Offenbach a.M. als Stadt der Lederwaren- und der Metallwarenindustrie ist nach wie vor im Gedächtnis vieler Bewohner präsent – die Tatsache jedoch, dass die Stadt auch ein bedeutender Chemiestandort war, ist weitgehend vergessen. 1842 gründete Ernst Sell, ein Schüler des berühmten Justus Liebig, die „Teerdestillation und Asphalt-Fabrik“. 1850 erwarb sie der Chemiker Karl Oehler und nahm 1860 – drei Jahre vor Gründung der Hoechst AG – als einer der ersten in Deutschland die Produktion von Anilinfarbstoffen auf. 1905 verkaufte Oehlers Sohn das Unternehmen an die Aktiengesellschaft Griesheim-Elektron und mit ihr wurde es 1925 Teil der I.G. Farbenindustrie AG.
Nach der von den Besatzungsmächten verfügten Auflösung der I.G. Farbenindustrie AG 1945 wurde das Werk unter der Firmierung „Naphtol-Chemie Offenbach“ – wenn auch unter Aufsicht der US-Militärregierung – vorübergehend wieder selbständig, um dann 1953 im Rahmen der Neuordnung der westdeutschen chemischen Industrie in die Farbwerke Hoechst AG eingegliedert zu werden. Diese sieben Jahre der Unternehmensgeschichte, die Neuausrichtung und das vergebliche Ringen um die Beibehaltung der Selbständigkeit bilden den Schwerpunkt der Arbeit von Andreas Dietz. Sie stehen für eines der interessantesten Kapitel in der Geschichte der deutschen chemischen Industrie – eines Kapitels, das bislang noch nicht die ihm gebührende Beachtung gefunden hat.
Aktualisiert: 2020-11-05
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In der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944 wurde die Innenstadt von Darmstadt durch Fliegerangriffe nahezu vollständig zerstört, über 11.000 Menschen starben in den Flammen. Von den Überlebenden flohen mehr als die Hälfte, während die Übrigen sich so gut es ging in den Ruinen einrichteten. Nach dem Ende des Kriegs war der Aufbau der Stadt, insbesondere zur Schaffung von Wohnraum, einer der dringlichsten Aufgaben.
Die Untersuchung von Fabian Ortkamp vergleicht die unterschiedlichen Aufbaukonzepte, die von einem möglichst originalgetreuen Wiederaufbau bis zu radikalen Neubauplänen reichten, und über die leidenschaftlich debattiert wurde. Eine bedeutende Rolle im Aufbauprozess nahm der Städteplaner Peter Grund ein, dessen Generalbebauungsplan aus dem Jahr 1949 die Weichen für das künftige Erscheinungsbild der Stadt stellen sollte.
Thematisiert wird auch das Wirken ‚Wiederaufbau GmbH‘ und ihres Gründers Kurt Jahns, denen Darmstadt die Ansiedlung zahlreicher sog. „rauch- und lärmfreier“ Betriebe und dadurch einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung verdankt.
Aktualisiert: 2018-07-19
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War die Elektrizitätswirtschaft lange Zeit lediglich ein Thema für einen kleinen Kreis von Politikern, Betriebswirten, Juristen und Ingenieuren, so ist sie seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in zunehmendem Maße zu einem Feld gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzung von grundsätzlicher Bedeutung geworden.
Angefangen mit der Auseinandersetzung um die Atomenergie über die Liberalisierung des Strommarktes bis zur Energiewende, die heute die Gemüter erhitzt, hielt und hält die Frage nach dem richtigen Weg in der Energieversorgung die Politik in Atem.
Die Ausstellung Hessen unter Strom geht der Geschichte der Elektrizitätswirtschaft von ihren Anfängen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart nach. Dabei zeigt sich, dass vieles von dem, was sich als strukturelle Veränderung andeutet, z.B. die Dezentralisierung der Stromerzeugung, in die Frühzeit der Branche zurückweist. Ein Blick in die Geschichte jedenfalls kann dazu beitragen, die heutige Diskussion besser zu verstehen und die verschiedenen Argumente einzuordnen.
Aktualisiert: 2018-11-01
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Die Publikation erschien als Begleitband zu der gleichnamigen Wanderausstellung und enthält folgende Beiträge:
Angelika Baeumerth
"Ein Ferienidyll von Künstlern entdeckt". Willigshausen in der Schwalm.
Martina Bleymehl-Eiler
Die gepflegte Atmosphäre. Wiesbaden in der Kaierzeit.
Heiner Boehncke
Die hessische Märchenstraße. Beispiel für eine moderne Tourismuskonzeption.
Gerhard Bott
Die hessischen Bäder Wilhelmsbad und Hofgeismar im 18. Jahrhundert.
Eugen Caspary/Norbert Zabel
Kurwesen in Niederselters im 18. Jahrhundert.
Wolfram Dietz
Naturfreunde in Hessen 1911 - 1933.
Volker Eichler
Kaiser, Riesling, Dynamit. Zur Einweihung des Niederwalddenkmals im Jahr 1883.
Ulrich Eisenbach
Fremdenverkehrsförderung als Mittel gegen die Armut. Der Taunusklub und die touristische Erschließung des Taunus.
Peter Engels
Von der Stadtverschönerung zum Stadtmarketing. Geschichte des Darmstädter Verkehrs- und Verschönerungsvereins.
Eckhart G. Franz
Unter dem "lateinischen" Himmel der Bergstraße. Bade- und Burgentourismus in der Vor-Eisenbahn-Zeit.
Rolf Göttert
Rüdesheim als Touristik-Metropole am Rhein.
Simone Grün
Die touristische Erschließung des Odenwalds.
Thomas Heiler
Die Rhön. Vom "Land der amen Leute" zum Freizeitgebiet.
Evelyn Hils-Brockhoff
Frankfurter Hof "Grand Hotel de Francfort. Hotel ersten Ranges".
Frank-Roland Klaube
"Praktischer Wegweiser für Fremde und Einheimische." Kasseler Stadtführer des 18. bis 20. Jahrhunderts.
Wolfgang Klötzer
Geschäft und Vergnügen. Die Entwicklung des Messetourismus in Frankfurt a.M.
Andreas Knierim
Die documenta als Touristenmagnet in Kassel.
Klaus Kopp
Die "Langenschwalbacher Bahn" - einst Bahn der Fürsten und Könige.
Jürgen Küster
Reisen mit der Postkutsche.
Thomas Lange
". mit dem Auto zu reisen ist eine große Kunst". Die Motorisierung des Odenwald-Tourismus.
Henrik Laschke
Tourismus schafft Arbeitsplätze. Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Hessen.
Karin Marx
"Der schönste Landstrich in Deutschland". Rheinromantik und Reisen im Rheingau (1790 - 1850).
Ute Mayer
Die Bäder Langenschwalbach und Schlangenbad im Taunus. Vom Luxusbad zum Kassenbad.
Gerhard Menk
Bad Wildungen und der Fremdenverkehr an der Edertalsperre.
Winfried Mogge
"Hoch das Wandern!" Der Hohe Meißner, das Wandern und die Jugendbewegung.
Joachim Renz
Das Freilichtmuseum Hessenpark. Eine touristische Attraktion im Taunus.
Philipp Rippel
Das Jugendstilbad Nauheim. Seine Blütezeit in der Belle Epoque.
Hans Sarkowicz
Das irdische Paradies. Weintourismus im Rheingau.
