Eine Linde als Straßenbaum ist bekannt, aber ein Amur-Korkbaum? Oder ein Chinesisches Rotholz (Urwelt-Mammutbaum)? Auch Eichen sind bekannt, aber in Berlin gibt es neben anderen Arten auch die Schindel-Eiche, die Ungarische Eiche, die Sumpf-Eiche oder die Zerr-Eiche als Straßenbaum. Straßenbäume in Berlin – das ist eine lange, spannende und interessante Geschichte.
Auf mehr als 300 Seiten werden alle an den Berliner Straßen stehenden Baumarten wissenschaftlich vorgestellt. ZUdem werden Standorte genannt, an denen die beschriebenen Arten zu sehen sind.
Welche Baumarten gibt es hier überhaupt? In welchen Straßen kommen sie vor? Warum wurden gerade diese Arten gepflanzt? Welche botanischen Besonderheiten weisen sie auf? Welche ökologischen Ansprüche stellen sie? Worin unterscheiden sich verwandte Arten? Diesen und ähnlichen Fragen soll in dem vorliegenden Band nachgegangen werden. Die schier unerschöpfliche Thematik musste natürlich eingegrenzt werden. Deshalb gibt es einen einfachen Grundaufbau: Die ausgewählten Arten, Varietäten, Formen und Sorten werden gesammelt verzeichnet und dann werden einige besonders ausgefallene Arten kommentiert. Auf ihre jeweilige Biologie wird kurz eingegangen. Die ausgewählten Arten entstammen einer Sammelliste aller Arten. Wegen der Vielzahl der Arten war es notwendig, hier Beschränkungen vorzunehmen. Aus dem Kontext ergibt sich, ob ein als „Art“ angesprochener Baum tatsächlich botanisch eine reine Art ist oder lediglich eine Hybride oder eine Hybridart. Dieser Punkt erwies sich als besonders problematisch, da hinter vielen Sorten- und Handelsnamen sehr verworrene Entstehungsgeschichten auftauchten und gültige und ungültige Namen nicht immer ohne Weiteres zu erkennen waren.
Eine weitere Beschränkung ist zu nennen. Berlin besitzt ca. 440.000 Straßenbäume und rund 9.700 Straßen und Plätze. Demzufolge ist es einem einzelnen Menschen kaum möglich, die Straßen abzulaufen und die Bäume anzusehen, zumal eine eindeutige Bestimmung damit ohnehin nicht einhergehen würde. Es musste also auf vorliegendes Material zurückgegriffen werden. Hier ist das Baumkataster der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Geoportal FIS-Broker (Fachübergreifendes InformationsSystem)), das die Straßenbäume nach Arten, Straßennamen und Baumnummern erfasst, die wichtigste Quelle. Auch Parkbäume sind in einem Kataster erfasst, was hier aber keine Rolle spielt. Allerdings ist zu beachten, dass der Aufbau des Katasters noch nicht abgeschlossen ist. Es sind auch nicht alle Straßen Berlins bereits erfasst. Naturgemäß ergeben sich weitere Unwägbarkeiten hinsichtlich der Darstellung der Baumarten, insbesondere was die Richtigkeit der Artbezeichnung angeht. Es konnte zudem nur in Einzelfällen geprüft werden, ob bestimmte mit ihren jeweiligen Straßen in Verbindung stehende Arten bzw. Baumindividuen tatsächlich vorhanden sind. Wenn sie vorhanden sind, bedeutet dies nicht, dass sie in einigen Jahren oder schon morgen noch aufgefunden werden können (Absterben, Sturmschäden, Gefahrfällungen, Straßenneubau). Für 2016 wird von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (2017) immerhin eine Zahl von 5.222 Fällungen und 1.797 Neupflanzungen angegeben. Zudem sind den beiden schweren Stürmen des Jahres 2017 Schätzungen zu Folge etwa 60.000 Bäume in Berlin (einschl. solcher im Waldbestand) zum Opfer gefallen. Aus all dem kann entnommen werden, dass vermutlich die Gesamtartenzahl von 542 ausgefilterten Arten, Varietäten, Formen und Hybriden schwankend ist, dass aber der Hauptanteil durchaus erfasst wurde. Zu den Details der Zahlen siehe Kapitel 3.3.1 Artenverzeichnis.
