Vom Herbst des Mittelalters bis in die Nähe der Gegenwart werden in weitgehend chronologischer Ordnung literarische Texte von Frauen aus verschiedenen Ländern vorgestellt (von Christine de Pizan über Sarah Scott und Elizabeth Burgoyne Corbett bis hin zu Esther Vilar und Margaret Atwood), die ihre Vorstellungen möglicher Formen der menschlichen Gesellschaft beschreiben. Vollständigkeit ist bei dieser Auswahl nicht angestrebt, und der Schwerpunkt der Darstellung soll weder auf der Analyse des Konzepts der Utopie liegen noch auf einem vergleichenden Bezug zu den berühmten Utopien männlicher Schriftsteller. Die Autorinnen werden kurz vorgestellt und zum Kennenlernen der großen Vielfalt werden gelegentlich nur Ausschnitte oder Kapitel, häufiger aber ganze Bücher inhaltlich zusammengefasst. Manche der entworfenen Wunschräume und Wunschzeiten präsentieren komplett phantastische, manche realisierbare Bedingungen einer humanen Gesellschaft, gelegentlich erscheinen bedrohliche Horrorvisionen. Positive Utopien werden auch als Eutopien bezeichnet, negative als Dystopien. In den meisten Texten stehen Frauen im Zentrum, aus ihrem klugen Denken und machtvollen Handeln geht die in den Werken dargestellte Welt hervor, dabei spielen die im wirklichen Leben so mächtigen Männer häufig untergeordnete Rollen – und manchmal gibt es auch gar keine.
Die Erzählung „Sultanas Traum“ der Bengalin Rokeya Sakhawat Hossain (1880–1932) von 1905 erscheint hier vollständig in deutscher Übersetzung.
In einer Doppelcoda äußern sich Katrin Girgensohn und Dagmar Knöpfel zum Thema Frauenutopie und Schreiben im 21. Jahrhundert.
Aktualisiert: 2022-01-27
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Hier kommt eine engagierte junge Dichterin zu Wort, die anhand der Benachteiligungen aller Arten von Menschen und althergebrachter Gebaren von Herrschaft ihre utopischen Vorstellungen bestimmen lässt.
Im ersten Kapitel ist von Wahnsinn die Rede, Wahnsinn der Frauen beschreibt sie als den Wahnsinn, der in der Welt sitzt und tobt und sich bei der Benennung dabei wissentlich oder unwissentlich selbst vergisst.
Ihr Bemühen geht ohne Umschweife einen direkten Weg, sie versucht in der Abarbeitung christlicher Fehlmotive die kirchliche Frauenrolle zu hinterfragen, um damit eine neue Sicht auf Maria Magdalena und vielen anderen geschichtlich kaum relevanten Gestalten zu bekommen.
Mit ihrem utopischen Schnüffeln in den Ritzen voller unerzählter, unbekannter Geschichte wird ein Gedichtraum für große gesellschaftliche Themen geöffnet, wo die Verknüpfung von alten und neuen Abgründen (Mythos des Brunnenvergiftens, Pandämieleugner) allen den Weg weist.
Aktualisiert: 2021-11-22
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Schneisen schlagen ist Aufforderung und Handeln zugleich, wenn es gilt, Brandgefährliches zu unterbrechen, um weiteren Schaden zu verhüten. Auch im übertragenen Sinn ist eine Schneise als Abstandhalter immer wieder nötig. So kann die eigene Position mit ihren eingefahrenen Abwehrmechanismen überprüft werden, unsere Manipulierbarkeit, auch unser Funktionieren-müssen, um nicht im Sumpf des Alltags stecken zu bleiben.
Gedichte sind mehr als eine bloße literarische Kunstform. Sie können die Wirklichkeit beschreiben und dabei die poetische Wahrheit suchen. Das forderte die Dichterin heraus, aus den vorgefertigten Schablonen des Schreibens herauszutreten, Erwartetes mit unerwarteten Worten und Bildern aufzubrechen. Und Gedichte fordern den Schreibenden auf, alle Sinne zu öffnen, sich mit eigenen und anderen Wahrnehmungen auseinanderzusetzen. Es ist als liefen wir über eine Brücke in ein anderes Land, eine Öffnung, die wiederum eine neue Öffnung in sich birgt. Selbst scheinbare Kleinigkeiten bieten eine größere Perspektive als man vorher ahnt. So wird aus einer bloßen Wahrnehmung ein besonderer Moment für die Variationen des Lebens, seiner Komplexität, seines Wandels.
Ute von Funcke hat diesen Band als einen Teppich gewebt, in verschiedenen Farben und Mustern, bedacht darauf, die eigenen Ideen und inneren Bilder ihres Lesers wachzurufen, sich die Kostbarkeit unseres Lebens jeden Tag bewusst zu machen, um die Liebe zum Leben und im Leben immer wieder neu zu entdecken. Diese Gedichte bringen Erfahrungen ein, die der Leser wiederum mit seinen eigenen füllen wird. – Denn „Autor und Leser sind Zwillinge“ (Virginia Woolf).
Aktualisiert: 2021-09-28
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1516 erschien UTOPIA von Thomas More, die erste humanistische Beschreibung einer idealen Gesellschaft und Beginn
des Genres Sozialutopie. Bereits Jahrzehnte davor rückten in einigen Architekturtraktaten (z.B. von Alberti und Filarete)
utopische Vorstellungen in den Vordergrund. Eine Vielzahl von Kunsthistorikern folgte einem Aufruf des Herausgebers,
ihn beim Thema „Utopien“ mit einem eigenen Beitrag zu unterstützen. Als Ergebnis ist diese Schrift entstanden, die kunstwissenschaftlich fundierte Sammlung einer faktualen Realität über eine fiktive Welt.
I
Hans W. Hubert: Utopien im Architekturtraktat von Averlino
II
Wolfgang Augustyn: Utopie und Imagination.