Egon Schallmayer
Die Saalburg - ein wiederaufgebautes Römerkastell als touristisches Ziel im Taunus.
Jochen Schiebeler
Die Lahntalbahn. Bedeutungs- und Funktionswandel einer Strecke aus der Frühzeit des Eisenbahnbaus.
Lutz Schneider
Die Zarenfamilie in Friedberg 1910.
Bodo Scholz
Der Gesundheitsstandort Bad Soden am Taunus.
Yvonne Spura
Lungenheilstätten in Hessen.
Wilhelm Völcker-Janssen
Vom Linnenkerl zum Schanzenchef. Zum Wintersport im Waldecker Upland.
Gerta Walsh
Die Bad Homburger Spielbank.
Michael Wustrack.
Vom Flughafen Rebstock zur Drehscheibe im Weltluftverkehr.
Aktualisiert: 2011-04-28
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Die sozialgeschichtliche Studie analysiert mit dem Zeitraum von 1955 bis 1967 das erste "lange" Jahrzehnt der Arbeitsmigration in die Bundesrepublik und fragt dabei nach dem Stellenwert dieser Phase in der bundesdeutschen Migrationsgeschichte. Lässt sich dieses Jahrzehnt als "Gastarbeiterperiode" charakterisieren, oder erscheint es vielmehr im Rückblick als Beginn eines Einwanderungsprozesses, dessen Anerkennung und Ausgestaltung noch heute die bundesdeutsche Politik und Gesellschaft beschäftigen? Um die Wechselwirkungen, aber auch die Widersprüche der politisch-administrativen Steuerungsversuche einerseits und des faktischen Migrationsprozesses andererseits zu erfassen, analysiert die Arbeit sowohl die Migrationspolitik der Bundesregierung als auch die Migrationsmuster, die sich in Südhessen, speziell in den Städten Darmstadt und Rüsselsheim ausprägten. Die Politik der Bundesregierung bezüglich der Einreise und des Aufenthalts der Migranten und ihrer Familienangehörigen, ihrer Erwerbstätigkeit, ihrer sozialen Rechte sowie ihrer Wohnverhältnisse stellt sich nicht als rein arbeitsmarktbezogene Gastarbeiterpolitik dar, sondern als Produkt divergierender Ressortinteressen und außen- wie innenpolitischer Konstellationen. Am Fallbeispiel Südhessen wird deutlich, dass neben den politi-schen Rahmenbedingungen die unterschiedlichen Unternehmenspolitiken und die Struktur der regionalen bzw. lokalen Arbeitsmärkte maßgeblich die Entwicklung des Wanderungsprozesses prägten. So lassen sich für Darmstadt insgesamt "einwanderungsfreundlichere" Bedingungen nachweisen als für Rüsselsheim. Dass die Migrantinnen und Migranten jedoch nicht als bloße Objekte staatlicher und unternehmerischer Vorgaben zu begreifen sind, belegt das Nebeneinander verschiedener Migrationsmuster, die von Pendelmigranten bis zu Einwanderern reichen. Auch Arbeitsvertragsbruch, wilde Streiks und andere Formen des Protests erweisen die Korrekturbedürftigkeit des gängigen Bildes vom "verschämten Gastarbeiter" der fünfziger und sechziger Jahre.
Aktualisiert: 2017-03-01
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Das duale Ausbildungssystem steht gegenwärtig wieder vor großen Herausforderungen. Angesichts rückläufiger Bewerberzahlen und der wachsenden Zahl derjenigen, die sich für ein Studium oder eine vollschulische Ausbildung entscheiden, wird sich der Wettbewerb um die ausbildungsfähigen Jugendlichen verschärfen. Gleichzeitig werden es auch in Zukunft schwächere Schulabsolventen oder Jugendliche ohne Schulabschluss schwer haben, einen Ausbildungsplatz zu finden.
Technologischer Fortschritt und zunehmende Ausdifferenzierung der Berufsbilder stellen nicht nur an die Auszubildenden immer höhere Qualitätsanforderungen, sondern verlangen auch nach Ausbildungsformen, die größtmögliche Effizienz und Flexibilität gewährleisten. Von der Diskussion über den besten Weg in der Berufsausbildung bleibt auch das für Deutschland charakteristische duale Ausbildungssystem nicht ausgenommen.
Um es zu verstehen, ist es notwendig, einen Blick auf seine Geschichte zu werfen. Als mit der Gewerbefreiheit im 19. Jahrhundert die Grundlagen für die von den Zünften organisierte Meisterlehre entfielen, entwickelten Unternehmen, Gewerbevereine, Handelsvereine und Kammern neue Formen der schulischen und betrieblichen Ausbildung, die zwischen 1920 und 1938 unter Mitwirkung des Staates zu einem einheitlichen System heranreiften. Es hat in seinen Grundlagen noch heute Bestand.
Die Ausstellung beschreibt anhand von mehr als 180 Bildern und zahlreichen Exponaten den langwierigen Prozess von den Handwerkerschulen im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts über den Aufbau einer systematischen Lehre in Industriebetrieben bis zur gegenwärtigen Situation in der Berufsausbildung. Sie geht auch auf den ideologischen Missbrauch der Lehrlinge durch die Nationalsozialisten, die schwierige Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg, den Wandel des Selbstverständnisses der Auszubildenden im Gefolge der 1968-Bewegung und andere Teilaspekte des Themas ein.
Aktualisiert: 2018-07-12
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„Vom Stift zum Handelsherrn. Ein deutsches Kaufmannsbuch“, lautet der Titel eines 1888 erschienenen kaufmännischen Lehrbuchs von Friedrich Wilhelm Stern, das bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts zahlreiche Auflagen erlebte und sich großer Popularität erfreute. Die eher trockene Materie wurde hier in eine unterhaltsame Rahmenhandlung eingebettet. Sie schildert die Bemühungen eines Kaufmanns, seinen Söhnen das notwendige Rüstzeug zu vermitteln, damit sie später das Geschäft leiten können.
Wie die Protagonisten der Handlung begann auch Wilhelm Köhler seine unternehmerische Karriere als „Lehrling“, der die kaufmännischen Kenntnisse von der Pike auf erlernen musste. Anders jedoch als Sterns Figuren war er kein Jugendlicher mehr, sondern besaß bereits ein beträchtliches Maß an Lebenserfahrung. 1914, gerade einmal 17-jährig, hatte er sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet. Den Krieg erlebte er als Offizier an der Ost- und Westfront und zuletzt in der Werkstatt eines Artillerieregiments. Nach dem Krieg studierte er Medizin, entschloss sich aber 1923 nach der Promotion, das Angebot seines Freundes Willi Goebel anzunehmen, als kaufmännischer Lehrling in seine Maschinenfabrik einzutreten. Ausschlaggebend dafür war der Umstand gewesen, dass es damals keine bezahlte Stelle für Ärzte gab. Köhlers Entscheidung gegen eine medizinische Tätigkeit und für Goebel hatte weitreichende Folgen, nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für das Unternehmen, dessen Geschicke er sehr bald maßgeblich mitbestimmte.
