Aktualisiert: 2021-01-20
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In diesem neuenten Band mit Bausteinen zur Geschichte des weiblichen Sprachgebrauchs werden 13 der 16 auf der Tagung in Magdeburg gehaltenen Vorträge der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Zumeist in Gendervergleichen spanen sie gemeinsam einen Bogen über die Geschichte der deutschen Sprache vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart, lassen sie in diesem weiten Rahmen Frauen als Subjekte der Sprachgeschichte hervortreten.
Sie beschreiben ihr Aghieren in den Textsorten Kurzporträt, Streitschrift, Verteidigungsschrift, Rechtfertigungsschrift, Privatbrief, Bittschrift, Tagebuch, Poesiealbumeintrag, Gipfelbucheintrag und Homepage, zeigen ihren Umgang mit Modalwort und Perfekt, messen ihre Schreibkompetenz am zeitgenössischen Regelwerk, decken ihre Vertextungsstrategien auf.
Gezeigt wird, dass Frauen und Männer in gleichartigen kommunikativen
Situationen auf gleichartige Weise aus dem gemeinsamen Sprachmittelfonds
auswählen (Gisela Brandt, Camila Amft, Britt-Marie Schuster), dass frequenzielle
Differenzen aus Mentalität (Britt-Marie Schuster, Paul Rössler, Peter
Porsch) und sozialem Status (Britt-Marie Schuster) oder uneinheitlicher schreibsprachlicher
Bildung (Peter Wiesinger, Zsuzsanna Gerner) erwachsen.
Die auf semantischen Analysen fußenden Beiträge (Susanne Seifert, Kirsten
Sobotta) machen deutlich, dass Frauen fest in zeitgenössiche gesellschaftliche
Diskurse eingebettet sind und sich dazu positionieren, indem sie sich mit
anderen Standpunkten auseinandersetzen (Susanne Seifert) oder sich selbst positionieren
(Kirsten Sobotta).
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Rainer Hünecke, der die auf der Vorgängerkonferenz 2007 angestoßene
Diskussion zu Verfahren der Ermittlung nähesprachlicher Elemente in historischen
Texten aufnimmt, zeigt einen Weg über die Orientierung an Modelltexten.
Sie lassen sich als distanzsprachliches Maß an Texte der gleichen Textsorte anlegen.
Nur die Abweichungen davon wären dann mit der Methode von Agel/
Henning unter nähesprachlichem Aspekt zu bewerten.
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Geschichte des weiblichen Sprachgebrauchs“ bietet fünfzehn der zwanzig in Paderborn
gehaltenen Referate, einen Überblick über die in den Bänden I-X (1994-
2012) publizierten Artikel sowie eine Liste der in den Konferenzbänden „Historische
Soziolinguistik des Deutschen“ I-X (1994-2011) veröffentlichten Beiträge
zur Geschichte des weiblichen Sprachgebrauchs.
Eröffnet wurde die Tagung mit einem die zwei Jahrzehnte gemeinsamer
Bemühungen um die Gleichbehandlung von Frauen in der deutschen Sprachgeschichtsschreibung
reflektierenden Projektbericht, der Frauen seit dem Ende des
8. Jahrhunderts als Trägerinnen lateinisch-deutscher und seit der ersten Hälfte
des 14. Jahrhunderts als Trägerinnen deutscher Schriftkultur ausweist (Gisela
Brandt). Hervorgehoben wird, dass die vorgestellten Frauen sich mit ihrem
Schreiben in eine große Zahl gesellschaftlicher Diskurse integriert zeigen und
sich zumeist sicher in darin ausgebildeten Kommunikations- und Ausdrucksformen
bewegen; dass sie nicht nur frei und vielfach souverän mit tradierten
Text- und Satzmustern umgehen, sondern den Umgestaltungsprozess der Literatur-
und Schriftsprache auf förmlicher und semantischer Ebene mittragen. Es
gebe also keinen sachlichen Grund, ihr Wirken in Überblicksdarstellungen zur
Geschichte der deutschen Sprache zu übergehen. Nicht nur die Konferenzbeiträge,
auch andere Publikationen [vgl. die Bibliographie BRANDT 2008, BGwS
VIII, 201ff.] böten hinreichend Material, diese Diskriminierung zu beenden.
