Der Schmutzige Hut

Der Schmutzige Hut von O´Flírànn,  Ben
"Er hatte es gespürt. Den ganzen Tag über schon. Das Gefühl der Enge, das ihm auf der Brust lag, wann immer er furchtsam in sich hinein horchte. Als schliche sich etwas an ihn heran. Umkreiste ihn in immer engeren Bahnen. Die Zähne gebleckt, in den Augen die lodernde Gier. Nach seinem Fleisch." Ein MANN erleidet in der Blüte seines Lebens einen Herzinfarkt, den er nur durch Zufall überlebt. Infolge dieses einschneidenden Erlebnisses und der unvermittelten Begegnung mit dem Tod, fasst er einen Entschluss, der fortan sein Leben bestimmen wird: er wird den Tod bezwingen. Nach Jahrzehnten der Suche gelingt es ihm, einen Weg dafür zu finden. Zur gleichen frühen Morgenstunde, als der Mann die letzten Schritte dieses Weges geht betritt ein namenloser Ich-ERZÄHLER die Bühne. Genauer gesagt das Dach eines Hochhauses der schönen irischen Stadt Dublin, um, seinem Dasein durch einen beherzten Sprung in jene Richtung, in der die Schwerkraft ihm hilfreich zur Seite steht, ein unwiderrufliches Ende zu bereiten. Just im Moment vor dem Aufprall auf den Boden, überkommt ihn das unbegreifliche Gefühl, seine Seele habe Gesellschaft bekommen. Er überlebt unversehrt. Dieser fehlgeschlagene Selbstmordversuch wird Ausgangspunkt großer Verwicklungen, stört dieser doch den Lauf der Dinge auf das Empfindlichste. Verschiedene Interessenten schalten sich ein. Zuerst einmal sind da zwei gelangweilte HIMMLISCHE WESEN. Diese wittern ihre Chance, durch eigenmächtiges Eingreifen die Ordnung wieder herzustellen und im Himmel zu Ruhm und Ehre zu gelangen. Dann wäre da eine seltsame AMORPHE GESTALT, die offensichtlich eigenes im Schilde führt und sich als äonenalter Widersacher nicht nur der himmlischen Wesen, sondern des Himmels an sich entpuppt. Hinzukommen ein in Gefangenschaft geratener TOD, ein skrupelloser ARZT und der AUTOR des Buches selbst, der mehr schlecht als recht die Fäden seiner Geschichte zusammenzuhalten versucht. Eher zufällig geraten drei kleinwüchsige eineiige Brüder in das Spiel der Großen. CASPAR, ein Clown, MELCHIOR, ein Zwerg und BALTHASAR, ein Jockey treffen sich nach Jahrzehnten unversehens in einer abgehalfterten Spelunke. Nach langem Palaver beschließen sie, sich gemeinsam vom Schicksal führen zu lassen. Wenn sie nur wüssten, dass sie eine wichtige Rolle in all dem spielen. Denn nach einem zweiten Suizidversuch, einer seltsamen Begegnung mit einem RABEN, den kryptischen Worten der amorphen Figur und einer kurzen Gefangenschaft voller Rätsel im Verlies des alten Arztes findet sich unser Erzähler in plötzlicher Gesellschaft der drei proletarischen Kleinwüchsigen. Die vier haben nämlich denselben Weg vor sich: zum mystischen Hain, in dessen Zentrum sich der legendäre Berg Zeh des Teutates erhebt. An dessen Fuße sich wiederum die ominöse Loge der Hüter des Hutes befindet. Die Reisegesellschaft erreicht mit Einbruch der Dunkelheit den Hain und rastet am verwunschenen See „Tränen der Hera“. Inmitten dieser vom fahlen Mond illuminierten Szenerie wird unser Erzähler vom Göttlichen übermannt. Die beiden himmlischen Wesen nutzen die Gunst der Stunde, um in seine Seele einzutauchen. Sie erscheinen, da als ätherische Wesen bar jedes Körpers, in Gestalt zweier dem Erzähler so bekannter wie von ihm bewunderter literarischer Figuren: Sergeant Pluck und Wachtmeister McCruiskeen. Die himmlischen Wesen gestehen unserem Erzähler, dass sie ihn brauchen, um Zugang zu einem erst kürzlich entstandenen Raum seiner Seele zu erhalten. Dieser berge nicht nur Antworten auf die Fragen unseres Erzählers, sondern auch den Grund für die aus den Fugen geratene Welt. Der Erzähler findet in der kleinen Zelle jedoch nur einen armseligen Gefangenen, der ihn neben vagen Andeutungen beauftragt, den Schmutzigen Hut zu finden, bevor die Nacht des sterbenden Mondes vergangen ist. Der Erzähler erstattet den beiden Polizisten Bericht und wird zum Abschied von diesen mit drei Kästen beschenkt, deren jedes die Antwort auf eine von ihm zuvor gestellte Frage enthält. Wenn man den Schlüssel kennt. Nachdem unser Erzähler aus seiner Trance