Die Gandenberger’sche Maschinenfabrik Georg Goebel in Darmstadt konnte zum Zeitpunkt des Eintritts von Köhler auf eine fast 70-jährige Geschichte zurückblicken. Mit der Herstellung von Maschinen zum Drucken und Schneiden von Eisenbahn-Fahrkarten, Rotationspressen für den Druck von Briefmarken und Papierrollen-Schneidmaschinen hatte sie sich international einen guten Ruf erworben. Nach dem Ersten Weltkrieg ging Goebel daran, seine Produktpalette auf Setzmaschinen auszudehnen und schloss zu diesem Zweck ein Lizenzabkommen mit der Linograph Co. in Davenport/Ohio. Nachdem bereits umfangreiche Investitionen getätigt worden waren, stellte sich heraus, dass die Linograph-Setzmaschine Patente der Konkurrenz verletzte. 1924 musste Goebel zahlreiche Mitarbeiter entlassen und stand kurz vor der Insolvenz.
In dieser Situation bewies Wilhelm Köhler, dem inzwischen Einzelprokura erteilt worden war, sein unternehmerisches Geschick. Es gelang ihm, die Gläubiger durch ein schlüssiges Konzept zum Stillhalten zu bewegen, das Produktionsprogramm auf wenige Gewinn bringende Felder zu reduzieren und die Produktion zu rationalisieren. Bei der Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft zum 1. Januar 1927 wurde Köhler neben Willi Goebel zum Vorstand bestellt; seit 1. Juli 1928 war er alleiniger Vorstand.
Dass er spätestens seit diesem Zeitpunkt zu den wichtigsten Vertretern der Darmstädter Wirtschaft zählte, lag nicht nur am Gewicht des Unternehmens, das er leitete, sondern auch an seiner Persönlichkeit. Selbstbewusst auf Grund seiner Herkunft, Erziehung und Sozialisation, verkörperte er den Typ des patriarchalischen Unternehmers, der einerseits den „Herr-im-Hause-Standpunkt“ vertrat, andererseits für soziale Belange immer offen war. Den Nationalsozialismus lehnte der wertkonservative liberale Köhler strikt ab. Zu seinem Charakter gehörte es auch, seine Meinung kundzutun und sich für die Interessen der Wirtschaft, seiner Heimatstadt Darmstadt und anderer Institutionen, von deren Nutzen er überzeugt war, einzusetzen.
Wilhelm Köhler hat – ein Glücksfall für den Historiker – zahlreiche geschäftliche wie private Unterlagen hinterlassen, die sich inzwischen überwiegend im Hessischen Wirtschaftsarchiv befinden, darunter auch die im Folgenden abgedruckten drei autobiografischen Texte. Sachkundig eingeleitet von seiner Tochter Dr. Lotte Köhler, ohne deren vielfältige Unterstützung dieses Buch nicht zustande gekommen wäre, schildert er darin wichtige Abschnitte seines Lebens. Es wäre viel erreicht, wenn ihre Veröffentlichung dazu anregen würde, sich auf wissenschaftlicher Ebene mit der Biografie dieser interessanten Unternehmerpersönlichkeit zu befassen.
Aktualisiert: 2012-09-28
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Autobahnen sind heute ein unverzichtbarer und stark frequentierter Bestandteil des bundesdeutschen Straßennetzes. Die ersten Überlegungen zur Errichtung eines Schnellstraßennetzes, das alleine Kraftfahrzeugen vorbehalten sein sollte, reichen bis in die Zeit der Weimarer Republik zurück. Umgesetzt wurde das Konzept bekanntlich erst in den 1930er Jahren: Als Bestandteil des Beschäftigungsprogramms der nunmehr herrschenden Nationalsozialisten wurden die Autobahnen zum ersten großen propagandistischen Erfolg Hitlers.
Der Band verfolgt die Entwicklung der Diskussionen um die Planungen in den 1920er Jahren bis zu ihrer tatsächlichen Umsetzung in den 1930er Jahren mit besonderer Berücksichtigung des heutigen Bundeslands Hessen. Wie sah das bestehende Straßennetz aus? Welche Auswirkungen hatte die wachsende Motorisierung auf die Verkehrsverhältnisse? Wie sahen die Überlegungen zur Finanzierung des Autobahnbaus aus? Vorgestellt werden die ersten Vorarbeiten der "Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau" (STUFA), deren Konzept eines Kraftstraßennetzes von 1926, das u.a. eine Strecke Kassel - Fritzlar - Fulda - Würzburg vorsah. Gleichzeitig kam insbesondere in den Ballungsräumen zur Gründung von Initiativen, die den Bau regionaler Schnellstraßen betrieben. Ein weiteres Kapitel ist den Bestrebungen des 1926 gegründeten "Vereins zur Vorbereitung der Autostraße Hansestädte - Frankfurt - Basel" (Hafraba) gewidmet, der für die Entwicklung in Hessen von besonderer Bedeutung war. Obwohl zahlreiche Kommunen und Handelskammern zu seinen Mitgliedern gehörte, blieben die Bemühungen des Hafraba wegen divergierender Interessen der beteiligten Wirtschaftsverbände und auf Grund der sich verschlechternden Finanzlage letzten Endes ohne Erfolg. Die Fortführung der Planungen nach 1933, insbesondere die Realisierung der Streckenabschnitte auf dem Gebiet des heutigen Bundeslands Hessen sowie die Instrumentalisierung des Vorhabens durch die nationalsozialistische Propaganda sind Gegenstand der weiteren Kapitel.
Aktualisiert: 2018-07-12
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Das Kronthal zwischen Kronberg und Mammolshain unterscheidet sich durch Mineralwasservorkommen und Ziegelton von den meisten anderen Taunustälern. Schon in vorgeschichtlicher Zeit erkannten Menschen den besonderen Charakter der Mineralquellen und hinterließen seit der Jungsteinzeit vor 7.000 Jahren ihre Spuren.
Spätestens im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts siedelten sich Ziegler aus der verzweigten Oberhöchstädter Zieglerfamilie Sachs im Kronthal auf der Mammolshainer Seite an, beuteten den dort anstehenden Ziegelton aus und fertigten in erster Linie Dachziegel in Form der hierzulande nach wie vor beliebten Bieberschwänze. An die Familie Sachs und ihre bis ins 19. Jahrhundert fortgeführte handwerkliche Ziegelei erinnern noch die beiden Fachwerkhäuser der Ziegelhütte. Für eine industrielle Ziegelfertigung, wie sie sich im 19. Jahrhundert entwickelte, hätten die Ziegeltonvorkommen im Kronthal und auch der zur Verfügung stehende Platz nicht ausgereicht.
Im Jahr 1803 wurde das Kronthal nassauisch. Nassau besaß innerhalb seiner Domänen einen großen Schatz an Mineralquellen und entwickelte einen regelrechten zentral gesteuerten Brunnenbetrieb. Eine amtliche Untersuchung der Kronthaler Quellen Im Jahr 1811 ergab, dass ihr Salzgehalt für einen Salinenbetrieb nicht aus reichte. Da ihr Wasser jedoch als heilkräftig angesehen wurde, ließen sich nach 1820 gleich zwei Kur-, Bade- und Wasserversandbetriebe im Kronthal nieder. Der Stadt Kronberg gehörte stets eine der Quellen, die nach Herzog Wilhelm von Nassau benannte Wilhelmsquelle. Der streitbare Kronberger Amtsarzt Dr. Ferdinand Küster erwarb eine Wiese mit zwei Mineralquellen, die er erschloss, einen zunächst bescheidenen Kur- und Badebetrieb mit unbedeutendem Wasserversand eröffnete und 1833 ein Wohnhaus erbaute, das heute Teil des Seniorenstifts Kronthal ist.
