In den Spuren des Verbrechertums

In den Spuren des Verbrechertums
Die Texte Ernst Engelbrechts lassen tief in eine noch vom Kolonialgeist geprägte europäische Epoche blicken. Seine Umgangssprache pendelt zwischen Höflichkeit und herablassendem Leutnantsjargon und macht ihn zu einem der erfolgreichsten Autoren der Weimarer Republik. In Engelbrechts Worten zeigt sich das Sittenbild einer Gesellschaft, die sich nach dem verlorenen Krieg in einem neuen demokratischen System einzufinden versucht. Das ist interessant, erhellend, amüsant und manchmal auch erschreckend. Die abwägende Sprache unserer Tage war noch nicht in Sicht und so bedient sich der wenig intellektuelle Engelbrecht nicht nur gängiger Vorurteile, sondern bekundet auch Sympathien für die faschistische Polizei unter Mussolini in ihrem erfolgreichen Kampf gegen die Mafia in Süditalien. Der Kommissar a.D. begegnet auf seinen Streifzügen durch europäische „Schlupfwinkel“ und „Verbrechernester“ „schlampigen Frauenzimmern“, „geistig beschränkten Seeleuten“, „verblödeten Gästen“, „wüsten Megären“, „galizischem Gaunervolk“, und ärgert sich über eine „Polenplage am Schlesischen Bahnhof“. Sein Mitgefühl für die Heruntergekommenen des Milieus mischt sich bei ihm mit Bewunderung für die besonders „gerissenen Exemplaren der Zünfte“. Angesichts der Lebensverhältnisse in den „Verbrechervierteln“ des Balkans, der Türkei und Nordafrikas blieb ihm hingegen nur Empörung. Ernst Engelbrecht stilisiert sich als männliche Heldenfigur, die sich besonders an ein weibliches Publikum richtet. Die Rolle der Frau in der deutschen Gesellschaft der zwanziger Jahre hielt er für mustergültig. In seinen Beschreibungen von Landschaften und Orten, Sitten und Gebräuchen finden sich kühle Beobachtung und Sentimentalität gleichermaßen. Kommissar Ernst Engelbrecht ließ sich dennoch von niemandem etwas vormachen. Sich als ersten Polizisten a. D. des Staates zu präsentieren, war nur eines seiner Talente rund um die Eigenvermarktung. Die tatsächlichen Bedrohungslagen in reißerische Form zu überhöhen ist dabei das natürliche Geschäft aller Kriminalautoren, damals wie heute. Empfehlungen zur Selbstverteidigung Jiu Jitso oder einen „kräftigen Faustschlag gegen das Kinn“ anzuwenden, lassen teilhaben an dem reichen Erfahrungsschatz des kernigen Kommissars a.D. Ernst Engelbrecht. Sein Versuch, sich dem Nazi-Regime nach 1933 anzudienen, schlug fehl. Die neuen Machthaber waren wohl der Meinung, dass mit Leuten wie Ernst Engelbrecht kein radikaler Staat zu machen sei.
Aktualisiert: 2022-02-17
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Vorwärts

Vorwärts von Karmers,  Andreas
Die Vertonung des sozialdemokratischen VORWÄRTS (Berliner Morgenausgabe) erinnert an den Moment das Scheiterns der Demokratie in Deutschland in der Nacht zum 28. Februar 1933. Der Reichstagsbrand war der NSDAP-dominierten Regierung willkommener Anlass zum Verbot aller missliebigen Presse. So auch des letzten offiziell erschienenen VORWÄRTS der Weimarer Republik. Welche Stimmung mochte vor dem Verbot in der Redaktion des VORWÄRTS geherrscht haben? Was war zu hören in den Büros, den Fluren und der Druckerei? Was spielte sich rund ums Verlagshaus ab? Welche Nachrichten gab es an diesem Tag, neben dem Reichstagsbrand? Welche Werbung wurde geschaltet und welcher Humor veröffentlicht? Die eingelesene Artikel, Musik und die Kulisse des Redaktionsbetriebs, eingefangen mit einem fiktiven Mikrophon, verdichten sich auf diesem Hörbuch zu einer Atmosphäre des drohenden Untergangs, am Tag der Entscheidung. So hört sich der letzte Tag einer Pressefreiheit an! 3 CDs, 205 Minuten, 21 Sprecherinnen und Sprecher, 14 musikalische Beiträge. Es gibt viele Features zu historischen Themen, aber kaum eines, bei dem die Vorteile des Hörbilds so deutlich werden wie bei dieser ehrgeizigen, grandiosen, sorgfältigen Produktion. So klingt ein historischer Moment im Abstand der Jahre. Süddeutsche Zeitung 20.03.2017 Ein hervorragend klingendes Denkmal der Pressefreiheit. Ein Dokument! WAZ 21.03.2017 Ein unglaublich intensives Stück erzählte Geschichte. Neue Züricher Zeitung/Magazin Geschichte, März 2017 Karmers Projekt ist nicht nur Dokument, sondern ein Kunstwerk für die Presse und Meinungsfreiheit. Stark! Stuttgarter Zeitung, 29.4.2017 Das Überraschende an diesem Zeitungs-Gesamtkunstwerk ist die Vielfalt. Hamburger Abendblatt, 27.5.2017 ​ ​ ​ ​
Aktualisiert: 2023-03-21
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