erwacht, stehen er und seine Gefährten dem Doppelgespann der amorphen Gestalt und des grausamen Arztes trennt gegenüber. Mit etwas Glück gelingt die Flucht, doch die Gefährten werden getrennt. Der Erzähler findet sich alsbald in einer Höhle nahe des Gipfels des Zeh des Teutates wieder, während die drei Brüder unwissend in die Loge der Hüter des Hutes stolpern, der sie aber, ohne weiter nachzudenken (ist nicht deren Stärke), beitreten. Der Wirt und oberster Hüter gewährt ihnen die Ehre unter Einhaltung der notwendigen Prüfung, die natürlich nichts weiter als eine Falle tief im verwinkelten Berge ist. Sie entkommen ihrem Verderben nur knapp durch das beherzte Eingreifens DR. QABEL GIRLITZERs, eines über alle Maßen intelligenten Eydeeten, der in den Eingeweiden des Berges seinen Forschungen nachgeht. Von ihm erhalten die drei Brüder einen Flakon seines Intelligenz belebenden Tees sowie einem Paar sattgelber Pfropfen seines Ohrenschmalzes. Während dieser ungeahnten Zusammentreffen wird dem Erzähler in seiner einsamen Höhle schlagartig klar, wer dort in seinem kleinen Seelenraum gefangen ist: der Tod. Unter Fügung glücklicher Umstände endet die Prüfung der drei Brüder genau in eben jener Höhle, in die sich unser Erzähler zurückgezogen hat. Nunmehr wieder vereint kehren sie zur Loge zurück, um Hinweisen nach dem Schmutzigen Hut nachzugehen. Dort müssen sie jedoch bestürzt feststellen, dass der alte Arzt und die schattenhafte Gestalt in der Zwischenzeit die Mitglieder der Loge gegen sie aufgebracht haben. Unsere vier Gefährten werden eingekerkert. Die beiden himmlischen Wesen begeben sich noch einmal zur Rettung zur Erde. Sie nehmen die ehrwürdigen Gestalten der Polizisten an und überzeugen damit die Logenmitglieder, die Inhaftierten freizulassen. In der Zwischenzeit sah sich auch der Autor des Buches zum Eingreifen genötigt, da durch die Inhaftierung sowohl des Erzählers als auch der Brüder niemand in der Lage war, über den weiteren Verlauf der Geschichte zu berichten. Caspar, Melchior, Balthasar und der Erzähler beschließen, den Ohrenschmalz Girlitzers zu nutzen, um etwas über den Verbleib des Schmutzigen Huts zu erfahren. An dieser Stelle der Geschichte unterbricht der Autor erneut, um auf seine Theorie einzugehen, die Figuren der Literatur führten ein eigenes Leben und gingen nur hin und wieder ihrem Beruf als Handelnde in literarischen Werken nach. Nach Einnahme des Ohrenschmalzes findet sich der Erzähler in der Seelenwelt des Eydeeten wieder, wo er von Sergeant Pluck erwartet wird. Dieser führt ihn in das unendliche Gedächtnis des Eydeeten, das auch Hinweise zum Schmutzigen Hut beherbergt. Der Gedanke zu dieser Information fehlt jedoch im Lager. Er wurde entwendet – von der amorphen Gestalt. Diese entpuppt sich als Hermes, dem Gott der Diebe, der die Verwicklungen nutzen möchte, wieder ein mächtiger Gott zu werden. Doch wie sich herausstellt, weiß Sergeant Pluck ebenfalls, wo der Schmutzige Hut zu finden ist (Engel sind manchmal so schusselig). Der Erzähler trägt diesen bereits bei sich: im letzten der drei Holzkästen. Unser Erzähler kehrt zu seinen Gefährten zurück. Man flieht in die Nacht, um die Holzkiste zu öffnen, was nach Stunden vergebenen Versuchens mithilfe der geheimnisvollen Zahl Pi gelingt. Die Gefährten sind endlich im Besitz des Hutes. Sie wissen nur nicht wozu. Die vier beschließen, den Hain zu verlassen. Eine Lösung werde sich schon finden. Derweil hat Hermes die Spur aufgenommen und gewinnt mit List das Vertrauen der drei Brüder. Diese verlassen unseren Erzähler im Dunkel der Nacht. Derweil nutzt Hermes‘ rechte Hand, der alte Arzt, die Verwirrung unseres Erzählers und entwendet ihm den Hut. Allein und ohne Hoffnung, bricht der Erzähler im nächtlichen Hain besinnungslos zusammen. Der Autor ist über das Ränkespiel Hermes´ sehr ergrimmt. Er beschließt, sich noch einmal in seine eigene Geschichte zu begeben, um Hermes ein für alle Mal in die Schranken zu weisen. Auch die beiden himmlischen Wesen, die zwischen Niedergeschlagenheit und dem Mut der Verzweiflung schwanken, kommen überein, noch einmal auf die Erde zu reisen und