Zur Suche nach Bildern für ,De civitate Dei‘ von Augustinus
III
Karl Schawelka: Heilige Orte als zweifache Utopien
IV
Ulrich Kuder: Dürers Kupferstich ‚Die Melancholie‘. Traumbild und Utopie
V
Margarete Zimmermann: Eine Raumutopie und ein „Bauwerk ganz besonderer Art“:
Christine de Pizans Buch von der Stadt der Frauen (1405)
VI
Ulrich Söding: Bramante und seine Nachfolger. Architekturprospekte und fiktive Bildräume
in der Lombardei und ihre Bedeutung für die Renaissance im Norden
VII
Andreas Tacke: „es müssen die Frösch ein König haben“
Betrachtungen zur Utopie, die Kunst sei frei
Mit Nachträgen zu Johann Hauer (1585–1660)
VIII
Thomas Meder: Eine Utopie? Erlebte Kunstgeschichte – im Kino
IX
Hubertus Günther: Filaretes Architekturtraktat
zwischen Realismus, Ideal, Science Fiction und Utopie
Aktualisiert: 2021-04-06
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Um 1820 entdeckten deutsche Landschaftsmaler den Blick aus der Grotte des Kapuzinerklosters bei Amalfi. Vermutlich war es der deutsche Landschaftsmaler Franz Ludwig Catel, der als Erster das Motiv mit dem charakteristischen Grottenrahmen skizzierte und es deutschen Kollegen, niederländischen Malern und Künstlern der neapolitanischen Scuola di Posillipo vermittelte. Die Ansicht erwies sich schnell als gut verkäuflich.
Die Publikation untersucht die konzeptionelle Kanonisierung des Motivs in Grand Tour und Bildungsreise, Literatur und Kunst, setzt die Bildfindung in den Kontext der Grotte zwischen antiker Mythologie, geologischem Disput und romantischer Verklärung und bietet einen motivgeschichtlichen Abriss über die Gestaltung des Grottenausblicks und seinen Transfer unter den Künstlern.
Die Konzepte des Erhabenen, des Pittoresken und des Romantischen erweiterten die Grand Tour und die bürgerliche Bildungsreise um „unklassische“ Orte. Bei der Entdeckung Amalfis und des Grottenausblicks waren die Künstler Pioniere, Literatur und Nachfrage folgten. Dabei gründete der Erfolg des Motivs sicher auch in der mehrschichtigen Bedeutung der Grotte bzw. Höhle. Zuvor vor allem als antiker Kultort und Wohnstätte antiker Gottheiten wahrgenommen, wurde sie als Schauplatz des „Basaltstreits“ zwischen Neptunisten und Plutonisten besonders im deutschsprachigen Raum künstlerisch und wissenschaftlich vermessen, aber auch, beispielsweise im Landschaftsgarten, als romantische Zuflucht für Eremiten und Mönche inszeniert.
Neben der Untersuchung der Konzepte, Topoi, Sehgewohnheiten und Darstellungstraditionen, die die Künstler bei der Wahl und Gestaltung des Grottenausblicks geleitet haben könnten, werden über die Vermittlungswege des verkaufsträchtigen Motivs die Verflechtungen deutscher und italienischer Künstler in Rom und Neapel nachvollzogen.
Die folkloristische Staffage erlangte immer mehr Gewicht und nach dem Einsturz der Grotte ersetzte ein weiteres, bald kanonisches Motiv den Grottenrahmen: eine Weinlaube.
Aktualisiert: 2022-10-10
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Margaret Cavendish, Herzogin von Newcastle, gehört zu den außergewöhnlichsten Autorinnen der an Exzentrikern nicht eben armen englischen Literatur. Ihr Leben von 1623 bis 1673 ist ganz vom englischen Bürgerkrieg bestimmt. Mit der Familie des Stuart-Königs Charles I geht die junge Hofdame Margaret Lucas zur Cromwell-Zeit ins Exil nach Frankreich, wo sie auf William Cavendish trifft, Oberbefehlshaber der königlichen Armee im Norden, Erzieher des Kronprinzen und bedeutender Mäzen. Sie heiratet den 30 Jahre älteren Witwer und begegnet in seinem Haus Gelehrten wie Descartes und Hobbes. Im Exil und nach der Rückkehr nach England beginnt sie, die nur eine sehr oberflächliche Bildung genossen hatte, naturwissenschaftliche Abhandlungen und literarische Werke zu schreiben. Da sie gegen alle Konventionen die Bücher unter ihrem Namen veröffentlicht, gerät sie in den Ruf der „verrückten Herzogin“, den sie durch Auftritte in ausgefallener Kleidung noch verstärkt. Im Jahre 1666 lässt sie ihrer Abhandlung „Observations upon Experimental Philosophy“ im Anhang die Phantasieerzählung „The Description of a New World Called the Blazing World“ folgen. Mehr als alle Traktate und Dramen hat diese literarische Verbindung von Utopie und voyage imaginaire den Namen der Autorin für heutige Leser bewahrt. Die seit antiken Mustern bekannte Gestalt des Reisenden in imaginäre Welten ist hier eine Frau, die nicht nur zur Kaiserin eines Staates aufsteigt, sondern auch die naturwissenschaftliche Forschung beherrscht. Nimmt man letzteres als einen Akt poetischer Gerechtigkeit, der die wirkliche Missachtung der Autorin durch die männlichen Forscher der Royal Society zu machtvollem Triumph verwandelt, so liegt das Bemerkenswerteste an der Erfindung der Gleißenden Welt jedoch an ihren Bewohnern: Bären-Menschen sind dort Experimental-Philosophen, Fuchs-Menschen Politiker, Papageien-Menschen Redner, während sich die „gewöhnlichen“ Menschen dadurch auszeichnen, dass einige himmelblau, einige tiefpurpurn und andere wiederum grasgrün sind. Die kundigen Vogel-, Fisch-, Affen- und Wurmmänner erklären der neuen Kaiserin die Geheimnisse der Naturerscheinungen von Luft und Feuer, Sonne und Mond bis zum Stein der Weisen. Bei Bedarf lassen sich für schwierige Fragen auch stofflose Geister aus der Luft zum Rapport anfordern. Diese vermitteln der rastlos tätigen Kaiserin als Schreiberin für all ihre Erkenntnisse die Seele der Herzogin von Newcastle, so dass sich die Autorin selbst auf diesem Wege in ihre eigene Geschichte mischen kann, wo sie zur liebsten Freundin ihrer erfundenen Heldin wird und diese zu einem Ausflug in ihre angestammte Welt einlädt. Im zweiten Teil zeigt sich, dass der Blick der Herzogin aus den Bürgerkriegswirren auf die politische Ordnung ihrer Phantasiewelt ganz vom Ideal absolutistischer Herrschergewalt bestimmt ist. Ihre Armee, versehen mit der raffiniertesten Unterwasser-Flotte, schreckt auch vor einem brutalen Unterwerfungskrieg nicht zurück, um die Eintracht im Staat zu sichern. Doch das kriegerische Unternehmen endet siegreich und erlaubt einen versöhnlichen Abschiedsblick auf die Lustbarkeiten der Gleißenden Welt.