Die anderen Referenten unterstreichen diese Einschätzung exemplarisch.
Patrizia Mazzadi benennt Stilzüge des in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts von
Elisabeth von Saarbrücken nach französischer Vorlage verfassten Prosaromans
„Sibille“. Monika Rössing-Hager unterstreicht die agitatorische Gestaltungskraft
der Flugschriftautorinnen der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts mit einer Rechtfertigungsschrift
der Pfarrfrau Katharina Schütz-Zell. Oliver Pfefferkorn macht auf
die dichterische Sprache in Catharina Regina von Greiffenbergs in der 2. Hälfte
des 17. Jahrhunderts verfassten Andachtsbüchern aufmerksam. Federica Masiero
hebt an Dorothea Christine Leporins in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts gedruckten
Streitschrift für Frauenbildung und Frauenstudium den partnerschaftlichen
Disputationsstil hervor. Britt-Marie Schuster unterstreicht in ihrer geschlechtskonfrontierenden
Studie zum Reportagestil Erika Manns, Gabriele Tergits
und Kurt Tucholskis aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts den gemein4
samen Rückgriff auf einen etablierten Textsortenstil, der offen ist für individuelle
und geschlechtliche Eigenarten.
Die Hälfte der Beiträger setzt sich mit weiblichem Sprachhandeln in den
Textsorten Privatbrief und Tagebuch auseinander. Elvira Topalović macht am
Beispiel von Geheimbriefen wegen Hexerei zum Tode verurteilter Frauen deutlich,
dass Emotionalität sich nicht notwendig mit weiblichem Schreiben verbindet.
Daniele Prutscher und Henry Seidel verweisen mit ausgeprägterer regionalsprachlicher
Lautung, weniger regelmäßiger Großschreibung und geringerem
Fremdwortanteil auf eine stärkere sprechsprachlich-gemeinsprachliche Bindung
weiblichen Schreibens. Rainer Hünecke zeigt mit einer ebenfalls geschlechtskonfrontierenden
Studie, dass weibliche Syntax nicht weniger Komplex und
nicht weniger variabel sein muss als männliche Syntax. Dana Dogaru macht
darauf aufmerksam, dass individueller weiblicher Briefstil nicht ein Leben lang
gleich bleiben muss, sondern sich mit beruflicher Bildung und Eintritt in neue
gesellschaftliche Funktionalbereiche verändern kann. Zsuzsanna Gerner beschreibt
die Identitätsinskription einer zu wiedergutmachender Zwangsarbeit in
den Ural verschleppten Frau in Briefen an ihre Angehörigen.
An autobiographischem weiblichem Schreiben wird von Sigita Barniškienė
mit Bezug auf die kurländische Adlige Elisa von der Recke die kohäsive
Kraft der Orts- und Personenreferenz betont; von Kirsten Sobotta mit Bezug auf
die Pfarrerstochter Helene Hildebrandt die selbstbewusste Identitätskonstruktion;
von Nadja Geck mit Bezug auf zumeist junge bürgerliche Frauen die differenzierte
Bewertung des Zweiten Weltkrieges.
Arnika Lutz verweist mit einem Vergleich von autentischem weiblichem
Sprechen im klinischen Pflegealltag mit dessen Reflexion in den fiktiven Textsorten
Roman und Fernsehserie auf lediglich partielle Übereinstimmungen.
Als Initiatorin der Konferenzreihe und Herausgeberin der Tagungsbände
bedanke ich mich herzlich bei allen, die ihre Forschungsergebnisse bei uns vorgestellt
und mit uns diskutiert haben. Mein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr.
Irmtraud Rösler (Rostock), Frau Dr. Berner (Potsdam), Herrn Dr. Rainer Hünecke
(Dresden), Frau Dr. Kirsten Sobotta (Magdeburg) und Frau Prof. Dr. Britt-
Marie Schuster (Paderborn), die über zwei Jahrzehnte die universitäre Anbindung
der Konferenzen gesichert haben, Herrn Prof. Dr. Ulrich Müller (Salzburg)
und dem Hans-Dieter Heinz Verlag (Stuttgart), die die Publikation der Sammelbände
ermöglichten, sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die wiederholt
AuslandsgermanistInnen mit Reisemitteln unterstützt hat.
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