Es wurden zumeist (nicht immer) Straßenbäume zur Kommentierung ausgewählt, die besonders selten und exotisch erscheinen. Dabei waren nicht wenige von ihrem Standort her solche, die man vielleicht gar nicht als Straßenbaum bezeichnen würde (abgelegen, an Parks grenzend, in Straßen ohne Bürgersteig usw.). Sie wurden vermutlich auch nicht speziell als Straßenbäume gepflanzt, sondern wuchsen spontan, wurden von Anliegern als Sämling betreut und waren lange unbeachtet. Ab einer bestimmten Größe wurden sie dann in das Baumkataster aufgenommen.
Es wurde schon darauf verwiesen, dass die Thematik einer deutlichen Beschränkung bzw. Ausklammerung von Teilthemen bedurfte. Hier sei nur an die Schädlingsproblematik oder an die unzähligen Arbeiten zur Bodenökologie sowie an die Stressfaktoren, die für Stadtbäume eine besondere Rolle spielen, erinnert. Verzichtet werden musste zudem auf eine genauere Darstellung anatomisch-morphologischer Kennzeichen der Arten, auf die physikalischen Eigenschaften der Hölzer oder die Wuchsformen und die baumschulrelevanten Kennzeichen. Auch pflanzensoziologische Aspekte (Verhalten der Bäume im Bestand) konnten nicht berücksichtigt werden. Dies gilt ebenfalls für die Begleitfauna, etwa die Bedeutung einzelner Arten für die Vogelwelt sowie für die Vielzahl an Kleinlebewesen, die von und mit den Bäumen leben.
Straßenbäume haben durchaus etwas Trauriges, fast Unbiologisches an sich: Sie stehen isoliert, ohne natürliches Umfeld, ohne Begleitvegetation, mitten im tosenden Verkehr, in einer Betonwüste, oft mit nur kleiner Baumscheibe. Damit wirken sie etwas künstlich. Der eigentlich große Wurzelraum ist beschnitten. Dagegen erscheinen selbst Einzelbäume auf Ackerschlägen als Baumgestalten, die die Sinne berühren. Begriffe wie „Funktionales Stadtgrün“ oder „Mobiles Grün“ wirken entbiologisiert – der Baum als Ware; er wird mit dem Lastwagen gebracht. In der Tat muss beim Bepflanzen von Straßen auf die Pflege des Baumbestandes als Wirtschaftsfaktor geachtet werden, wie andererseits die Begrünung eine Bereicherung darstellen soll. Auf diesen teilweise schweren Konflikt haben schon vor vielen Jahren Wieland/Bode/Disko (1985) in ihrem eindringlichen Begleitband zu einer Fotoausstellung mit dem Titel „Grün kaputt“ aufmerksam gemacht. Diese Darstellung erfährt aber eine Korrektur durch die Vorstellung, wir hätten gar keine Bäume in den Straßen. Das ergäbe ein sehr trauriges Bild. Und so sind die Straßenbäume eben doch ansprechende Lebewesen, die bei genauem Hinsehen voller bewundernswerter Details sind. Die Blüten, die Blätter, die Besiedler oder die Schaderreger sind interessante Objekte. Wie die Bäume mit den Wechselwirkungen der Gegebenheiten der Standorte – wie Luft- und Bodenqualität, Temperatur, Wurzelraumbeschränkung und Wasserzufuhr – zurechtkommen, ist ebenso erstaunlich. Mit den Straßenbäumen Berlins haben sich Autoren seit jeher beschäftigt. Bethge (1960) hat die Gehölze der Straßen und Anlagen betrachtet, Kühn (1961) erläutert die Entwicklung der Straßenbaumpflanzung einschließlich der Aufführung von Besonderheiten, wie den Amber-Baum oder den Japanischen Schnurbaum, die aber zum Teil an den von ihm genannten Standorten nicht mehr vorhanden sind.
Das Vorhaben ist in drei große Bereiche geteilt: Anmerkungen zur Ökologie von Straßenbäumen, die Darstellung der Bäume im Baumkataster und die Vorstellung ausgewählter Arten. Das Hauptgewicht liegt auf der Vorstellung der Arten, worin die eigentliche Idee der Arbeit zu sehen ist. Deshalb beschränken sich die vorangestellten Anmerkungen zur Ökologie der Bäume auf kurze Angaben. Alle fotografischen Aufnahmen stammen vom Autor. Die Abbildungen sind nummeriert, aber nicht betitelt. Was dargestellt wird, steht im jeweils benachbarten Text.
Für die freundliche Unterstützung danke ich Frau H. Gille vom Grünflächenamt Berlin Treptow-Köpenick.