Aktualisiert: 2020-12-10
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Die Japanmode, auch „Japonismus“ genannt, war Ende des 19. Jh. dabei, die Sichtweise der westlichen Welt zu revolutionieren. Laut eines zeitgenössischen Kommentars eroberte die Begeisterung sämtliche Ateliers mit der Geschwindigkeit einer Flamme an einer Zündschnur. Obwohl Vincent van Gogh das Land nie selbst besuchte, war es Japan, das ihn und seine Malerei nachhaltig beeinflusste. Nachdem er bei Siegfried Bing in Paris japanische Farbholzschnitte kopiert hatte, verlässt er im Frühjahr 1888 Paris. „Mein Japan“ soll er ausgerufen haben, als er das erste Mal die Fenster seines neuen Refugiums in Arles öffnete.
Die Texte der 6. Ausgabe der Schriftenreihe DAS KUNSTFENSTER handeln von Japan und China. Der Beitrag von Clara Gensbaur-Shao wirft ein Licht auf die Entwicklungen des späten 19. und frühen 20. Jh. Er ist ein Auszug aus ihrer 2019 verfassten Schrift „Die Entstehung der Ostasiatischen Kunstgeschichte in Deutschland“. Eine Wissenschaft, deren Gründung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts all denen zu verdanken ist, die der Mode des Japonismus verfallen waren, die die Kunst Ostasiens kopierten, sammelten und studierten und den vielen, die seitdem an den verschiedensten Orten der Welt „ihr Japan“ gefunden hatten.
„Mein Japan“ kann für zeitgenössische Maler auch ganz ohne eine Flugreise neu zu entdecken sein, wie es die Bilder in diesem Heft nahelegen. Martin Gensbaur kennt das Land ebenso wenig aus eigener Anschauung wie Dieter Finzel. Dennoch trifft auf die Bilder beider Künstler das zu, was Edmont de Concourt über den Japonismus im 19. Jh. schrieb: „Die Farbholzschnitte waren eine Quelle der Anregung, nicht für Nachahmung, sondern zum Ausloten von Verwandtschaften, nicht nur Vorbild, sondern Katalysator....Ein jeder übernahm von den Eigenschaften der japanischen Kunst diejenigen, die die größte Nähe zu ihren eigenen Stärken bargen.“ Dieter Finzel nahm einige Jahre Unterricht bei einem japanischen Kalligraphen. Seine kleinen konzentrierten, mit sparsamen Mitteln ausgeführten Malereien, die die Grenzen zwischen figurativer und abstrakter Kunst, zwischen fernöstlicher Kalligraphie und westlichem Informel ausloten, entsprechen ihrem Wesen nach der Lehre des Zen.
Nie war es so einfach, sich kulturell über den Globus hinweg auszutauschen. Im digitalen Zeitalter entsteht kaum mehr ein Bild ohne Technologie, die in Japan, Korea oder in China hergestellt ist. Kulturelle Unterschiede heben sich in einer globalen Welt auf. Da wie dort sind traditionelle Sehweisen verschwunden. Doch die Kunst Ostasiens bietet Anregungen, die andernorts nicht zu finden sind. Dem gehen Dieter Finzel und Martin Gensbaur in ihren Bildern nach.
Aktualisiert: 2023-02-11
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Prinzipien des Schreibens
Wie in den beiden vorangegangenen Büchern (Flug der Flüsse, Prosastücke, Limmat Verlag, Zürich, 2003 und Eine Woche. Ein Tag. Eine Ewigkeit., Drei Erzählungen, Edition Signathur, Dozwil, 2016) verfassten die beiden Autoren die vorliegenden Miniaturen Wir erzählen von Euch im öffentlichen Raum. Sie trafen sich jeweils in einem immer wieder anderen Zürcher Café. Aus dieser Begegnung entstand ein gemeinsamer Text. Jeder brachte im Gepäck etwas mit, sei es einen gefundenen oder gehörten Satz, ein Bild aus einer Zeitung, ein Foto oder eine Schlagzeile, den Namen einer Figur. Manchmal war nichts im Gepäck.
In einem ersten Schritt tauschten sie ihre Gedanken und Fantasien aus, setzten sie ins Verhältnis zur Schreibumgebung. Meistens einigte man sich nach einer explorativen Anfangsphase auf ein Thema, schlug den Text zu Faden, immer mit dem Ziel, ihn in einem Spannungsbogen zu fassen. Wenn einer der Autoren einen Vorschlag machte, welcher dem anderen nicht passte, wurde nach einem neuen Thema gesucht. Manchmal verliessen die Autoren ein festgesetztes Thema, strichen die begonnen Zeilen zu Gunsten eines Neuanfangs. Es wurde versucht, stets neue Themen zu generieren. Wiederholungen sollten vermieden werden.
Die Autoren gaben sich folgende Regeln:
– Der Text muss am Schreibort fertiggestellt werden.
– Nachträglich dürfen keine inhaltlichen/thematischen Änderungen (z.B. Recherche im Internet) vorgenommen werden. Nur was an Wissen und Idee zum Zeitpunkt des Schreibens vorliegt, fliesst in den Text ein.