den Kampf gegen Hermes aufzunehmen. Unser Erzähler weiß davon nichts, irrt durch die Lande und gelangt an eine Polizeistation, in der sich zu seiner Erleichterung Pluck und McCruiskeen wiederfinden. Er beichtet ihnen den Verlust. Die beiden Polizisten machen sich auf die Suche. Der Erzähler bleibt zurück und fällt mit bleierner Müdigkeit ins Bett der Polizisten. Hermes hat derweil nach einer kurzen Glaubensrevolte gegen ihn die drei Brüder in Ketten geworfen und sich auf den Weg zur Polizeistation gemacht. Er will sich keine weiteren Fehler leisten. Sergeant Pluck und Wachtmeister McCruiskeen stellen sich Hermes jedoch mutig entgegen. Es entspinnt sich ein Kampf zwischen den himmlischen Wesen, der auf göttliche Weise mit den Mitteln des Rätselns geführt wird. Nach heftigem intellektuellen Ringen gewinnt Hermes durch einen hinterhältigen Trick. Die Polizisten werden ebenfalls Hermes´ Gefangene. Alle setzen sich sodann in Richtung Polizeiwache in Bewegung. Währenddessen erhält unser Erzähler Besuch vom Autor. Der dem Erzähler merkwürdig erscheinende Greis ruft widerstreitende Gefühle in ihm hervor, Zuneigung, Vertrautheit aber auch Wut und Hass. Der Alte beginnt, eine Geschichte vorzulesen, die von der große Liebe handelt. Es ist die des Alten, und der Mutter unseres Erzählers. Vom Donner gerührt erkennt der Erzähler in dem Greis und Autor seinen Vater. Vater und Sohn geraten in einen heftigen Disput, in dessen Verlauf der Vater seinem Sohn seine Macht beweist, indem er ihn zeitweise durch kühnen Federschwung in einen Hornochsen verwandelt. Unser Erzähler, nunmehr bewusst nur eine literarische Figur zu sein, verlangt von seinem Vater, ihm endlich das verworrene Knäuel seiner hier geschriebenen Geschichte zu entwirren. Bevor er jedoch alles vollständig erklären kann, betritt Hermes mit seinen Gefangenen die Polizeiwache. Er zwingt alle Anwesenden in die Zelle der Wache. Der Autor versucht durch ein Umschreiben die Lage zu ändern, wird jedoch von Hermes übertölpelt und seines Buches entwendet. Hermes scheint nun alle Karten in der Hand zu haben. Das Ende scheint nahe. Der Götterchor setzt an zur Hymne auf die Apokalypse. Die Gefangenen verlangen inmitten dieses infernalischen Getöses nach vollständiger Erklärung des undurchschaubaren Treibens. Der Autor beichtet alles: sein Herzinfarkt, seine Angst vor dem Tod, die Suche nach einem Entrinnen, die ihn in die literarische Welt leitete, in die er dank eines Buches de Selbys nun nach Lust und Laune herübertreten kann. Er erzählt von seinem Plan, den Tod in der Literatur einzusperren. Dazu hatte er die Figur seines Sohnes als Verbindung zwischen realer und literarischer Welt gezeugt, dessen Selbstmord geschrieben und den Tod just im Moment des Ablebens seines Sohnes in jenen gesperrt. Der Autor hatte jedoch Hermes als kleinen Sidekick sträflich unterschätzt. Wodurch nicht nur die Geschichte aus dem Ruder gelaufen ist. Auch der Aufhänger der Geschichte – der Schmutzige Hut – hat dadurch seinen Zweck verloren. In diese Aussichtslosigkeit platzen Sergeant Pluck und Wachtmeister McCruiskeen mit einer scharfen Erkenntnis: Es ist allein der Glaube der Menschen, der Hermes am Leben hält – in diesem Fall der Glaube der drei Brüder. Diese entschließen sich, Hermes abzuschwören. Hermes, des Fundaments seiner Macht beraubt, verschwindet schmachvoll aus der Geschichte. Die Gefangenen sind frei. Der Chor verstummt. Vöglein zwitschern. Die Bedrohung ist aufgelöst und jeder macht sich in aller Herren Richtungen auf. Die Polizisten nehmen die Brüder unter ihre Fittiche. Der Vater und Autor verlässt seine Geschichte, da ihm dort nichts mehr zu tun bleibt. Das Ende der Nacht des sterbenden Mondes steht kurz bevor. Der Erzähler jedoch begibt sich erneut zum Hochhaus, auf dessen Dach alles begann. Auf jenes Dach, von dem aus er das Rund der Morgensonne schon erahnen kann und eine Welt, die schöner ist, als er es je für möglich gehalten hätte. "Dankbar nickt er ihr zu und springt. Fällt. Einen Augenblick. Noch einen. Dann - nichts mehr."
Aktualisiert: 2021-01-28
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