Schon 1823 bekam er Konkurrenz aus Frankfurt, als der Kaufmann Johann Adam Hermann Osterrieth eine Aktiengesellschaft gründete und 1826 das wiederholt baulich veränderte Kurhaus errichtete, dem zum Leidwesen seiner Betreiber nur weitaus geringere Mineralwasservorkommen zur Verfügung standen. Daher legten sie größeren Wert auf die Gastronomie. Schon 1845 löste sich die Aktiengesellschaft auf. Wechselnde Betreiber versuchten ihr Glück mit der Gastronomie und einem Mädchenpensionat. Im Ersten Weltkrieg war das Kurhaus Lazarett und erlitt in der anschließenden französischen Besatzung derart schwere Schäden, dass es abgebrochen werden musste.
Nachdem Küster und seine Erben keinen besonderen wirtschaftlichen Erfolg aus den Mineralquellen ziehen konnten, entwickelten sich nach 1870 gleich zwei konkurrierende Mineralbrunnenbetriebe. Der eine befand sich an der Steinrutsch, fußte auf der Pacht der städtischen Wilhelmsquelle und hatte mehrere Eigentümer in schneller Folge, bis er 1885 vom Baron von Eckardstein aus der Mark Brandenburg übernommen wurde. Eckardstein kaufte schon 1875 die ehemals küsterschen Quellen und begann an der Stelle der heutigen Betriebsgebäude der Kelterei Herberth mit dem Bau eines industriellen Brunnenbetriebs, den seine Erben bis 1922 innehatten.
Nach einer Zeit des Niederganges kaufte 1925 die Stadt Frankfurt a. M. den völlig heruntergekommenen und ausgeplünderten Betrieb, errichteten das jetzige Betriebsgebäude neu und gründete eine eigene Betreibergesellschaft. Nach meist mäßigem wirtschaftlichem Erfolg entschloss sie sich 1958 zum Verkauf an eine Tochter der Henninger Brauerei. Diese und ein Nachfolgeunternehmen konnten den erhofften Nutzen nicht erwirtschaften und legten den Betrieb 1986 still. Nach einer Zeit der Unsicherheit erwarben die Städte Kronberg und Königstein das gesamte Kronthal und teilten das Gelände 1988 unter sich auf. Ein Jahr später übernahm der Apfelweinkelterer und Getränkehändler Georg Herberth aus Niederhöchstadt als Pächter das Betriebsgelände und die Quellen und füllte bis Herbst 2005 Kronthaler Mineralwasser ab, als neue EU-Auflagen und rückläufige Verkaufszahlen einen Füllbetrieb unrentabel machten.
Zur Bearbeitung der spannenden und im Erdaltertum beginnenden Geschichte fanden sich fünf qualifizierte Bearbeiter. Die Beiträge über die Geologie und die Brunnensanierung im Kronthal 2004/05 stammen von Thomas Ohlenschläger, Geschäftsführer des damals mit der Sanierung beauftragten Büros Dr. Hug Geoconsult in Oberursel, die Vor- und Frühgeschichte untersucht Fritz Schummer, die Geschichte der Brunnen- und Badebetriebe Dr. Konrad Schneider und die Bauten sowie das Ziegelgewerbe Hanspeter Borsch. Claus Harbers schließt den Band mit einer Darstellung über den Quellenpark in Gegenwart und Zukunft ab.
Aktualisiert: 2012-09-28
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Die Arbeit gibt am Beispiel Hessens einen umfassenden Überblick über die Geschichte der dualen Berufsausbildung, beginnend mit der Krise der zünftigen Meisterlehre im 18. Jahrhundert über die Entstehung der Handwerkerschulen und den Beginn einer systematischen Ausbildung in Industriebetrieben im 19. Jahrhundert bis hin zum Berufsbildungsgesetz 1969 und den jüngsten Veränderungen als Folge der Globalisierung. Zwischen 1918 und 1938 bildeten sich die beiden Säulen des Dualen Systems, die betriebliche Ausbildung und die Berufsschule, in der heute noch existierenden Form heraus. Seit 1933 wurde Lehre ideologisch instrumentalisiert und zugleich die jüdischen Jugendlichen ausgegrenzt.
Die Nachkriegsjahre waren geprägt von Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel. Spätestens Mitte der 1950er Jahre, mit dem einsetzenden Wirtschaftswunder, änderte sich die Situation grundlegend. Bis etwa 1973/74 herrschte ein erheblicher Lehrlingsmangel, der die Unternehmen zu immer neuen Anstrengungen zwang, um ihren Bedarf an qualifizierten Nachwuchskräften zu decken.
Das Ende der sechziger Jahre markiert einen tiefen Einschnitt in der Entwicklung der Berufsausbildung. Zum einen sorgte das Berufsbildungsgesetz von 1969 erstmals für eine bundesweit einheitliche Regelung im Ausbildungsbereich; zum anderen begannen die Lehrlinge, die nun Auszubildende hießen, sich gegen die patriarchalische Bevormundung in Betrieb und Berufsschule zur Wehr zu setzen. Sie organisierten sich in politischen und gewerkschaftlichen Gruppen, demonstrierten und streikten. Die Zeit seit Mitte der 1970er Jahre ist geprägt von fehlenden Ausbildungsplätzen als Folge konjunktureller Probleme und zunächst steigender Bewerberzahlen, aber auch von wirtschaftlich-technologischen Umbrüchen, die nicht ohne Auswirkungen auf Organisation und Inhalte der Ausbildung blieben.
Die allgemein verständlich geschriebene Untersuchung wendet sich gleichermaßen an alle, die sich beruflich mit der Ausbildung befassen, wie auch an ein breiteres Publikum.
Aktualisiert: 2018-07-12
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Die tägliche Praxis in Deutschland und Europa zeigt, dass Autobahnen heutzutage elementare Träger für Transport, Verkehr und Mobilität sind. Seit ungefähr vier Jahrzehnten beeinflussen sie die Koordinaten für das Entfernungs-, Zeit- und Raumgefühl der motorisierten Verkehrsteilnehmer. Straßenkarten und Navigationsgeräte weisen Autobahnen und Schnellstraßen als Hauptverkehrsnetz aus, das über Landesgrenzen hinweg Städte, Wirtschaftszentren, Flughäfen und Urlaubsregionen miteinander verbindet. Die in Europa gebräuchlichen blauen oder grünen Autobahn-Wegweiser sind im kollektiven Gedächtnis der automobilen Gesellschaft als Signale für "Hochgeschwindigkeitsstraßen" fest verankert.
Bislang gibt es allerdings keine umfassende Darstellung, welche Ursprung, Werdegang und Realisierung der Autobahnidee epochenübergreifend schildert. Die vorhandene Literatur zur deutschen Autobahngeschichte handelt das Geschehen meist mit Fixierung auf den Nationalsozialismus aus übergeordneter Warte ab. Ihr Anliegen ist es, volkspädagogisch aufzuklären und Hitler-Legenden zu zerstören. Völlig vernachlässigt ist insbesondere die Frage, weshalb die Autobahnidee gerade in Frankfurt am Main auf fruchtbaren Boden fiel, und wie die städtischen Behörden zu ihrem Siegeszug beitrugen.