– Jeder Text steht für sich. Einzig ein Wort aus dem vorangegangen gibt den Titel des nächstfolgenden. Zudem führt ein überleitender Satz zum nächsten Text. Ein Art Leine, welche die sehr verschiedenartigen Schriftstücke zusammenhält.
Zum Inhalt
Die Spielarten des Erzählten sind vielfältig und reichhaltig. Die Figuren weben einen Gedanken-Teppich, der die Lesenden mitnimmt und sie zu schillernden Bildern fliegt:
Nach Absurdistan, in ein Märchen hinein, in den Comic. Eine Satire, surreale Szenen werden gespielt. Auch Tiere, Pflanzen und Objekte übernehmen die Hauptrolle. Zuweilen tritt der Spuk auf, auch erscheinen Geister und Wesen. Ein Schicksal schlägt ein. Tragödie ist unvermeidlich. Das grosse Lachen bricht aus.
Aktualisiert: 2020-07-11
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Bild und Text sind in der Kunst von frühester Zeit an miteinander verbunden. Die christliche Kunst hat Bildverkündigung und Wortverkündigung auf das engste verknüpft. Dies wurde in Venedig wohl gegen Ende des 11. Jahrhunderts, jedenfalls aber gegen 1200 aufgegriffen. Die Inschriften sind hier unmittelbar Bestandteile der Bilder, sind meist in denselben Goldgrund eingesetzt. und ergeben zusammen mit den Bildern Sinn. Schrift und Bild sind eine Sinn-Einheit und können im anschaulichen, literarischen und ikonologischen Kontext gemeinsam wahrgenommen werden.
In der vorliegenden Arbeit werden die ikonologischen und kunsttopographischen Aspekte der Bildausstattung in der Hauptachse des Innenraums von San Marco behandelt, die vom späten 11. Jahrhundert an konzipiert worden waren. Danach untersucht der Autor die Bilderwelt der Fassaden, mit deren Ausgestaltung das frühe 13. Jahrhundert begonnen hatte. Schließlich werden Korrespondenzen zwischen Orten im Innenraum und an den Fassaden verfolgt, um abschließend auf das heilsgeschichtliche Bildprogramm und seine Botschaft einzugehen.
Wie die Textanalysen der Mosaiken in der Mittelachse von San Marco ergeben, erschöpft sich die Funktion der Inschriften nicht in der Benennung des jeweiligen Bildinhalts, des wörtlichen Schriftsinns. Die Inschriften verweisen auch auf die weiteren klassischen Sinnebenen der heilsgeschichtlichen Bibelexegese, den allegorischen, den moralischen und den eschatologischen Sinn. Dazu wird eine Fülle poetologischer Bezüge ins Spiel gebracht, wie Versformen, Anspielungen und Zitate, die sowohl formale, als auch inhaltliche Funktionen zu erfüllen hatten. Dies Alles auf dem Niveau höchsten Anspruchs, den nicht nur der gestaltende Ikonologe zusammen mit dem bildenden Künstler zu erfüllen hatte, sondern auch der Rezipient damals wie heute zumindest annähernd nachvollziehen können sollte.
Der Wahrnehmungsweg führt entlang der Hauptachse in den Raum hinein von Joch zu Joch zum Altar und über diesen hinaus in die Apsis. Deren Bild, vom Betrachter von diesem Standpunkt aus wahrgenommen, wendet sich selbst aber wieder dem Ausgang zu und folgt darin allen achsial angebrachten Christusbildern, um über sie schließlich auf das Bild über der westlichen Mitteltüre zurückzuführen. Der formalen Funktion der Christusbilder, durch den Weg des Rezipienten in die Kirche hinein und aus ihr heraus ablesbar, ist die Erläuterung der Inschriften hinzugefügt, deren Wahrnehmung beim Rezipienten allerdings theologische Kenntnisse voraussetzt.
An der Westfassade erschließt sich der Bildsinn wie bei den Mosaiken in der Hauptachse des Innenraums aus Bildern und interpretatorisch hinzugefügten Worten, die weder narrative Bibelzitate noch einfache Wiedergaben der Bildinhalte sind, sondern in weiterer Instanz die heilsgeschichtliche Dimension der Ikonologie der Kirche beleuchten.
Aktualisiert: 2021-01-07
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Im Zentrum dieser Publikation steht die Edition dreier Meisterbücher der Münchner Goldschmiede-Zunft im Stadtarchiv München, in denen zeitlich unterschiedlich begrenzt zwischen 1484 und 1868 Auflistungen und Personenbeschreibungen der gerade aufgenommenen Zunftmeister durchgeführt wurden. Diese Texte erscheinen in dieser Ausgabe vollständig und in transkribierter Form. Um weiteren Forschungen einen besseren Weg zu ebnen, wurde eine neue referentielle und chronologische Meisterliste erstellt, die alle bekannten Listen und Publikationen zusammenführt.
Zweien dieser Bücher gebührt das eigentliche Augenmerk, denn sie zeigen die Personen-Wappen der bürgerlichen Goldschmiedemeister. Dass gleich zwei Wappenbücher angelegt wurden, ist außergewöhnlich und möglicherweise einzigartig für das gesamte Zunftwesen im europäischen Raum. Das ältere Wappenbuch hat 174, das jüngere sogar 333 Wappen. Sie werden hier komplett und maßstabgerecht, also 1:1, zur fotografischen Anschauung in Farbe gebracht und bei Namensgleichheit nach familiären Spuren untersucht. Ein ausführliches Namensregister komplettiert den Wappennachweis.
Ergänzend dazu wird die Markentafel der Münchner Goldschmiede vorgestellt, deren 427 Merkzeichen seit ca. 1650 die amtlichen Prüfzeichen der Zeichenmeister dokumentierten.
