Wenn etwas unverkäuflich ist, kann man es nicht haben, es sei denn, man bekommt es geschenkt oder greift zu unlauteren Mitteln. Vielleicht ist es unverkäuflich, weil es für die Person, die es geschaffen hat, so wertvoll ist, dass sie es nicht verkaufen möchte. Oder andersherum: Es möchte niemand haben. Weil es nicht gefällt, unpraktisch, zu groß oder von schlechter Qualität ist. Weil niemand bereit ist, dafür Geld auszugeben. Wenn etwas WUNDERBAR UNVERKÄUFLICH ist, spricht aus dieser Betitelung ein heimliches oder auch ganz offenes Vergnügen, dass etwas so besonders ist, von einer Qualität, dass es nicht in den Rahmen passt, dass es sich entzieht, dass es überschreitet – zum Beispiel die Grenzen dessen, was üblicherweise mit Kunsthandwerk verbunden wird. Es geht gar nicht darum, dass es gefällt und sich verkaufen lässt. Es geht vielmehr um Arbeiten "outside the box".
Die Ausstellung BEST OF – WUNDERBAR UNVERKÄUFLICH ist eine Kooperation des Saarländischen Künstlerhauses mit dem Berufsverband Handwerk Kunst Design Saar. Die angewandten Künstlerinnen und Künstler, Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker waren aufgerufen, Arbeiten einzureichen, die die Grenzen ihrer eigentlichen Arbeit überschreiten, sei es im Format, im Material, im Prozess oder durch einen Gedanken, der einer Arbeit zugrunde liegt. Es ging also nicht darum, etwas zu schaffen, was nützlich oder tragbar ist, was schmückt oder gefällt und damit die gängigen Kriterien des Kunsthandwerks erfüllt. Die Idee war vielmehr, Raum zu geben für Wagnis und Experiment.
BEST OF präsentiert eine Kompilation von Arbeiten, die eine Jury aus allen Einreichungen für die Ausstellung im Saarländischen Künstlerhaus ausgewählt hat und die in dieser Publikation vorgestellt werden. Die wunderbar unverkäuflichen Objekte werden dabei von Stücken begleitet und kontrastiert, für die die Künstlerinnen und Künstler, Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker aus den Bereichen Keramik, Schmuck, Holz, Textil und Papier eigentlich bekannt, mit denen sie im Markt der angewandten Künste vertreten sind. Die Arbeiten laden dazu ein, wahrzunehmen und zu entdecken, zu staunen, zu befragen, zu assoziieren.
Bei einigen Arbeiten spielt neben aller handwerklichen Kunst und Exaktheit ein Moment der Unberechenbarkeit, des Zufalls, der Nicht-Planbarkeit im Herstellungsprozess eine wichtige Rolle – so z.B. bei den Holzschalen von Ben Bohlinger, die er aus Grünholz, also noch frischem, nassem Holz, drechselt und auch in diesem Zustand schleift und färbt. Der anschließende Trocknungsprozess führt zu Verformungen, die definitiv gewollt, aber nicht planbar sind. Margit Bauer experimentiert mit geometrisch übereinandergelegten Glasscheiben, die erhitzt und in diesem weichen Zustand stoßartig mit Druckluft aufgeblasen werden. Auf diese Weise entstehen überraschende Objekte mit organischer Anmutung. Auch Helmut Franks hauchdünne Porzellanschalen, bei denen man sich fragen kann, ob es bei ihnen überhaupt um das Gefäß-Sein geht, bergen die Unberechenbarkeit im Entstehungsprozess. Auf andere Weise ist die Gestalt der Pappmaché-Figuren von Stefanie Weber von Unvorhersehbarkeit geprägt: Die Künstlerin lässt ihrer Fantasie und ihren Händen freien Lauf und ist oft selbst überrascht von dem, was ihr gegenübertritt.
Wenn Lyn Riccardo ihre Arbeit anspielungsreich Tea Party Out of Control nennt, ist das Außer-Kontrolle-Sein hier ganz klar gesetzt. Reizvoll der Gedanke, in welche Haltungen und Konstellationen der Versuch drängen würde, die Gefäße doch nutzen zu wollen. Gezielte Setzungen charakterisieren auch die Werke von Pia Welsch, Steffen Lang und Yolanda Wagner: Aus der Ferne betrachtet erscheinen die Arbeiten von Pia Welsch wie kunstvolle Kimonos. Kommt man näher, zeigt sich, dass es keine Kleidungsstücke sind, sondern aufwendig genähte, fantasievolle Quilt-Objekte, in denen sich verschiedene Kulturen verbinden. In abgeschlossenen Holz-Glaskuppel-Gefäßen erschafft Steffen Lang präzise gearbeitete, hochfragile, schutzbedürftige und schützenswerte Objekte und Welten, die zum Wundern und Bewundern einladen. Yolanda Wagner arbeitet hingegen mit sehr konkreten Gegenständen: Sie transformiert Münzen, nimmt dem Geld seinen zugewiesenen Wert, gibt dem Material aber einen neuen Wert, indem sie einen rätselhaften, kopflosen Körper schafft, der an ein von Schuppen geschütztes, von innen leuchtendes Tier erinnert.
In enger Verbindung mit Natur und Naturerfahrungen stehen die Arbeiten von Marie Marx und Michael Ott. Die installative Arbeit Deep Breath aus drei sich auf natürliche Prozesse beziehenden Keramikobjekten von Marie Marx verweist auf ein unveräußerbares Grundprinzip des Lebendigen. Indem er das Holz einer alten, pilzbefallenen Eiche als Ausgangsmaterial für drei skulpturale Objekte nutzt, drückt Michael Ott seine Ehrerbietung gegenüber der Natur aus und schenkt dem alten Baum ein neues Leben. Dabei geht er an die Grenzen des Materials und lässt aus dem schweren Eichenstamm große, extrem dünnwandige und überraschend leichte Objekte entstehen, die man eigentlich erst durch das Berühren und Anheben vollständig erfassen kann.
Die Ausstellung BEST OF – WUNDERBAR UNVERKÄUFLICH war eigentlich für 2020 geplant, wurde aber pandemiebedingt verschoben. Im Mai 2021 ist noch nicht klar, wieviel Öffentlichkeit in den Ausstellungsräumen möglich sein wird. Umso mehr Bedeutung bekommt diese Publikation, um die wunderbar unverkäuflichen Arbeiten vielen Menschen zugänglich zu machen.
Christiane Wien