Die vorliegende Studie bringt Licht in die Entwicklungsgeschichte der deutschen Autobahn. Sie verknüpft das Geschehen des preußisch-deutschen Straßenwesens mit der besonderen Verkehrskonstellation der Stadt Frankfurt am Main und des Rhein-Main-Gebietes. Ausgehend von der verkehrspolitischen Grundsatzentscheidung Preußens im Jahr 1875 zu Gunsten der Eisenbahn wird im Kontext der Motorisierung ab 1920 die nationale bzw. regionale Entwicklung des Straßenwesens untersucht. Zwischen 1919 und 1932 gerieten Straßenbau und Straßenunterhalt jedoch in so große Not, dass der Frankfurter Magistrat zusammen mit den Ländern Hessen und Baden die Errichtung eines völlig neuen Verkehrswegs speziell für Kraftfahrzeuge zur Lösung des Problems befürwortete.
Der vom NS-Regime in Frankfurt begonnene Bau eines deutschen Autobahnnetzes endete keineswegs mit der Zäsur von 1945, sondern fand seinen krönenden Abschluss erst mit der Verkehrsfreigabe des Frankfurter Autobahnkreuzes im Jahr 1956, das aufgrund seines hohen Verkehrsaufkommens von Anbeginn zu einem mythisch überhöhten Erinnerungs-Ort der Autobahngeschichte wurde.
Aktualisiert: 2018-07-12
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Aktualisiert: 2018-07-12
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Das Buch behandelt die Entwicklung der hessischen Wirtschaft von den Wiederaufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Die Darstellung zeigt die verschiedenen Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung: Die Bevölkerungsentwicklung, die Wirtschaftsordnung, das wirtschaftliche Wachstum, den sektoralen Strukturwandel, die Unternehmenspolitik, den regionalen Strukturwandel, die Landespolitik, die internationale Verflechtung und den Anstieg des Lebensstandards.
Die Wirtschaftsgeschichte eines Bundeslandes ist bisher in der historischen Forschung selten thematisiert worden. Eine zusammenfassende Darstellung hat bislang für kein Bundesland vorgelegen. Insofern ist die vorliegende Veröffentlichung ein Novum. Sie soll nicht nur empirische Informationen zur hessischen Wirtschaft vermitteln, sondern sie ist auch ein Versuch, das wirtschaftliche Profil eines Landes im Kontext der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland zu präzisieren. Die Grenzen der Länder sind keine Wirtschaftsgrenzen. Die hessische Wirtschaft war ein Teil der westdeutschen Wirtschaft und ist seit Oktober 1990 ein Teil der gesamtdeutschen Wirtschaft. Die integrierende Wirkung des Marktes wird durch den Einfluss der Wirtschafts- und Sozialpolitik verstärkt. Im föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland hat der Bund gegenüber den Ländern eine starke Stellung. Auch war und ist nach dem Grundgesetz eine Angleichung der regionalen Lebensverhältnisse ausdrücklich gewollt; der Finanzausgleich soll regionale Unterschiede in den Lebensbedingungen reduzieren. Gleichwohl ist die Wirtschaft eines einzelnen Bundeslandes mehr als nur ein statistischer Ausschnitt aus der gesamten Volkswirtschaft. Die natürlichen Bedingungen, die Wirtschaftsstruktur und nicht zuletzt die Landespolitik verleihen der Wirtschaft des Landes Hessen ein eigenständiges Profil.
Kontinuität und Wandel der hessischen Wirtschaft standen in den vergangenen sechs Jahrzehnten in einer engen Wechselbeziehung. Seit den späten sechziger Jahren ist Hessen in der Bundesrepublik Deutschland der Flächenstaat mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen. In der Industriegesellschaft beruhte der Vorsprung auf Wachstumsbranchen wie der Chemischen Industrie, dem Fahrzeugbau, der Elektroindustrie, dem Maschinenbau und der Metallindustrie. In der postindustriellen Gesellschaft traten Finanzdienstleistungen, Handel und Verkehr als Wachstumsfaktoren in den Vordergrund.
Trotz der Abschwächung des Wachstumstrends steigen die Realeinkommen auch im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert an. Dennoch nehmen Unsicherheiten zu. Die Umweltbelastung wird bedrohlich; Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch müssen entkoppelt werden. Die hohen Realeinkommen in Hessen, wie insgesamt in Deutschland, beruhen auf ständigen Produktivitätsfortschritten in einem kompetitiven globalen Markt. Die Regulierungsfähigkeit des Staates ist im Vergleich zu früheren Zeiten stark eingeschränkt. Die Stabilität der Erwerbsbiographien wird durch eine hohe Arbeitslosigkeit bedroht. Die zunehmende Differenzierung der Einkommen erinnert an die bekannte Problematik statistischer Durchschnittswerte: Wenn der Jäger einmal links am Hasen vorbei schießt und einmal rechts vorbei, dann ist der Hase im Durchschnitt tot. Die lineare Sozialpolitik früherer Zeiten, die im Prozess des wirtschaftlichen Wachstums ein breites Angebot für alle entfaltete, soll durch eine zielorientierte Sozialpolitik abgelöst werden, die individuelle Selbständigkeit fördert und Transferleistungen auf klar definierte Situationen konzentriert. Auch für die Zukunft gilt, dass sich viel verändern muss, damit alles bleiben kann wie es ist.
Aktualisiert: 2012-10-09
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Die Chemische Fabrik Griesheim (CFG) war vor dem Ersten Weltkrieg der größte Hersteller von Schwerchemikalien in Deutschland. Das Unternehmen wurde 1856 als Düngemittelfabrik gegründet. Ihm gelang um 1890 erstmals die großtechnische Herstellung von Chlor und Ätzalkalien durch Zerlegung von Kochsalz auf elektrochemischem Wege. Dieser Pioniertat folgten weitere Innovationen wie die Entwicklung elektrothermischer Verfahren zur Herstellung von Phosphor und Magnesium sowie der Aufbau der deutschen Aluminium-Industrie im Ersten Weltkrieg. Das "Abfallprodukt" der Chloralkali-Elektrolyse, der Wasserstoff, gab Anlass zu einem weiteren innovativen Arbeitsgebiet der autogenen Schweiß- und Schneidtechnik. Die Herstellung der für die Elektrolyse benötigten Elektroden wurde zum Geschäftsfeld der Kohle- und Graphiterzeugnisse ausgebaut, die als temperatur- und korrossionsbeständige Werkstoffe vielseitige Verwendung fanden. Nur indirekt mit der Elektrochemie hing die Erfindung des Polyvinylchlorids (PVC) zusammen, mit der die CFG ihrer Zeit voraus war. Erst 20 Jahre später begann der Aufstieg dieses Produktes zu einem der wichtigsten thermoplastischen Kunststoffe. 1905 wandte sich die CFG der Farbenherstellung zu und ebnete damit den Weg zur 1925 vollzogenen Fusion mit der IG Farbenindustrie AG.
Den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Innovationen sicherte sich die CFG durch eine kluge Lizenz- und Beteiligungspolitik sowie durch die Wahl geeigneter Standorte. Das von ihr 1894 erbaute Werk in Bitterfeld wurde zur Keimzelle der mitteldeutschen Chemieregion Halle/Merseburg. Dieter Wagner untersucht in seinem Buch, welchen Wandel die Unternehmensstrategien in der Geschichte der CFG vor dem Hintergrund des politischen und sozioökonomischen Umfeldes erfuhren. Neben der historiographischen Darstellung sind den handelnden Personen, den sozialen und ökologischen Belangen sowie den Produktlinien besondere Kapitel gewidmet. Für die Beurteilung der Innovations- und Standortpolitik, den Schwerpunkten der vorliegenden Arbeit, werden neuere Wirtschaftstheoretische Erkenntnisse herangezogen.