Aktualisiert: 2020-09-24
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Vor 75 entstand in dem Künstlerort Dießen am Ammersee eine Bildreihe, die in keiner Kunstgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts fehlen darf. Während eines kurzen Genesungsurlaubs von der Front schuf der Maler Fritz Winter gegen 1944 über 50 Arbeiten auf Papier, denen er später den gemeinsamen Titel „Triebkräfte der Erde“ gab. Sie sorgten nach dem Krieg für den Weltruhm des Künstlers. Daran erinnern die beiden Herausgeber, die Kunsthistorikerin Ulrike und der Maler Martin Gensbaur in der fünften Ausgabe der Schriftenreihe DAS KUNSTFENSTER. Nach einer kurzen Einführung zu Fritz Winters berühmter Bildreihe führt Martin Gensbaur Gespräche mit dem Kunsthistoriker Thomas Raff, dem wichtige Publikationen zum Ammersee Westufer und seinen Künstlern zu verdanken sind und mit Michael Gausling, dem Leiter der Dießener Galerie im Fritz-Winter-Atelier und Großneffen Fritz Winters. Abschließend kommt jeder der drei in der Publikation mit Abbildungen vertretenen Künstler selbst zu Wort – Fritz Winter freilich nur in Form eines Zitats.
Es geht in dieser aus lokaler Perspektive verfassten Publikation weniger um Fritz Winter und seine an anderer Stelle hinreichend publizierte Bildreihe, sondern, wie in anderen Ausgaben zuvor, um den Dialog zwischen zeitgenössischer Malerei und Fotografie zu einem gemeinsamen Thema. Arbeiten Martin Gensbaurs aus den 90er-Jahren stehen in doppelseitiger Abbildung aktuellen Aufnahmen Christoph Frankes gegenüber. Die Bilder der beiden Künstler handeln von Bäumen, naheliegend, wenn man die „Triebkräfte“ nicht wie der ehemalige Bergmann Fritz Winter unter, sondern über der Erde sucht. Vielleicht geht es in der Fotografie des Zeitgenossen ja auch um etwas ganz anderes als in der Malerei Fritz Winters oder der Martin Gensbaurs. Und haben die beiden Jüngeren – außer ihrem Wohnort – überhaupt etwas gemeinsam mit einem abstrakten Maler der Nachkriegsjahre? Das Kunstfenster wagt einen Vergleich, indem die Bilder sprechen.
Aktualisiert: 2023-02-11
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Just zu den zwei Jubiläumsjahren 2018/19 des ungewissen 500sten Geburtsdatums von Jacomo Tintoretto stellt Erasmus Weddigen nach seinem ersten Sammelband „Myzelien zur Tintoretto-Forschung“ vom Jahre 2000 einen zweiten Myzelien-Band mit Rückblicken, Vorträgen und Exkursen vor, der das frühere Konvolut von Peripherie, Interpretation und Rekonstruktion um Arbeiten ergänzen soll, die zwar teilweise schon in entlegenen Fachzeitschriften erschienen waren, aber dem interessierten Leser kaum mehr gegenwärtig oder greifbar waren. Was den Myzelien I mangelte, die farbige und ausdrucksreiche Bebilderung der Essays, soll im neuen Kleid eines digital abrufbaren, dem Bande beigegebenen Speichermediums behoben werden: da der Autor seit Jahren sich zur Aufgabe machte, die Genese einzelner Werke und Werkkomplexe auf ihre zeichnerisch-geometrische Struktur zu untersuchen, was nicht ohne lineares farblich akzentuiertes Überarbeiten der Bilder geschehen kann, erlaubt die neue mediale Reproduktionstechnik einen mutigen Sprung in die Zukunft der Veranschaulichung kunsttheoretischer Analytik.
Die 24 Essays verschiedenster Erscheinungszeit, Länge und Tiefenschärfe, denen Retuschen und verjüngte Bibliographien verpasst wurden, versuchen dem irrlichtigen Profil des „terribile cervello“ neue Facetten abzugewinnen, die auch psychologische, bildungsspezifische und marktstrategische Belange des noch immer schwierig einzuschätzenden grossen Malers der venezianischen Hochrenaissance zu streifen versuchen.
Da die soeben Tintoretto gewidmeten grossen Ausstellungen, Symposien und Vorträge in Köln, Paris, Washington und Venedig sowie deren fachorientierter wie journalistischer Niederschlag ein breiteres Publikum erreichen dürfte, ist Myzelien II geeignet, die seit Jahren entbrannte Diskussion um den Meister und seine Werkstatt, deren Händescheidung, Zu- und Abschreibungen einzelner Werke usw. mit klärenden Beiträgen zur Arbeitsweise Jacomos zu bereichern. Die Fragen zu seiner eigenwilligen Religiosität, seine Nähe zur Reform und ihren Protagonisten, gesellschaftliche und charakterliche Eigenheiten sollen das herkömmliche Bild des frommen, wenig intellektuellen Schnellmalers in ein gerechteres Licht rücken und künftigen Monographien, die es mit jeder neuen Generation geben wird, einen weniger dornenreichen Weg bereiten.
Die Essays umfassen Streiflichter auf Tintorettos Musikalität, seine handwerkliche Anbindung an ostkirchliche Traditionen, sein interpretatives und erfindungsreiches Ikonographie-Verständnis, seine toskanischen wie dürerischen Vorbilder, sein Umgang mit Kollegen und Mäzenen, die Herkunft seines religiösen und profanen Wissens, seine mimetischen Anleihen, seine innere Verwandtschaft zum jüngeren Greco und vor allem zur Versehrtheit seiner mobilen Werke, die es im Einzelnen auf ihre originale Erscheinungsweise und Formate zu rekonstruieren galt.
Weddigens Werkschau dient nicht einer neuerlichen Idolatrie sondern fügt sich in die Reihe der Hilfswissenschaften, die aus einem eher unakademischen Blickwinkel einem Künstler gewidmet ist, der hoffentlich noch lange „ein grosser Unbekannter“ bleiben wird.
