Die Codices Palatini germanici (Cod. Pal. germ.) bilden heute die älteste, über Jahrhunderte gewachsene größere Sammlung deutscher Manuskripte, die geschlossen erhalten ist. Überwiegend handelt es sich bei den Palatini germanici um die volkssprachigen Anteile der Schloßbibliotheken der Heidelberger Kurfürsten und ihrer Familien. Die insgesamt 848 Handschriften waren bis zum Dreißigjährigen Krieg Teil der zu ihrer Blütezeit weltberühmten Heidelberger Bibliotheca Palatina. Unter dieser Bezeichnung werden im Kern die Buchbestände der Universität, der Stiftsbibliothek in der Heiliggeistkirche und der Schloßbibliothek der Kurfürsten von der Pfalz verstanden, die von Kurfürst Ottheinrich (1502–1559; reg. 1556–1559) vereinigt worden waren. Durch wertvolle Zugänge wurde sie auch später noch vermehrt. Etwa ein Drittel des Gesamtbestandes überliefert Medizinisches und Alchemisches. Die zweitgrößte Gruppe ist die der theologischen Codices. Etwa 120 Handschriften lassen sich den Historici zuordnen. Erst an vierter Stelle sind die gut 100 Handschriften zu verzeichnen, die mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Literatur überliefern.Auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes war die Bibliothek nach der Eroberung Heidelbergs durch katholische Truppen im Jahr 1622 dem Vatikan als Kriegsbeute übergeben worden. Insgesamt gelangten so etwa 3500 Handschriften und mindestens 12.000 gedruckte Titel nach Rom. Die lateinischen, griechischen und hebräischen Handschriften sowie die Gesamtzahl der Drucke befindet sich noch heute dort, während die Codices Palatini germanici aufgrund von Vereinbarungen, die während der Pariser Friedensverhandlungen getroffen worden waren, 1816 nach Heidelberg zurückkehrten.Der erste Band der neu bearbeiteten Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg umfaßt den Signaturenabschnitt der Codices Palatini germanici 1 bis 181. Am Anfang stehen im hier behandelten Signaturensegment verschiedene Texte und Sammelhandschriften astrologisch-astronomischen Inhalts. Einen umfangreichen Bestandteil mit überwiegend theologischer Literatur leiten zwei mehrbändige illuminierte Übersetzungen der Bibel aus den Werkstätten Ludwig Henfflins (Cod. Pal. germ. 16–18) und Diebold Laubers (Cod. Pal. germ. 19–23) ein. Reformatorisches Schrifttum ist in dem beschriebenen Teilbestand unter anderem durch Abschriften von Predigten Martin Luthers vertreten (Cod. Pal. germ. 41–49). Hierunter befindet sich auch ein aus dem Jahr 1530 stammendes Autograph des Reformators (Cod. Pal. germ. 40). Es folgen einige Handschriften mit literarischen Texten. Hierzu gehören beispielsweise der ‚Ackermann aus Böhmen‘ des Johannes von Tepl (Cod. Pal. germ. 76), der Prosaroman ‚Pontus und Sidonia‘ (Cod. Pal. germ. 142) oder der ‚Herpin‘ Elisabeths von Hessen-Nassau (Cod. Pal. germ. 152). Aus dem Besitz beziehungsweise dem Umfeld der für ihre literarischen Interessen bekannten Pfalzgräfin Mechthild (1419–1482) stammen unter anderem ein Manuskript mit den ‚Translatzen‘ des Niklas von Wyle (Cod. Pal. germ. 101) und ein Exemplar des ‚Buchs der Beispiele‘ von Antonius von Pforr (Cod. Pal. germ. 84).
Aktualisiert: 2023-05-16
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Die Codices Palatini germanici (Cod. Pal. germ.) bilden heute die älteste, über Jahrhunderte gewachsene größere Sammlung deutscher Manuskripte, die geschlossen erhalten ist. Überwiegend handelt es sich bei den Palatini germanici um die volkssprachigen Anteile der Schloßbibliotheken der Heidelberger Kurfürsten und ihrer Familien. Die insgesamt 848 Handschriften waren bis zum Dreißigjährigen Krieg Teil der zu ihrer Blütezeit weltberühmten Heidelberger Bibliotheca Palatina. Unter dieser Bezeichnung werden im Kern die Buchbestände der Universität, der Stiftsbibliothek in der Heiliggeistkirche und der Schloßbibliothek der Kurfürsten von der Pfalz verstanden, die von Kurfürst Ottheinrich (1502–1559; reg. 1556–1559) vereinigt worden waren. Durch wertvolle Zugänge wurde sie auch später noch vermehrt. Etwa ein Drittel des Gesamtbestandes überliefert Medizinisches und Alchemisches. Die zweitgrößte Gruppe ist die der theologischen Codices. Etwa 120 Handschriften lassen sich den Historici zuordnen. Erst an vierter Stelle sind die gut 100 Handschriften zu verzeichnen, die mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Literatur überliefern.Auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes war die Bibliothek nach der Eroberung Heidelbergs durch katholische Truppen im Jahr 1622 dem Vatikan als Kriegsbeute übergeben worden. Insgesamt gelangten so etwa 3500 Handschriften und mindestens 12.000 gedruckte Titel nach Rom. Die lateinischen, griechischen und hebräischen Handschriften sowie die Gesamtzahl der Drucke befindet sich noch heute dort, während die Codices Palatini germanici aufgrund von Vereinbarungen, die während der Pariser Friedensverhandlungen getroffen worden waren, 1816 nach Heidelberg zurückkehrten.Der erste Band der neu bearbeiteten Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg umfaßt den Signaturenabschnitt der Codices Palatini germanici 1 bis 181. Am Anfang stehen im hier behandelten Signaturensegment verschiedene Texte und Sammelhandschriften astrologisch-astronomischen Inhalts. Einen umfangreichen Bestandteil mit überwiegend theologischer Literatur leiten zwei mehrbändige illuminierte Übersetzungen der Bibel aus den Werkstätten Ludwig Henfflins (Cod. Pal. germ. 16–18) und Diebold Laubers (Cod. Pal. germ. 19–23) ein. Reformatorisches Schrifttum ist in dem beschriebenen Teilbestand unter anderem durch Abschriften von Predigten Martin Luthers vertreten (Cod. Pal. germ. 41–49). Hierunter befindet sich auch ein aus dem Jahr 1530 stammendes Autograph des Reformators (Cod. Pal. germ. 40). Es folgen einige Handschriften mit literarischen Texten. Hierzu gehören beispielsweise der ‚Ackermann aus Böhmen‘ des Johannes von Tepl (Cod. Pal. germ. 76), der Prosaroman ‚Pontus und Sidonia‘ (Cod. Pal. germ. 142) oder der ‚Herpin‘ Elisabeths von Hessen-Nassau (Cod. Pal. germ. 152). Aus dem Besitz beziehungsweise dem Umfeld der für ihre literarischen Interessen bekannten Pfalzgräfin Mechthild (1419–1482) stammen unter anderem ein Manuskript mit den ‚Translatzen‘ des Niklas von Wyle (Cod. Pal. germ. 101) und ein Exemplar des ‚Buchs der Beispiele‘ von Antonius von Pforr (Cod. Pal. germ. 84).
Aktualisiert: 2023-04-04
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