Die vorliegende Arbeit versteht sich in erster Linie als Beitrag in der Schnittmenge zwischen den Disziplinen der Äthiopistik und der Rechtswissenschaft. Im Zentrum der Auseinandersetzung diplomatischer Beziehungen Äthiopiens und Italiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht der Völkerrechtsvertrag von Wǝcale (ital. Uccialli), auf dessen Bedeutung der Verfasser erstmalig während seines Studiums am Seminar für Semitistik und Arabistik an der Freien Universität Berlin aufmerksam gemacht wurde.
Das amharische Quellenmaterial und bisher unberücksichtigte, auch anderssprachige Sekundärliteratur konnte der Autor in großen Teilen durch mehrwöchige Recherchen in Äthiopien in den Jahren 2009, 2010, 2011 und 2012, aber auch in Eritrea, dem Sudan und Ägypten ausfindig machen. Die besondere Herausforderung lag dabei insbesondere darin begründet, dass die für die Ausarbeitung einschlägigen Primärquellen, also insbesondere die Verträge und deren Entwürfe, archivalisch nur fragmentarisch systematisch erschlossen sind. Hinzukommt, dass am Horn von Afrika Literatur- und Wissenschaftssprachen vorherrschen, die sprachliche Barrieren in der Erforschung der reichhaltigen historiografischen Materialität für Wissenschaftszirkel generieren, was erklären dürfte, dass weitläufig die italienische Geschichtsschreibung rezipiert wird.
Sich dieses Desiderates annehmend, leuchtet das vorliegende Werk in der Auseinandersetzung mit außereuropäischem Quellenmaterial vorherrschende italienische Geschichtsnarrative neuartig aus. Die komparativ ausgelegte Abhandlung hat in der vorgelegten Kontextualisierung erstmalig Entwürfe und Endfassungen des zweisprachigen Vertragstextes mit ihren jeweiligen (inter)nationalen Begleitumständen philologisch aufgearbeitet und – gemessen an den objektiven Bedingungen der völkerrechtsgeschichtlichen Dogmatik und völkerrechtlichen Praxis der damaligen Epoche – juristisch analysiert.
REZENSIONEN
„Es war der erste Sieg afrikanischer Truppen über eine europäische Nation. Am 1. März 1896 besiegten abessinische Soldaten unter Kaiser (nǝguśä nägäśt) Mǝnilǝk II. die italienischen Interventionstruppen General Baratieris. Die siegreiche ‘Schlacht von Adua’ sicherte – epochemachend – die staatliche Souveränität des äthiopischen Kaiserreichs. Auch der im Mai 1889 geschlossene – bilaterale und bilinguale – italienisch-abessinische Vertrag von Uccialli/Wǝcale war hinfällig. Mit dem 1896 ratifizierten Friedensvertrag von Addis Abäba fand der italienisch-äthiopische Krieg auch offiziell ein Ende. Die Pläne des italienischen Königreichs, die Territorien Eritrea und Italienisch-Somaliland durch die Einbeziehung Abessiniens zu einem geschlossenen Kolonialreich auszubauen, waren gescheitert.
Elliesie unternimmt in seiner 2016 vorgelegten Dissertation den anspruchsvollen Versuch einer vertrags- und kulturbasierten Aufarbeitung abessinisch-italienischer Konflikte und Rechtsbeziehungen. Dabei steht ein kritischer Blick auf überkommene Narrative im Mittelpunkt. Elliesies vorrangiges Anliegen ist es, eine als europazentrisch empfundene Wahrnehmungskultur – und damit einhergehende sprachlich und fremdkulturell geformte Vergangenheitsbilder – anhand außereuropäischer Quellen und Erinnerungsbilder zu untersuchen. Dabei unterstreicht er ‘die verschiedenen Begriffswelten unterschiedlicher Sprachkreise und Rechtsverständnisse’, die mittels einer ‘regionalspezifischen Philologie’ kontextualisiert werden. Das Ergebnis überzeugt. Die fremdkulturellen Bilder europäisch geprägter Geschichtsschreibung werden mit regionalsprachlichen (amharischen und arabischen) Quellen und den ihnen zugrundeliegenden politischen und kulturellen Wahrnehmungen konfrontiert.“
(Stefan Brüne in „Aethiopica“ 22/2019, 284-286)
Aktualisiert: 2023-05-09
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Die vorliegende Arbeit versteht sich in erster Linie als Beitrag in der Schnittmenge zwischen den Disziplinen der Äthiopistik und der Rechtswissenschaft. Im Zentrum der Auseinandersetzung diplomatischer Beziehungen Äthiopiens und Italiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht der Völkerrechtsvertrag von Wǝcale (ital. Uccialli), auf dessen Bedeutung der Verfasser erstmalig während seines Studiums am Seminar für Semitistik und Arabistik an der Freien Universität Berlin aufmerksam gemacht wurde.