Aktualisiert: 2020-03-02
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Was versteht man unter „Expressivem Realismus“? Expressiv heißt „ausdrucksgesättigt“ und hebt
die Gruppe der dort behandelten Künstler damit zwanglos aber deutlich von den sogenannten ungegenständlichen Malern,
ebenso wie von den Expressionisten und den Malern der sog. Neuen Sachlichkeit ab, deren Asymptote gelegentlich die Langeweile ist. Der expressive Realist gestaltet in der Regel aus dem persönlichen Erleben heraus, häufig spontan dem Augenblick hingegeben. Bei einigen der „Expressiven Realisten“ lassen sich wichtige Charakteristika feststellen: die liebevolle Versenkung in die Natur, die verinnerlichte Darstellung des Menschen im Porträt, den atemberaubenden
metaphysischen Höhendrang, aber auch das Zergrübelte und Problembeladene, das viele deutsche Künstler von jeher
auszeichnete. In diesem Bestandskatalog findet der Kunstfreund die Werke besonders der gelegentlich genialen Künstler Pol Cassel (1892–1945), Franz Frank (1897–1986), Ernst Hassebrauk (1905–1974), Wilhelm Kohlhoff (1893–1971), Curt Querner (1904–1976) und noch anderer sowie insgesamt 81 bebilderte Katalognummern.
Rainer Zimmermann, der 1980 seine Schrift „Die Kunst der verschollenen Generation, Deutsche Malerei des Expressiven Realismus von 1925 bis 1975“ veröffentlichte, vertritt die These, dass die Generation deutscher Maler, die ab 1920 tätig waren, die Formzertrümmerung und übersteigerte Buntheit des Expressionismus überwandt und zu einer neuen „malerischen Malerei“ vorstieß, die verlorengegangene Gebiete der Kunst wie Porträt, Landschaft und Vedute zurückeroberte. Der Autor hat sich als Sammler und Kunsthistoriker diese These zu eigen gemacht und weiter ausgebaut. Gestützt auf klassische Autoren wie Kurt Badt, G.W.F. Hegel, Heinrich Wöfflin oder Hans Sedlmayr vertritt er den Grundsatz, dass der Kern der deutschen Kunst, wie er sich auch bei den unten genannten Künstlern wiederfinden lässt, jene Innerlichkeit ist, die bei Franzosen und Italienern weniger sichtbar wird, da hier ganz andere weltanschauliche und kulturelle Bedingungen vorherrschend sind. Den Schwerpunkt der Untersuchung bieten ausführliche Einzelanalysen von Werken von Pol Cassel, Franz Frank, Hassebrauk, Pankok, Querner, Wollheim.
Das vorliegende Buch ist ein engagierter Aufruf, „zur wirklichen Kunst zurückzukehren“. Für Kunstfreunde, Sammler und Wissenschaftler werden daher Materialien zur Verfügung gestellt, die zu einer eigenständigen Beschäftigung mit den bedeutendsten der Expressiven Realisten anregen sollen, fern den modischen Bedingtheiten des Kunstmarktes, der rein kommerzielle Überlegungen in den Vordergrund treten lässt.
Aktualisiert: 2022-05-04
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Der Genre-und Landschaftsmaler Heinrich Bürkel (1802-1869), bestens bekannt bei Adalbert
Stifter und Carl Spitzweg, galt schon zu Lebzeiten als einer der bekanntesten Vertreter
der von ihm maßgeblich geprägten Münchner Schule und wurde sogar 1848 vom
Maler Kaulbach im Freskenzyklus zur Neuen Pinakothek an der Seite von König Ludwig
I. verewigt. Insbesondere in den 1830er Jahren wuchs sein Renommee, als es ihm gelang,
zahlreiche Bilder an Königshäuser, an berühmte Künstler bzw. durch die Kunstvereine
und deren Netzwerk im ganzen deutschsprachigen Raum zu verkaufen; später vertrieb er
seine Kunst durch ganz Europa bis nach Amerika.
Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in einer quellenkritischen Edition der Autographen um
und zu Heinrich Bürkel, wobei auf die Interpretation seiner Werke verzichtet wurde. Insgesamt
wurden 512 historische Quellen zusammengetragen, wobei das Gros der Quellen
– von Bürkels Urenkelin gestiftet – sich in Bürkels Heimatstadt Pirmasens befindet.
Weiterhin wurden im Hinblick auf weitere mit Bürkel zusammenhängende Autographen
weltweit alle öffentlichen Institutionen an jenen Orten kontaktiert, die in den Briefen aus
Pirmasens Erwähnung finden. Diese Schriften wurden im Rahmen der Arbeit transkribiert
und sind nun der Öffentlichkeit zugänglich. Hierzu gehört auch ein über 100 Seiten langes
Geschäftsbuch, in welchem der Maler fast vollständig alle Verkäufe und Geldgeschäfte
aufführte. Dies erlaubte eine fundierte Analyse der internationalen Tätigkeiten Bürkels als
Kunsthändler und seiner Vertriebsmöglichkeiten. Neue Erkenntnisse zum Kunstmarkt
der Biedermeierzeit konnten dadurch gewonnen werden, insbesondere zeigt sich der experimentelle
Einsatz der Fotografie (als Vertriebsmedium) durch den Künstler. Die Briefe
enthüllten weitere neue Details zum Künstler und zu seinem Leben. Die Quellenedition
schließt eine Lücke und wird dadurch zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk.
Aktualisiert: 2022-05-04
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Just zu den zwei Jubiläumsjahren 2018/19 des ungewissen 500sten Geburtsdatums von Jacomo Tintoretto stellt Erasmus Weddigen nach seinem ersten Sammelband „Myzelien zur Tintoretto-Forschung“ vom Jahre 2000 einen zweiten Myzelien-Band mit Rückblicken, Vorträgen und Exkursen vor, der das frühere Konvolut von Peripherie, Interpretation und Rekonstruktion um Arbeiten ergänzen soll, die zwar teilweise schon in entlegenen Fachzeitschriften erschienen waren, aber dem interessierten Leser kaum mehr gegenwärtig oder greifbar waren. Was den Myzelien I mangelte, die farbige und ausdrucksreiche Bebilderung der Essays, soll im neuen Kleid eines digital abrufbaren, dem Bande beigegebenen Speichermediums behoben werden: da der Autor seit Jahren
sich zur Aufgabe machte, die Genese einzelner Werke und Werkkomplexe auf ihre zeichnerisch-geometrische Struktur zu untersuchen, was nicht ohne lineares farblich akzentuiertes Überarbeiten der Bilder geschehen kann, erlaubt die neue mediale Reproduktionstechnik einen mutigen Sprung in die Zukunft der Veranschaulichung kunsttheoretischer Analytik.