Aktualisiert: 2016-01-04
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Der Sammelband, 1997 anlässlich des 125jährigen Jubiläums der Industrie- und Handelskammer Gießen erschienen, enthält folgende Beiträge:
Ulrich Eisenbach, Zwischen gewerblicher Interessenvertretung und öffentlich-rechtlichem Auftrag
Ottfried Dascher, Vor der Kammergründung - Gießen und Oberhessen in den Anfängen der Industrialisierung
Ludwig Brake, Verkehrsentwicklung und Verkehrsplanung im Raum Gießen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
Dieter Degreif, Die Tabak- und Zigarrenindustrie in Gießen und Umgebung. Von den Abnfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs
Dieter Steil, Juden im Wirtschaftsleben des Kammerbezirks
Marcus Gräser, Interesse(n) und Distanz. Die Handelskammer Gießen 1914-1924
Gerd Hardach, Die Wirtschaft der Region 1947-1997
Helga Pomp, Die wirtschaftliche Entwicklung im Vogelsberg nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
Wolf-Dieter Erb, Die Industrie im Kammerbezirk nach 1950 - Struktur und Wandel -
Ernst Giese, Die Bedeutung der Stadt Gießen als Einkaufs- und Einzelhandelszentrum
Ernst Giese, Das Gießener Geschäftszentrum: Entwicklung und Entwicklungsperspektiven
Aktualisiert: 2020-03-17
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Die Studie behandelt den Wandel der kommunalen Leistungsverwaltung und der urbanen Gesellschaft anhand des Beispiels der Elektrifizierung der Stadt Frankfurt am Main von den 1880er Jahren bis zum Ende der Weimarer Republik. Dabei zeigt sie auf, dass die Entwicklung des städtischen Elektrizitätssystems in Frankfurt von Anfang an in Verbindung mit einer integrierten Stadtentwicklungspolitik stand, die Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik, Mittelstandspolitik, Stadtfinanzen, die Eingemeindung der Vorortgemeinden sowie wirtschaftliche Beziehungen mit den umliegenden Regionen umfasste und als Achse dieser Politik funktionierte.
Als die Frankfurter Stadtverwaltung in den 1880er Jahren die Errichtung eines Städtischen Elektrizitätswerks plante, musste entschieden werden, ob das das Gleichstrom- oder das Wechselstrom- bzw. Einphasen-Wechselstromsystem genutzt werden sollte. Ein Rahmen der Internationalen Elektro-Technischen Ausstellung durchgeführtes Experiments zur Langstreckenübertragung von Strom ergab die technische Überlegenheit des Wechselstromsystems und bewirkte dessen Einführung in Frankfurt und anderen deutschen Städten.
Das Frankfurter Elektrizitätswerk wurde von einem Privatunternehmen aufgebaut und 1899 kommunalisiert, da die Stadtverwaltung Elektrizität als Mittel für Stadtplanung und kommunale Sozialpolitik erkannte. Im gewerblichen Bereich sollte durch eine verstärkte Einführung von Elektromotoren der Mittelstand gestärkt werden, während Tarifpolitik und Streckenausbau der ebenfalls kommunalisierten Straßenbahn in Verbindung mit der Wohnungsbaupolitik zu sehen ist. Nicht zuletzt sollte der Elektrizitätsbetrieb eine Einnahmequelle für den städtischen Haushalt darstellen.
Die Autonomie der Städtischen Elektrizitätswerke geriet in Gefahr, als sich die kommunalen Finanzen als Folge der Erzberger’schen Reichsfinanzreform verschlechterten und zudem Überlandwerke, vor allem das RWE, als Konkurrenten aufkamen. Letztendlich gelang es in Zusammenwirken mit PreussenElektra, die Städtischen Elektrizitätswerke bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als Hauptstromlieferer zu erhalten und den ergänzenden Bezug von Fremdstrom zu begrenzen.
Die Einführung der Elektrizität und ihre Etablierung als unverzichtbare Energie in den verschiedenen Verbrauchsgebieten verlief stufenweise. Durch ein sozialpolitisch gestaffeltes Tarifsystem konnte sich die elektrische Straßenbahn bis zum Ersten Weltkrieg als das öffentliche Verkehrsmittel der Stadt etablieren. Während zu diesem Zeitpunkt die elektrische Beleuchtung im Privatbereich noch als Luxusgut galt, führten in der Weimarer Republik der sinkende Grundpreis und die Einführung des „Frankfurter Haushaltstarifs“ dazu, dass sich der Anteil elektrisch beleuchteter Wohnungen bis 1929 auf mehr als 80 Prozent erhöhte. Der gleichzeitig beworbene voll elektrifizierte Haushalt wurde zwar in Neubausiedlungen wie der Römerstadt experimentell erprobt, spielte aber wegen der Stromkosten im Alltag noch kaum eine Rolle.
Dr. Takahito Mori, geb. 1977 in Kyoto, Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften an der Hitotsubashi Universität in Tokyo. Seit 2012 als Associate Professor für Europäische Sozial- und Wirtschaftsgeschichte tätig an der Hitotsubashi Universität.
Aktualisiert: 2018-07-20
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Die Berufsausbildung gehört zu den großen gesellschaftspolitischen Themenfeldern unserer Zeit. Seit Jahren sind wir an Presseberichte über fehlende Ausbildungsplätze und Klagen über mangelnde Ausbildungsvoraussetzungen bei Jugendlichen gewöhnt. Technologischer Fortschritt und globaler Wettbewerb stellen nicht nur an Auszubildende immer höhere Anforderungen, sondern verlangen auch nach Ausbildungsformen, die größtmögliche Effizienz und Flexibilität gewährleisten.
Das spezifisch deutsche System der dualen Ausbildung – die Kombination von fundiertem theoretischem Wissen und praktischen Erfahrungen und Fertigkeiten – scheint den Herausforderungen unserer Zeit besser gewachsen zu sein als andere Modelle. Nicht wenige sehen in ihm den Schlüssel, mit dem Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg rasch zur führenden Exportnation aufgestiegen ist. Auch ist es sicher kein Zufall, dass Deutschland in Europa zu den Ländern mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit zählt.
Nichtsdestotrotz ist auch die duale Ausbildung in die Diskussion geraten. Zwar gibt es nur wenige, die das System als Ganzes in Frage stellen, doch Kritik an einzelnen Komponenten gibt es durchaus. Um die Diskussion verstehen zu können, ist es hilfreich, einen Blick auf die Geschichte der Ausbildung zu werfen. Grund genug für das Hessische Wirtschaftsarchiv in Darmstadt, diesem Thema eine Ausstellung zu widmen.
