Unterhaltungsmusik wurde von der deutschen Musikwissenschaft – und auch der Exilforschung – lange Zeit vernachlässigt. Hier setzt Christoph Dompke mit seiner Arbeit an: Indem er die Subgattungen Operette, Kabarett, Chanson, Schlager und Tanzmusik einbezieht und zudem verschiedene Verfolgungsarten wie Vertreibung ins Ausland, Ghettoisierung im Jüdischen Kulturbund und KZ-Haft berücksichtigt, gewinnt er einen Überblick über das gesamte Themenspektrum.
Lebenswege von Unterhaltungskünstlern aus Österreich und Deutschland werden auf der Grundlage von Archivrecherchen nachgezeichnet. Als Bild ergibt sich: Es gibt Biographien des Scheiterns, Biographien des Verschwindens, und Musiker, deren Leben und Tätigkeiten im Exil vorerst unaufgeklärt bleiben. Und es gibt Musiker, die sich trotz schwieriger Lebensumstände und Arbeitsbedingungen behaupten konnten und innerhalb bestimmter Grenzen Erfolg hatten.
Die Akkulturation Verfolgter im Exilland hing stark vom internationalen Bekanntheitsgrad und Erfolg der Musiker vor 1933 ab. Dabei spielte das Alter der Künstlerinnen und Künstler eine Rolle. Dem Operettenkomponisten Oscar Straus (1870-1954) ging es im amerikanischen Exil verhältnismäßig gut, denn viele Operetten von dem Senioren der Unterhaltungsbranche waren dort erfolgreich gewesen und er selbst war ein beliebter Gastdirigent. Paul Abraham (1892-1960) hingegen hatte seine großen Erfolge in Deutschland und Österreich erst Anfang der 1930er Jahre gefeiert und war in Amerika ein Unbekannter (Uraufführung von „Viktoria und ihr Husar“ erst Februar 1930 in Budapest, deutsche Erstaufführung Juli 1930 in Leipzig; 3 Jahre vor der „Machtübergabe“).
Für die nach Abraham nächst jüngere Generation der um 1900 Geborenen scheint wiederum ein Neuanfang einfacher gewesen zu sein. Dem Komponisten und Schriftsteller Hugo Wiener (1904-1993) beispielsweise gelang es, in Südamerika beruflich Fuß zu fassen, – ebenso konnte sich der Musiker und Komponist Shabtai Petrushka (1903-1997) in Palästina eine erfolgreiche Karriere aufbauen.
Ein ungewöhnliches Beispiel gelungener Akkulturation spiegelt sich im Lebenslauf der Chansonette Greta Keller (1903-1977) wider, die aus Protest gegen das Nazi-Regime in die USA auswanderte und sich dort künstlerisch entfalten konnte. Sie machte die „Fremdheit“ (ihre österreichische Herkunft) zu ihrem Markenzeichen, – mit Chansons überwiegend deutscher und österreichischer Komponisten.
Die Homosexuellenverfolgung in Deutschland erlebte unter den Nazis einen neuen Höhepunkt. Auf die – bisher wenig dokumentierte – Verfolgung schwuler Musiker wird exemplarisch am Beispiel Robert T. Odemanns (1904-1985) eingegangen. Haft, Befreiung und versuchte Rehabilitierung werden ausführlich dokumentiert.
Die Wiedergutmachungspraxis der BRD seit 1949 stellt ein eigenes Kapitel dar. Am Beispiel der Personalakten von Blandine Ebinger (1899-1993) wird ein Einzelfall bis in alle Details dokumentiert.
Aktualisiert: 2021-01-09
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Der „Reichsdramaturg“ Rainer Schlösser (1899-1945) war einer der wichtigsten Akteure in der Kulturpolitik des NS-Staats. Als Leiter der Theaterabteilung hatte der promovierte Germanist seinen Amtssitz im „Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda“, dessen Chef Goebbels war. Von hier aus kontrollierte er das gesamte Musiktheater: Intendanten, Verlage, Sänger, Orchestermusiker, Librettisten und Komponisten waren von seiner Überwachung und seinem Dirigismus betroffen.
In der vorliegenden Studie betrachtet der Musikwissenschaftler Boris von Haken Schlössers Wirken und seine Amtsführung, die mit ihren Unterdrückungs- und Gängelungsmechanismen einem ständig fortgesetzten Provisorium glich. Schlössers Musiktheater-Politik blieb auf Interventionen in Spielpläne und auf Erteilung von Aufführungsverboten beschränkt. Der überzeugte Parteigänger vermochte es nicht, eine neue, der NS-Ideologie immanente Musiktheater-Programmatik zu formulieren und durchzusetzen. Er stand in ständiger Konkurrenz mit anderen Repräsentanten des NS-Staats, die auf die Theaterpolitik und das Musiktheater einzuwirken versuchten.
Themenfelder der vorliegenden Arbeit sind: Etablierung der „Reichsdramaturgie“ - Erste Aktivitäten - Aufführungsverbote - Berufsverbote - Spielplanpolitik - Ausländische Musik - Kulturpolitik im Krieg - Kompentenzen und Kompetenzbeschränkungen Schlössers im NS-System - Musiktheater und deutsche Besatzungspolitik - Das Ende Schlössers und der „Reichsdramaturgie“.
Aktualisiert: 2021-01-10
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