Die 24 Essays verschiedenster Erscheinungszeit, Länge und Tiefenschärfe, denen Retuschen und verjüngte Bibliographien verpasst wurden, versuchen dem irrlichtigen Profil des „terribile cervello“ neue Facetten abzugewinnen, die auch psychologische, bildungsspezifische und marktstrategische Belange des noch immer schwierig einzuschätzenden grossen Malers der venezianischen Hochrenaissance zu streifen versuchen.
Da die soeben Tintoretto gewidmeten grossen Ausstellungen, Symposien und Vorträge in Köln, Paris, Washington und Venedig sowie deren fachorientierter wie journalistischer Niederschlag ein breiteres Publikum erreichen dürfte, ist Myzelien II geeignet, die seit Jahren entbrannte Diskussion um den Meister und seine Werkstatt, deren Händescheidung, Zu- und Abschreibungen einzelner Werke usw. mit klärenden Beiträgen zur Arbeitsweise Jacomos zu bereichern. Die Fragen zu seiner eigenwilligen Religiosität, seine Nähe zur Reform und ihren Protagonisten, gesellschaftliche und charakterliche Eigenheiten sollen das herkömmliche Bild des frommen, wenig intellektuellen Schnellmalers in ein gerechteres Licht rücken und künftigen Monographien, die es mit jeder neuen Generation geben wird, einen weniger dornenreichen Weg bereiten.
Die Essays, die auch den Rückgriff auf Myzelien I empfehlen, umfassen Streiflichter auf Tintorettos Musikalität, seine handwerkliche Anbindung an ostkirchliche Traditionen, sein interpretatives und erfindungsreiches Ikonographie-Verständnis, seine toskanischen wie dürerischen Vorbilder, sein Umgang mit Kollegen und Mäzenen, die Herkunft seines religiösen und profanen Wissens, seine mimetischen Anleihen, seine innere Verwandtschaft zum jüngeren Greco und vor allem zur Versehrtheit seiner mobilen Werke, die es im Einzelnen auf ihre originale Erscheinungsweise und Formate zu rekonstruieren galt.
Die im Jahre 2000 erneut zum Todes-Jubiläum Jacomos 1994 eingeforderten 'Hausaufgaben' sind noch immer nicht erfüllt, obwohl eine junge Generation von Forschern sich mit hohen Meriten das Feld erobert hat und das biographische und dokumentarische Bild Robustis erheblich schärfen konnten. Weddigens Rückschau hat nicht den Charakter einer neuerlichen Idolatrie sondern fügt sich in die Reihe der Hilfswissenschaften, die aus einem eher selteneren Fokus unakademischen Blickwinkels einem Künstler gewidmet ist, der hoffentlich noch lange "ein grosser Unbekannter" bleiben wird.
Aktualisiert: 2022-05-04
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es ist spät geworden
es ist spät geworden
unsere herzen gehen nach
warum nur achteten wir nicht
auf das unruhige kreisen der dohlen
sahen nicht die risse in den
mauern des turmes
Aktualisiert: 2023-02-11
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Im Sommer 1962 war die Studentin Elisabeth Schmeidel an der Wiener Akademie der Bildenden Künste als Assistentin von Professor Stuart Friebert aus Oberlin/Ohio für die Europareise seiner Studierenden engagiert. Die Diskussionen nach den Lesungen bei Karl Krolow, Ilse Aichinger und Günter Eich zeigten, dass Schmeidel selbst Gedichte schrieb. In den 70er Jahren begleitete Schmeidel Stuart Friebert zu einer Lesung mit Ilse Aichinger ins Traklhaus. Als er ihr einige von Schmeidels Gedichten zeigte, sagte Aichinger zu ihr: „Sie sind wahrscheinlich die beste unbekannte Dichterin in deutscher Sprache“. Trotz dieser Anerkennung wurden vor Schmeidels Tod (2012) nur einige Gedichte in Frieberts Literatur-Magazinen in den USA publiziert. Erst als Schmeidels Tochter Pia Grubbauer im Nachlass ihrer Mutter einen ganzen Koffer voller Gedichte fand, konnte der Gedichtband „Stirngewächse herzverwurzelt“ entstehen, wofür auch noch Zeichnungen ihrer Mutter hinzugefügt wurden.
Schmeidels Gedichte rufen Echos zu ‚befreundeten’ Autorinnen und Autoren jener Zeit hervor. Motive von Zeit, Erinnern, Schichtung lassen poetische Resonanzen zu Paul Celan entstehen. Vor allem aber zeichnet sich eine Beziehung zu Ingeborg Bachmann ab. Die Konstellation der Motive wie Nebel, Mittag, Herbst, Schatten, Traum, Sturz, Tauchen sind kaum vorstellbar ohne eine Begegnung mit Gedichten aus „Die gestundete Zeit“ und „Anrufung des Großen Bären“. Schmeidel teilt mit diesen Autoren die Herausforderung – wissend dass es „zu spät für stille Trauer“ ist.
Aktualisiert: 2023-02-11
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Im Herzen des Campo Marzio in Rom, wo in hellenistischer Zeit die der griechisch-römischen Weisheitsgöttin Minerva und den ägyptischen Gottheiten Isis und Serapis geweihten Tempel errichtet waren, entsteht im Jahr 1280 als Zentrum des dominikanischen Ordenslebens die gotische Kirche Santa Maria sopra Minerva mit dem angeschlossenen Kloster. Immer als Zeichen der Überwindung antiker Weisheit durch christliche heißt fortan der gesamte dominikanische Bereich Insula sapientiae.