Die Wurzeln der dualen Ausbildung reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Als mit der Gewerbefreiheit die Grundlage für die von den Zünften organisierte so genannte Meisterlehre entfiel, entwickelten Unternehmen, Gewerbevereine, Handelsvereine und Kammern neue Formen der schulischen und betrieblichen Ausbildung. Zwischen 1820 und 1845 entstanden aus privater Initiative die ersten Zeichen-, Gewerbe- und Handwerkerschulen. Bis spätestens 1922 gingen sie in die Trägerschaft der Kommunen oder Kreise über. Aus ihnen entwickelten sich noch in den zwanziger Jahren die Berufsschulen, allerdings zunächst noch ohne allgemeine Berufspflicht, die erst 1938 für alle Jugendliche beiderlei Geschlechts gesetzlich in ganz Deutschland eingeführt wurde. Die betriebliche Ausbildung als zweite Säule des dualen Systems kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinzu. Damals begannen die großen Industriebetriebe mit einer systematischen Ausbildung des Facharbeiternachwuchses. Zwischen 1918 und 1938 nahm dieses Ausbildungssystem feste Formen an. Lehr- und Anlernberufe wurden geschaffen, Berufsbilder erstellt und Lehrabschlussprüfungen zwingend vorgeschrieben.
Der Ausstellungskatalog beschreibt am Beispiel Hessens diesen langwierigen Prozess von den Frühformen der kaufmännischen und industriell-gewerblichen Lehre bis zum heutigen System der dualen Ausbildung. Sie geht auch ausführlich auf den ideologischen Missbrauch der Lehrlinge in der Zeit des Nationalsozialismus, auf die schwierige Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg und auf den Wandel des Selbstverständnisses der Auszubildenden im Gefolge der 1968-Bewegung ein.
Aktualisiert: 2018-07-12
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Noch immer wird Sparkassengeschichte überwiegend als Institutionengeschichte geschrieben. Dabei gerät in aller Regel der Zusammenhang mit der Region, in der die Sparkassen wirken, nicht in den Blick. Marcus Gräser unternimmt in seinem Buch den Versuch, eben dieser Wechselwirkung zwischen Region und Sparkassen am Beispiel der Wetterau und des südlichen Vogelsbergs nachzuspüren und dergestalt ein Stück der regionalen Gesellschaftsgeschichte zu analysieren. Er fragt dabei nach dem regionalen Weg in die Moderne - und nach der Rolle der Sparkassen auf diesem Weg. Die Darstellung verfährt jedoch nicht chronologisch, vielmehr wird das Handeln der Sparkassen unter fünf thematischen Geschichtspunkten betrachtet: Die Gründung der regionalen Sparkassen umfasst nicht nur die Ereignisgeschichte, sondern zugleich auch eine Analyse der Gründergeneration, ihrer sozialen Zusammensetzung und politischen Motive. Im Anschluss daran wird die Wirksamkeit der Sparkassen behandelt: In den Anfangsjahren sind die Sparer fast ausschließlich städtisch und bürgerlich, die Kreditnehmer dörflich. Erst allmählich werden die Sparkassen `repräsentativ' und gewinnen die `kleinen Leute' als Sparer. Das soziale Ideal der Sparkassen meint nicht nur die Bemühungen der Kassen um Wohltätigkeit, sondern auch das Selbstverständnis, die regulative Idee, die das Handeln der Verantwortlichen bestimmte. Der Rekonstruktion des sozialen Ideals folgt der Blick auf den Anteil der Sparkassen an der Transformation der ländlichen Gesellschaft. Dynamik und Beharrung stehen hier dicht beieinander. Eine Betrachtung des Handelns der Sparkassen aber kann der Frage nach dem Maß an Autonomie, das den Sparkassen zukam, nicht ausweichen. Wer entschied über die `Politik' der Sparkassen? Stets werden die regionalen Unterschiede, die sich im Handeln der verschiedenen Sparkassen abbilden, deutlich. Der für die Darstellung gewählte Zeitraum reicht vom Vormärz bis in die Zeit des Nationalsozialismus.
Aktualisiert: 2012-10-09
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Obwohl Bier und Brauereien in den letzten Jahrzehnten wiederholt im Fokus der wirtschafts- und sozialhistorischen Forschung gestanden haben, hat die hessische Landesgeschichtsschreibung diesen Gegenstand bislang weitgehend ignoriert. Die vorliegende Studie analysiert die Situation und Entwicklung des hessischen Brauwesens von der Gründung des Deutschen Reiches bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs. Sie beschäftigt sich zunächst mit der kulturell-lebensweltlichen, politischen, umweltbezogenen und sozioökonomischen Bedeutung der Brauwirtschaft in den heute hessischen Gebieten. Dazu werden sowohl qualitative als auch quantitative Quellen ausgewertet: Insbesondere die Jahresberichte der hessischen Handelskammern aus dem Zeitraum 1871 bis 1914 werden für die Fragestellung erstmals vollständig ausgewertet, wodurch sich ein regional sehr differenziertes und aufgrund der Quellengattung authentisches Bild der Branchenentwicklung zeichnen lässt, das durch die Auswertung archivalischer Überlieferungen von Einzelbetrieben und Brauereiverbänden noch ergänzt wird.
Hierbei werden u.a. die signifikanten Stadt-Land-Unterschiede, die Bedeutung der Brauer für den Haushalt von Staat und Kommunen, die Politisierung des Bieres, die eigenartig beschaffenen regionalen Absatzmärkte und Wachstumsdeterminanten untersucht. Dies sowie die originäre Rolle der Brauereien als Produzenten von Öffentlichkeit und Geselligkeit werden mit der übergeordneten Entwicklung der heute hessischen Gebiete in Verbindung gebracht, deren Konjunkturen eng mit denen des Brauwesens zusammenhängen.
Zum Autor:
Kevin Rick, geb. 1989, 2009-2013 Studium der Geschichte, Philosophie und Ethik, seit 2013 Bearbeitung eines Dissertationsprojektes am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Marburg zum „Wandel des Konsumtionsregimes in der Bundesrepublik Deutschland“. Veröffentlichungen zur Konsumgeschichte und Landesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
Aktualisiert: 2018-07-12
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Seit der Entstehung großer deutscher Industrieunternehmen gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren deren Organisationsformen über viele Jahrzehnte hinweg nahezu unverändert geblieben. Demgegenüber scheinen sich Unternehmen gegenwärtig ungleich häufiger die Frage nach der „richtigen Organisation“ zu stellen und organisatorische Veränderungen sind fast an der Tagesordnung. Eine besonders intensive Phase der organisatorischen Veränderungen erlebten deutsche Unternehmen vor allem im Zeitraum zwischen 1965 und 1975, als sie sich mit erheblicher Verzögerung am Vorbild US-amerikanischer Großunternehmen orientierten und von der funktionalen zur multidivisionalen Organisationsform übergingen.