Das amharische Quellenmaterial und bisher unberücksichtigte, auch anderssprachige Sekundärliteratur konnte der Autor in großen Teilen durch mehrwöchige Recherchen in Äthiopien in den Jahren 2009, 2010, 2011 und 2012, aber auch in Eritrea, dem Sudan und Ägypten ausfindig machen. Die besondere Herausforderung lag dabei insbesondere darin begründet, dass die für die Ausarbeitung einschlägigen Primärquellen, also insbesondere die Verträge und deren Entwürfe, archivalisch nur fragmentarisch systematisch erschlossen sind. Hinzukommt, dass am Horn von Afrika Literatur- und Wissenschaftssprachen vorherrschen, die sprachliche Barrieren in der Erforschung der reichhaltigen historiografischen Materialität für Wissenschaftszirkel generieren, was erklären dürfte, dass weitläufig die italienische Geschichtsschreibung rezipiert wird.
Sich dieses Desiderates annehmend, leuchtet das vorliegende Werk in der Auseinandersetzung mit außereuropäischem Quellenmaterial vorherrschende italienische Geschichtsnarrative neuartig aus. Die komparativ ausgelegte Abhandlung hat in der vorgelegten Kontextualisierung erstmalig Entwürfe und Endfassungen des zweisprachigen Vertragstextes mit ihren jeweiligen (inter)nationalen Begleitumständen philologisch aufgearbeitet und – gemessen an den objektiven Bedingungen der völkerrechtsgeschichtlichen Dogmatik und völkerrechtlichen Praxis der damaligen Epoche – juristisch analysiert.
REZENSIONEN
„Es war der erste Sieg afrikanischer Truppen über eine europäische Nation. Am 1. März 1896 besiegten abessinische Soldaten unter Kaiser (nǝguśä nägäśt) Mǝnilǝk II. die italienischen Interventionstruppen General Baratieris. Die siegreiche ‘Schlacht von Adua’ sicherte – epochemachend – die staatliche Souveränität des äthiopischen Kaiserreichs. Auch der im Mai 1889 geschlossene – bilaterale und bilinguale – italienisch-abessinische Vertrag von Uccialli/Wǝcale war hinfällig. Mit dem 1896 ratifizierten Friedensvertrag von Addis Abäba fand der italienisch-äthiopische Krieg auch offiziell ein Ende. Die Pläne des italienischen Königreichs, die Territorien Eritrea und Italienisch-Somaliland durch die Einbeziehung Abessiniens zu einem geschlossenen Kolonialreich auszubauen, waren gescheitert.
Elliesie unternimmt in seiner 2016 vorgelegten Dissertation den anspruchsvollen Versuch einer vertrags- und kulturbasierten Aufarbeitung abessinisch-italienischer Konflikte und Rechtsbeziehungen. Dabei steht ein kritischer Blick auf überkommene Narrative im Mittelpunkt. Elliesies vorrangiges Anliegen ist es, eine als europazentrisch empfundene Wahrnehmungskultur – und damit einhergehende sprachlich und fremdkulturell geformte Vergangenheitsbilder – anhand außereuropäischer Quellen und Erinnerungsbilder zu untersuchen. Dabei unterstreicht er ‘die verschiedenen Begriffswelten unterschiedlicher Sprachkreise und Rechtsverständnisse’, die mittels einer ‘regionalspezifischen Philologie’ kontextualisiert werden. Das Ergebnis überzeugt. Die fremdkulturellen Bilder europäisch geprägter Geschichtsschreibung werden mit regionalsprachlichen (amharischen und arabischen) Quellen und den ihnen zugrundeliegenden politischen und kulturellen Wahrnehmungen konfrontiert.“
(Stefan Brüne in „Aethiopica“ 22/2019, 284-286)
Aktualisiert: 2020-07-01
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