Rund 200 Jahre später beauftragt der mächtige Kardinal und Protektor des Predigerordens, Oliviero Carafa, den Maler Filippino Lippi mit einem Freskenzyklus in seiner Kapelle, der dem Triumph christlicher Weisheit gewidmet ist. Das in Santa Maria sopra Minerva zwischen 1488 und -92 geschaffene Werk zählt in seiner neuartigen bildlichen Sprache zu den bedeutenden Renaissance-Wandmalereien und enthält ein einzigartiges kirchenpolitisches Manifest, das hier erneut verlebendigt wird.
Um die Intention des Auftraggebers und die künstlerische Umsetzung zu verstehen, wird zuerst im Rahmen einer ganzheitlichen, die Nachbarwissenschaften von Philosophie und Theologie einbeziehenden Betrachtungsweise das historisch-kulturelle Umfeld abgesteckt, dem der Zyklus sich verpflichtet zeigt. Nach Erörterung des zentralen Konflikts zwischen thomistischer Theologie und averroistischer Philosophie werden die einzelnen Bilder einer subtilen Analyse unterzogen. Deren tieferer Sinngehalt wird im Vergleich mit ikonographischen Vorbildern aus ihrer künstlerischen Form selber erschlossen. Die Funktion dieser Bildreihe erklärt sich dahingehend, dass in einer Zeit, als ein jetzt als musterhaft betrachtetes Altertum das Andere ganz neu aufwertet, hier der vorgezeichnete Heilsweg behalten werden soll. Die als großartige Apotheose gestaltete Verkündigung und Himmelfahrt Mariens an der einen Kapellenwand hat ihre Entsprechung im Triumph des Thomas von Aquin an der anderen. So zeigt die Mariendarstellung die Erfüllung alttestamentalischer Weisheit in neutestamentalischer sowie den Übergang von antiker Weisheit in christliche, der Triumph des Aquinaten dagegen präsentiert die Verdammung der „Weisheit der Weisen“.
Aktualisiert: 2022-05-04
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Ein Jahr nach der gleichnamigen Ausstellung in München Schwabing erscheint die vierte Ausgabe des KUNSTFENSTERs mit dem Titel „Warum bleibt mir die Tankstelle, als wäre sie von Michelangelo?“. Die Überschrift zitiert eine Zeile aus dem Gedicht „Versuch ein Gefühl zu verstehen“ von Martin Walser. Was haben ausgerechnet Tankstellen mit Michelangelo gemeinsam? Es geht um Widersprüche. Das Kunstfenster Nr. 4 nimmt Alltägliches als Motiv zeitgenössischer Maler und Fotografen genauer unter die Lupe und stellt den Gegenstand der Malerei zur Diskussion. Unter dem Titel „Tankstellen basta!“ erscheint in diesem Heft ein nicht alltäglicher Textbeitrag des Dießener Autors Sebastian Goy als Antwort auf die Serie der Tankstellenbilder von Martin Gensbaur. In Verbindung mit Fotografien des Münchner Künstlers Elmar Haardt werden es nicht alleine die in traditioneller Technik gemalten Bilder italienischer Tankstellen sein, die an etwas erinnern, das man irgendwo bestimmt schon einmal gesehen aber noch nie so wahrgenommen hat.
Aktualisiert: 2023-02-11
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Altäre trugen schon in der vorchristlichen Antike Bilder. Allgemein bekannt sind der griechische Pergamonaltar in den Berliner Museen, der Friedensaltar des Augustus in Rom. Die gebotsmäßig bilderlose mosaische Religion kannte im Zentrum ihres Tempels nur Bildwerke von Cherubim auf der Bundeslade. Die Christen übernahmen zunächst gemäß dem Ersten Gebot den bilderlosen Gottesdienst, verwendeten Bilder dann seit dem 3. Jahrhundert allegorisch in Grabräumen und auf Gegenständen in privatem Gebrauch.
Unter Altarbild versteht man heute vorwiegend Gemälde über Altären. Einer der Begründer der Kunstgeschichte, Jakob Burckhardt, hat 1898 eine umfassende Darstellung der Gestaltung italienischer Altarbilder veröffentlicht. Später haben andere Forscher die Entstehung bildertragender Altaraufbauten im späteren 11. Jahrhundert als Grundlage für die weitere Entwicklung von Altarbildern erkannt. Mit dem christlichen Altar und seinen Bildern hat sich ausführlich der Jesuit Joseph Braun befasst und seine Entstehung völlig unabhängig von vorchristlichen Beispielen aufzeigen wollen. Er schuf eine kleinteilige Klassifizierung nach formalen Typen und verstellte sich und der nachfolgenden Forschergeneration damit weitgehend den Blick auf inhaltliche Fragen. Auf diese legte die Forschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts großen Wert und schuf als Kompendium ein Lexikon der Christlichen Ikonographie. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde von einigen Kunsthistorikern der Blick auf das Zusammenwirken von Form und Inhalt im Bild gelenkt. Dabei ergaben sich Zusammenhänge mit den Orten, an denen Altäre errichtet wurden, ihren spezifischen Überlieferungen und der auf ihnen gefeierten Liturgie. Kunsttopographie und Ikonologie wurden als Forschungsmethoden entwickelt.
Die vorliegende Arbeit verfolgt unter Anwendung dieser Methodik das Entstehen christlicher Altäre von ihren Anfängen bis zum Aufkommen der Altarretabel im späten 11. Jahrhundert und berücksichtigt dabei nicht nur die wenigen formal mit dem Altar fest verbundenen Bilder, sondern weitet den Blick auch auf Bilder im Raum rings um den Altar und auf bildtragende Gegenstände, die während der Gottesdienste vom Altardienst benutzt wurden und für die Umstehenden zu sehen waren. Es zeigen sich inhaltlich auf die Altäre bezogene ortsgebundene Bildsysteme von großer inhaltlicher Weite und starker bildprägender Konstanz über lange Zeitläufte hin.
Aktualisiert: 2020-03-02
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