Mit Ida Kerkovius (1879 – 1970) zeigt das Städtische Museum Engen eine Künstlerin der Klassischen Moderne, deren Werk bis heute auf die Entdeckung durch ein größeres Publikum wartet. Sie war Schülerin Adolf Hölzels an der Stuttgarter Akademie und gehörte, wie ihre berühmten Kollegen Willi Baumeister und Oskar Schlemmer, zur Avantgarde der deutschen Kunst. In Stuttgart verbrachte sie die längste Zeit ihres Lebens, von hier ging sie auf Reisen nach S. Angelo auf Ischia, in die Bretagne, nach Norwegen und malte ihre farbintensiven Reisepastelle - hier musste sie aber auch die dunkle Zeit des Nationalsozialismus und die Zerstörung ihres Ateliers im Bombenhagel des 2. Weltkriegs erleben. Von 1920 – 23 besuchte sie das Bauhaus in Weimar, wo sie sich die Kunstlehren von Johannes Itten, Wassily Kandinsky und Paul Klee aneignete, und das sie als reife, autonome Künstlerin verließ. Als sie schließlich, hochbetagt und hochgeehrt, im Alter von über 90 Jahren in der schwäbischen Metropole starb, war die kleine Dame mit den blauen, wachen Augen als letzte Vertreterin der Moderne bereits zur Legende geworden. Kerkovius, die Zauberin der Farbe, hat als besonderes Merkmal ihrer Kunst eine die Seele des Menschen berührende, emotionale Bildsprache hervorgebracht, die den Betrachter als phantasiebegabtes Wesen in die sinnliche Wahrnehmung ihrer Bilder mit einbezieht.
Ihr undogmatisches, keiner Stilrichtung verpflichtetes Kunstverständnis brachte Kerkovius seitens der Kritik aber auch den Ruf einer „naiven“ Malerin ein, die der „weiblichen“ Intuition, nicht aber dem „männlichen“ Intellekt folge. So überholt dieses traditionelle Rollenklischee heutzutage auch ist, es blieb nicht ohne Wirkung. Hier setzt die Konzeption der Ausstellung an, die den offenen, zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion angesiedelten Werkcharakter von Kerkovius aufgreift. In speziell aufeinander abgestimmten Konstellationen treten die Bilder miteinander in Dialoge. Die schöpferische Intelligenz ihrer Bildsprache, das Sprühende und Inspirierende ihres Schaffens wird auf diese Weise unmittelbar erkennbar und erlebbar.
Neben assoziativen Werkgruppen werden die für Kerkovius charakteristischen Sujets „Reisebilder“ und „Stillleben“ sowie speziellere Themen wie „Zirkusbilder“ und „Kinderkunst“ gezeigt. Das Thema „Kinderkunst“ – die für die Moderne so einflussreiche Rezeption kindlicher Bildwerke – wird mit Blick auf Paul Klee im Ausstellungskatalog ausführlich behandelt. In einem Dokumentarfilm von 1966 stellt sich die Künstlerin selbst vor - auf einer Reise nach Venedig.
Aktualisiert: 2022-12-30
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Paul Schad-Rossa, der 1862 in Nürnberg geboren wurde und 1916 in Berlin starb, gehört heute zu den Unbekannten der Kunstgeschichte. Die letzte Überblicks-Ausstellung zu dem Künstler gab es vor 100 Jahren, anlässlich der „Großen Kunstausstellung“ in Berlin 1914. Seitdem schlummerten seine Werke in Privatbesitz und wurden von Generation zu Generation weitervererbt, ohne jemals öffentlich ausgestellt zu werden. Erst durch die zufällige Entdeckung eines Nachlasses konnte das Städtische Museum Engen sein Leben und Werk in mehrjähriger Forschungsarbeit rekonstruieren.
Schad-Rossa studierte von 1880 – 1888 an der Münchner Akademie und war Meisterschüler des bekannten Genremalers Franz von Defregger. Zu Beginn der 1890er Jahre rezipierte er den von Frankreich nach Deutschland einströmenden Symbolismus. Von 1900 – 1904 war er Kopf des Grazer Künstlerbundes und führte einen symbolistisch geprägten Jugendstil in der steirischen Stadt ein. Von 1905 bis zu seinem Tod 1916 lebte Schad-Rossa in Berlin. Hier griff er den in der Reichsmetropole angesagten Spätimpressionismus auf, den er durch einen expressiven Pinselstrich und die Verwendung symbolistischer Bildelemente erweiterte. In seinen späten Jahren macht sich der Einfluss der Moderne bemerkbar: Der Bildaufbau wird flächiger, die Farben lichter – die formalen bildkünstlerischen Aspekte treten in den Vordergrund.
Symbolismus, Jugendstil, Spätimpressionismus und Moderne – in Schad-Rossas Werk spiegelt sich der von künstlerischen Innovationen angetriebene Stilpluralismus der Jahrhundertwende. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war eine Epoche extremer gesellschaftlicher und politischer Spannungen. Die rasante Entwicklung des Industriekapitalismus brachte einen steigenden Wohlstand, zugleich wuchsen die sozialen Ungleichgewichte. Die Arbeiterschaft organisierte sich in der Sozialdemokratie. Frauen stellten die patriarchale Gesellschaftsordnung in Frage und forderten ihre Bürgerrechte. Die rasche Abfolge wissenschaftlicher und technischer Innovationen hinterließ auch ihre Spuren in der menschlichen Psyche und dem Verhältnis der Geschlechter. Die Neurasthenie (heute: burn-out) wurde zur Modekrankheit der gehobenen Schichten. Die Frau wurde von Künstlern wie Franz von Stuck als männermordende femme fatale dämonisiert.
