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Kluge, erfindungsreiche Handwerker, Unternehmer mit zukunftsweisenden Investitionen, die Anbindung an das Eisenbahnnetz und Stadtväter mit vorausschauenden Visionen sorgten vor über 100 Jahren für wirtschaftlichen Aufschwung in der eher ärmlichen Region am Nordhang des Thüringer Waldes. Kurgäste und Sommerfrischler brachten neben finanziellen Mitteln auch Kultur, Poesie und den Blick über den Tellerrand in die bergige Gegend. Wer es sich leisten konnte, reiste in die Sommerfrische. Entspannte Spaziergänge auf den Ilmenauer Promenaden oder entlang des Goethewanderwegs von Ilmenau über Manebach nach Stützerbach sind auch heute noch eine Empfehlung!

Tatsächlich! Es ist die 10. Ausgabe des „Ilmenauer Stadtkalenders“. 2012 war die Entwicklung unseres zarten Pflänzchens „Ilmenauer Stadtkalender“ komplett ungewiss. Mit der 9. und 10. Ausgabe des Kalenders sind wir zum historischen Kern, dem Herzen der Stadt, vorgedrungen. Straßenverläufe und Straßennamen wechseln von der „Poststraße“ – hier war die Posthalterei – zur „Straße des Friedens“. Der Brunnen vor der Apotheke wandelt sich vom reinen Schöpfbrunnen für Mensch und Tier zum Zierbrunnen. Viele Brunnen verschwinden mit dem Bau des Wasserleitungsnetzes um 1900 aus dem Stadtbild – schade! Kleine, einstöckige Häuser werden abgerissen und an gleicher Stelle als mehrstöckige Wohn- und Geschäftshäuser mit bodentiefen Schaufenstern und großzügigen Ladenflächen neu erbaut. Vor über 100 Jahren bringen wirtschaftlicher Aufschwung, Anbindung ans Bahnnetz, Kurgäste und Sommerfrischler Geld, Kultur und den Hauch der großen weiten Welt in die Kleinstadt am Fuße des Kickelhahns.

Das Thema des Ilmenauer Stadtkalenders sind der Marktplatz und die Marktstraße. Ohne Zweifel ist der Marktplatz mit Hennebrunnen, Rat- und Amtshaus sowie die Altstadt das historisch gewachsene Zentrum der Stadt. Die Marktstraße ist ihre geschäftige Lebensader. Angesehene Handwerker und Händler ließen sich hier nieder und betrieben ihre Läden und Werkstätten. Nicht zufällig sind Bäckerei & Café Schindler seit über hundert Jahren eine Institution, auch wenn Johannes Schindler drei Anträge stellen mußte, um im Café auch Flaschenbier verkaufen zu dürfen. Die Gasthäuser "Zur Sonne" und "Zum Adler" waren so präsent, dass sie in Goethes Dichtung einflossen. Die Gasthäuser "Zum Elephant" und "Zum Schwan" hielten uralte Gerechtsame, d. h., deren Eigentümer durften ganz selbstverständlich eine Gastwirfschaft betreiben. Auch wenn dem einstigen Bürgermeister H. E. Hartung, Betreiber des Ratskellers, die starke Konkurrenz in seiner Nähe nicht passte, belebt sie den willkommenen Fremdenverkehr enorm. Der jüdische Kaufmann Benjamin Wolf Kirstein und später dessen Witwe beschritten mutige Wege und brachten mit dem Geschäftshaus Kirstein großstädtisch-elegantes Einkaufsvergnügen in die Provinz. Eine bunte, belebte Innenstadt, die zum Schlender, Verweilen und Genießen einlädt, wäre ein schönes Ziel für das heutige Ilmenau - leerstehende Läden wegen zu hoher Mieten und Geschäfte mit Billigware aus Ostasien haben wir genug!

Sowohl der Homburger als auch der Wetzlarer Platz sind lebendige Zeugnisse der Geschichte Ilmenaus. Dem jeweiligen politischen Machtverständnis folgend, wurde der neu geschaffene Platz im Süden der Stadt dem Ehrenbürger Otto von Bismarck zu Ehren "Bismarck-Platz" genannt. Nach 1945 als Karl-Marx-Platz bezeichnet, kennen wir ihn heute unter Homburger Platz - einem Symbol der inzwischen 30-jährigen Städtepartnerschaft mit Homburg. Neben wunderschönen Jugendstilhäusern sind hier auch das ehemalige Central-Hotel, die Sparkasse, das alte Elektrizitätswerk und die Diakonie zu finden. Nicht weniger interessant ist die Bebauung um Postplatz, Wetzlarer Platz und ehemalige Bahnhofstraße. Deutlich dichter am historischen Zentrum gelegen, finden sich am Wetzlarer Platz das für die Zeit seiner Erbauung hochmoderne Berliner Warenhaus, das Postamt und die historische "Alte Försterei". Jüdische Kaufleute, wie die Familien Eichenbronner, Sandler und Gabbe, prägten die heutige Innenstadt Ilmenaus nachhaltig durch mutige, moderne Kaufhausbauten und kundenfreundliche Verkaufskultur. Dem tiefer nachzuforschen bleibt spannend.