während der vergangenen Jahrzehnte in vielen Organisationen so stark angestiegen, dass in der Konsequenz auch hier eine Art „prophylaktischer Selbsthinterfragung“ zu beobachten ist. Entscheidungen werden vielerorts erst dann „kommuniziert“, wenn sie abgesichert wurden.
Diese beiden Beispiele mögen an und für sich noch keine größeren Probleme darstellen. Was geschieht aber, wenn sich die Angst vor der Hinterfragung auch auf andere Lebensbereiche ausdehnt? Etwa, indem die prophylaktische Selbsthinterfragung politischer Akteure dazu führt, dass nur noch mehr oder minder angepasste Dinge gesagt werden, weil von irgendwoher Hinterfragung droht.
Wirkliche Kommunikation bedeutet, den Standpunkt des anderen zumindest verstehen zu wollen, abweichende Sichtweisen zu ertragen und Streit auszuhalten. Was derzeit getan wird, ist vor allem, Menschen mit abweichenden Meinungen zu belehren. Das ist eine höchst naive Strategie, die nichts bewirkt außer dem Gegenteil dessen, was sie bewirken soll.
Das Recht, den Standpunkt anderer zu hinterfragen, ist eigentlich ein unverzichtbares Element der Freiheit, das Schutz verdient. Gegenwärtig wird jedoch zu oft hinterfragt, einfach weil man es kann - etwa um den eigenen Standpunkt durch Belehrungen, Angriffe etc. zu schützen und nicht auf die vermeintlich andere Seite zuzugehen oder bisweilen auch, um schnelle Schlagzeilen zu generieren. Bei den einen führt dies zu „prophylaktischer Zurückhaltung“, indem nur noch Dinge gesagt werden, die mehr oder minder sozial erwünscht sind. Bei den anderen führt es zum Rückzug in ideologische Bunker und damit tendentiell zur Radikalisierung. Das die Menschen Verbindende und unser gemeinsamer „Boden der Verfassung“ werden dadurch brüchig und porös.
Aktualisiert: 2022-09-02
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