Nürnberg sei die Stadt der herrlichen Blicke, meinte Mark Twain nach seiner Reise durch Nordbayern. Der Schriftsteller, der viel unterwegs war, hielt seine Eindrücke, etwas von Nürnberg und Bayreuth, in seiner von seinem großen Lespublikum so geschätzten Art fest; sie war witzig, informativ und unterhaltsam.
Welche Bedeutung Franken im 19. Jh. für nordamerikanische Geistegrößen hatte, und was sie von ihren Reisen als aufgeschlossene Touristen berichteten, zeigt der auf akribischer Quellenkunde berufende Band von Winston Kelley. Er hat sich nicht nur auf die Spuren des Weltenbummlers Twain gesetzt, sondern ist so bedeutenden Persönlichkeiten der Vereinigten Staaten auf ihren Besuchsreisen durchs Frankenland gefolgt und hat in diesem Buch deren Erfahrungen mit aufschlussreichen Kommentaren präsentiert. Dies schließt eine kulturgeschichtliche Lücke, denn meist wird nur den Erfahrungen deutscher Besucher der USA (und Auswanderern) Bedeutung zugemessen.
Dem Lesepublikum von Kelleys Band steht eine spannende Lektüre über Mark Twain und weitere vier berühmte Nordamerikaner bevor, die zwischen 1851 und 1901 ins Land der Franken fuhren:
Mark Twain (1835 -1910) ist zweimal in Nürnberg gewesen und einmal abgestiegen – zufällig zur Sedan-Tags-Feier im Jahre 1891, als alle öffentlichen und viele private Gebäude beflaggt waren; was ihn wunderte. Das Wetter war schön. Bei langen Spaziergängen befand er das Martin-Behaim-Denkmal am Theresienplatz und den Ludwigs-Eisenbahn-Brunnen am Plärrer als „sehr wichtig“. Der eigentliche Zweck seiner Anwesenheit in Franken war das Wagner-Festspiel in Bayreuth. Selbst kein Liebhaber der Oper, sah er es trotzdem als seine Pflicht an, seiner Frau und den drei Töchtern die Gelegenheit zu ermöglichen, einigen Wagner-Opern beizuwohnen. Ihn aber interessierte die Suche nach Andenken an die Markgräfin Wilhelmine (1709-1758), deren Memoiren er sehr schätzte, galten sie ihm doch als „unbewußte Satire“ auf die Sitten der preußischen Monarchie bzw. allgemein auf die der erblichen Aristokratie. Er überlegte sogar, daraus einen Roman oder eine Novelle zu machen.
James Russell Lowell (1819-1891), bekannt durch seine satirischen Verse gegen die Sklaverei und den Krieg der Vereinigten Staaten mit Mexiko, reiste 1856 nach Europa, um seine Fremdsprachenkenntnisse zu erweitern. Im Frühjahr stieg er auf einer Reise von Italien nach Dresden in Nürnberg ab. Dabei zieht er einen neckischen Vergleich: “Der Unterschied zwischen Augsburg und Nürnberg gleicht dem zwischen dem Erzählen des Traumes am Frühstückstisch und dem Traum selbst“. Ein zweiter Besuch in Nürnberg bereitete ihm „große Zufriedenheit“.
Bayard Taylor (1825-1878) war als Reiseschriftsteller in Nordamerika sehr populär. Sein erstes Reisebuch, in dem er eine zweijährige Fußwanderung durch Europa schildert, erlebte sechs Auflagen in einem Jahr. 1851 hatte er sich vorgenommen, von Heidelberg aus durch „das wilde, hügelige Gebiet“ bis Nürnberg zu wandern. Er erzählte ihnen vom kalifornischen ‚Goldrausch‘, den er zuvor als Berichterstatter erlebt hatte. Wegen starker Regenfälle nahm er auf dem Weg über Ansbach nach Nürnberg die Kutsche. Zehn Jahre später, diesmal mit dem Zug von Gotha und einem Aufenthalt in Coburg, um dort mit Herzog Ernst II. zu speisen, kam er nach Forchheim, wo er in den Bus nach Streitberg stieg. Nach einem Bad in der Molkekuranstalt, einer Forelle als Abendessen und richtig gut ausgeschlafen, besuchte er Pottenstein, Bayreuth und Wunsiedel.
Henry Adams (1838-1918) war Historiker und Kulturphilosoph und zugleich Enkel bzw. Urenkel des 2. und des 6. amerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Er besuchte dreimal Franken, wo er sich als frischgebackener Harvardabsolvent für die gemalten Kirchenfenster in Nürnberg begeisterte. Über den „Ring der Nibelungen“ in Bayreuth ärgerte sich der ehemalige Professor für Mediavistik an der Harvard Universität bei seiner dritten Reise und kritiserte „Wagners ungeschickten Mangel an klaren literarischen Erzähllinien und Formen, sowohl in der Idee als auch im Ausdruck.“
Bild mittlere Spalte: Theresienplatz in Nürnberg; Bild links: Kobolzeller Tor in Rothenburg o.d.T.
William James (1842-1910) kam im Frühjahr 1867 nach Deutschland, um Medizin in Berlin und Dresden zu studieren. In einem Brief an seinen Bruder, den Romanschriftsteller Henry James, schreibt er, in Nürnberg eine angenehme Überraschung erfahren zu haben. Er legte dem Brief Stereographien bei. Damit wollte er dem Vorurteil entgegentreten, dass Nürnberg „uninteressant“ sei.
Aktualisiert: 2022-01-22
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