Dieser Prozess ist in der Literatur als folgerichtig beschrieben worden; gegenüber Expansion, Größenwachstum und Diversifikation habe nur die Divisionalisierung den passenden organisatorischen Rahmen geboten. Die Vehemenz, mit der diese These nach wie vor vertreten wird, steht in auffälligem Kontrast zu der Tatsache, dass der organisatorische Wandel der Unternehmen in den 1960er- und 1970er-Jahren bisher historisch kaum untersucht worden ist. Hier liegt der Ansatz der Doktorarbeit. Am Beispiel der Frankfurter Metallgesellschaft (MG), des damals größten Unternehmens der deutschen Nichteisenmetallwirtschaft und eines der zwanzig größten deutschen Industrieunternehmen, wurde der organisatorisch Strukturwandel in den 60er und 70er Jahren untersucht. Es stellte sich hierbei die Frage, warum sich auch die Metallgesellschaft dem Trend anpasste und ebenfalls die multidivisionale Organisationsform einführte und welche Konsequenzen dies hatte. Vor allem den Wandel der Corporate Governance-Strukturen (das System der internen und externen Kontroll-, Lenkungs- und Überwachungsmechanismen) und die Kapitalsituation des Unternehmens galt es dabei im Blick zu behalten. Die MG stellt in diesem Zusammenhang ein besonders gutes Beispiel dar. Denn noch Ende der Sechzigerjahre verfügte die Metallgesellschaft über keine festgeschriebene organisatorische Gliederung, was sie zu einer Besonderheit unter den deutschen Großunternehmen machte. Zwar stand die vergleichsweise kleine Metallgesellschaft durch Aktienmehrheiten und ihre Aktivitäten im Metallhandel im Mittelpunkt und war mehr oder weniger eng mit den einzelnen Sektoren verbunden, aber der weitaus größere Teil der Beschäftigten aus dem „MG-Bereich“ war in Firmen mit eigener Tradition und ausgeprägter eigener Geschäftspolitik tätig. Sich selbst bezeichnete man bei der Metallgesellschaft auch nicht als „MG-Konzern“, sondern eher als „Verbund“. Auch die Bezeichnung „Commonwealth“ findet sich.
Für den Neubeginn der MG in der Nachkriegszeit war vor allem die Rückkehr von Richard Merton (Sohn des Firmengründers Wilhelm Merton) aus dem Exil und der Wiedereintritt von Alfred Petersen (bereits vor dem Ersten Weltkrieg Vorstand der MG) von besondere Bedeutung. Recht früh verfügte das Unternehmen somit wieder über eine Konzernspitze, die sich aus unbelasteten, international anerkannten Fachleuten zusammensetzte. Der Gedanke an eine Wiederanknüpfung an die Größe und die Bedeutung der Vorkriegs-MG bestimmte die unternehmerische Zielsetzung in den 1950er-Jahren, zumal auch organisatorisch wurde an die „alte MG“ angeknüpft wurde. Es blieb bei der traditionell dezentralen Aufstellung des MG-Verbundes und der weitgehenden Selbstständigkeit der Geschäftsführungen der Tochter- und Organgesellschaften. Im Vergleich zu anderen Großunternehmen, die zu diesem Zeitpunkt bereits über ausgeklügelte Kostenrechnungen und Investitionsplanungen verfügten, blieben die Kontroll- und Planungsbemühungen des MG-Verbunds bis in die sechziger Jahre hinein deutlich zurück.
Erst durch die nun erfolgte Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes mit einem Vertreter der Dresdner Bank wurde die Metallgesellschaft im Hinblick auf ihre Governance-Struktur zu einer „normalen“ Aktiengesellschaft. Bis dahin hatte sich Richard Merton als Aufsichtsratsvorsitzender regelmäßig direkt in das Tagesgeschäft eingeschaltet. Jetzt wurde der Aufsichtsrat zu einem Kontrollgremium und vertrat wesentlich deutlicher als dies vorher der Fall gewesen war die Interessen der Anteilseigner (Dresdner Bank, Siemens, Henkel).
In der Folgezeit wurde der Aufsichtsrat zu einem bedeutenden Faktor innerhalb der unternehmerischen Entscheidungsprozesse. Geplante Investitionen und Beteiligungen mussten nun in viel größerem Maß dem prüfenden Blick des Kontrollgremiums standhalten. Innerhalb der Unternehmensleitung setzte sich schon bald die Absicht durch, bei den großen Tochtergesellschaften eine unmittelbare Führungsverantwortung zu übernehmen und sich darüber hinaus eine adäquate „moderne“ Organisationsform zu geben, auf die der Aufsichtsrat besonderen Wert legte. Insbesondere die Mode der Divisionalisierung, die zeitgleich in deutschen Unternehmen großen Zuspruch fand, wurde aufmerksam verfolgt.
Signifikant für den Divisionalisierungsprozess des MG-Verbundes war die Absicht, für eine stärkere Zentralisierung von Entscheidungen und eine Vereinheitlichung von Planung, Rechnungswesen und Personalmanagement zu sorgen. Also genau das Gegenteil dessen, was von Chandler und anderen als Sinn und Zweck (Dezentralisierung, Schaffung kleinerer Einheiten, Entlastung des Vorstandes etc.) der Einführung der M-Form formuliert worden war.
Darüber hinaus blieben die direkten personellen und organisatorischen Folgen der im Juli 1972 erfolgten Organisationsreform marginal. Die bisherigen Tochterunternehmen und Mehrheitsbeteiligungen wurden fast ohne weitere strukturelle Veränderungen in die Unternehmensbereiche überführt. Dies führte u.a. dazu, dass selbst direkt Beteiligte die Umstrukturierung im Nachhinein mit den Worten kommentierten, man sei einer Mode gefolgt und habe an bestehende Kästchen „neue Zettel drangeklebt“. Dennoch dürfen die Konsequenzen der Strukturreform im Hinblick auf die Entscheidungsprozesse nicht unterschätzt werden. Vor der Strukturreform war es dem MG-Vorstand möglich, Probleme und Misserfolge der Tochtergesellschaftern zuerst als „personelle Probleme“ anzusehen und dementsprechend mit Veränderungen im dortigen Vorstand zu reagieren und damit „zu lösen“. Demgegenüber war die Aufgabe, Investitions- und Planungsentscheidungen für die bisher stark eigenständig handelnden Tochterunternehmen zu treffen wesentlich schwieriger, denn dies setzte detaillierte Informationen und die nötige Sachkenntnis im Vorstand voraus. Zumal das Führungsgremium nun auch die direkte Verantwortung für von ihm getroffenen und den ganzen Konzern betreffende Entscheidungen direkt zu übernehmen hatte.
Zusammenfassend lässt sich folgendes kurzes Fazit ziehen: Die Thesen Chandlers sind im Hinblick auf die Unternehmensgeschichte der MG deutlich zu relativieren. Im Hinblick auf die unternehmerischen Entscheidungsprozesse war der Aufbau einer zentralen Finanzabteilung wesentlich bedeutsamer, die Divisionalisierung stelle eher eine Umetikettierung dar. Zumal die MG die Organisationsreform mit einer vollkommen an-deren Zielsetzung durchführte und durch sie nicht wirklich erfolgreicher agierte. Diese Einzelfallstudie zur MG machte vor allem deutlich, dass die organisatorischen Veränderungsprozesse von Unternehmen nicht rezepthaft erfolgen, sonder viel eher historisch-kontingent ablaufen. Bei der MG wurden Unternehmensplanung und Controlling zu den beherrschenden Instrumenten zur Bewältigung der ungewissen Zukunft, wenn auch die Prognosen über den zu erwartenden Geschäftsverlauf kaum einmal zutrafen. Doch die Übernahme und Umsetzung moderner Managementmethoden ermöglichte es den Entscheidungsbefugten, evtl. auftretende, unvorhergesehene Fehlentwicklungen umzudeuten in unvorhersehbare, der Umwelt des Unternehmens (Markt, Konjunktur, Wirtschaftspolitik) geschuldete Ereignisse und versprach „mildernde Umstände“ bei der Schuldzuweisung, wenn Planzahlen nicht erreicht wurden und die Einschätzung der Marktlage getrogen haben sollte.
Aktualisiert: 2018-07-12
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