Von diesen gesellschaftlichen Umbrüchen ist im Werk Schad-Rossas kaum etwas zu spüren. Der Künstler verzichtete offenbar bewusst auf die Darstellung der sozialen Wirklichkeit, wie zum Beispiel das hektische Großstadtleben der Reichshauptstadt. Er verstand sich als Einzelgänger und mied die für die progressiven Künstler seiner Zeit so wichtigen Secessionen, sei es in München oder Berlin. Der Dichter Hermann Löns, mit dem er eine Zeitlang befreundet war, sah in ihm das einsame Genie. Als Symbolist und Neuromantiker huldigte Schad-Rossa einer Ausdruckskunst, die das reale Abbild dem Wesen der Erscheinung unterordnete. Ihn interessierte nicht die soziale Wirklichkeit, sondern eine von Mythen inspirierte Ursprünglichkeit. Die künstlerische Form diente ihm als Folie, durch die hindurch er die unsichtbaren seelischen Kräfte der menschlichen Existenz sichtbar machen wollte. Dabei verwarf er den die äußere Wirklichkeit darstellenden Naturalismus ebenso wie das Dogma einer akademisch-idealisierenden Naturnachahmung. Die Bedeutungsästhetik seiner Kunst spaltete die Zeitgenossen in eine emphatische Anhängerschaft und eine ablehnende, von Formoffenheit und Stilpluralismus zumeist überforderte Kritik. Noch heute wirken viele seiner Darstellungen geheimnisvoll, rätselhaft. Mit dem Siegeszug der Moderne, die ihre Motive in der eigenen Gegenwart und nicht mehr in mythischen Paradiesvorstellungen suchte, und den Katastrophen zweier Weltkriege geriet der Symbolismus aus dem Fokus der Kunstgeschichte - und Schad-Rossa in völlige Vergessenheit.
Die Sonderausstellung zeigt daher nicht nur ein unbekanntes Kapitel der Kunstgeschichte – der die Ausstellung begleitende, umfangreiche Katalog ermöglicht ein tieferes Verständnis dieser uns so ferngerückten Epoche vor dem Ersten Weltkrieg. Leben und Werk Schad-Rossas werden ausführlich in den geistesgeschichtlichen und kunsthistorischen Kontext der Jahrhundertwende eingeordnet.
Aktualisiert: 2022-12-30
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Die herausragende Stellung Adolf Hölzels (1853 – 1934) für die Entwicklung der europäischen Moderne wurde lange Zeit unterschätzt. Der experimentelle Zeichner, Maler und Theoretiker war ein »behutsamer Avantgardist«, dessen revolutionäre Kunstauffassung in der Tradition wurzelte. Als Lehrer inspirierte er eine ganze Generation hochtalentierter junger Künstler, die sich an der Stuttgarter Akademie um ihn versammelten und selbst Kunstgeschichte schreiben sollten. Unter ihnen so bekannte Namen wie Willi Baumeister, Oskar Schlemmer, Hermann Stenner, Ida Kerkovius und Max Ackermann. Damit wurde Stuttgart – neben München (»Blauer Reiter«) und Dresden/Berlin (»Brücke«) zum dritten Zentrum der Moderne in Deutschland.
Seit 1905, als Hölzel an die Stuttgarter Akademie berufen wurde, werden Form und Farbe in seinen Bildern zunehmend autonom und damit unabhängig von den dargestellten Bildgegenständen. Im gleichen Jahr entsteht, viele Jahre vor Kandinsky, mit »Komposition in Rot I" die erste weitgehend gegenstandsfreie Komposition. Nach seiner Devise »jeden Tag von vorne anfangen« pflegte er am Morgen seine Arbeit mit zeichnerischen Übungen der Hand, mit »tausend Strichen« einzuleiten, um den kreativen Prozess intuitiv zu stimulieren – eine für die damalige Zeit völlig undogmatische Herangehensweise an künstlerische Aufgaben. In dieser anregenden »künstlerisch-menschlichen Atmosphäre«, die Hölzel auch in seiner Malklasse herzustellen verstand, »waren die Wechselwirkungen aufeinander höchst fruchtbar«, erinnerte sich Oskar Schlemmer.
Die Ausstellung zielt darauf, künstlerische Beziehungen und Dialoge zwischen Hölzel und seinen Schülern anschaulich werden zu lassen – von der Aneignung der Hölzelschen Lehre bis zum offenen Widerspruch und der Entwicklung eigenständiger Positionen. Hier stehen nicht nur ganz unterschiedliche künstlerische Temperamente und Begabungen im Wettbewerb, auch die Nahtstelle der Bildauffassung am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert wird sichtbar.
Aktualisiert: 2022-12-30
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Mit „Hölle & Paradies“ zeigt das Städtische Museum Engen ein Jahrzehnt deutscher Kunstgeschichte, das von tiefgreifenden Umbrüchen gezeichnet war. Die Vorstellung des Krieges und seine grausame Realität bilden den Kristallisationspunkt für eine neue expressionistische Künstlergeneration, die sich mit dem Ende des Ersten Weltkriegs formiert. Es ist die Zeit der gesellschaftlichen Extreme: zwischen Hunger und Verheißung, Revolution und Reaktion, Zukunftsängsten und hochgespannten Idealen. Stilistische Neuerungen wie Kubismus, Futurismus und ein expressiver Naturalismus werden von den Avantgarde-Künstlern Conrad Felixmüller, Georg Tappert und Bruno Krauskopf zur Intensitätssteigerung ihrer Bildsprache eingesetzt. Man möchte die Gesellschaft mit den ästhetischen Mitteln der Kunst erneuern: schöpferisch, spirituell, politisch. Während auf den Straßen der Hauptstadt die Barrikadenkämpfe des Spartakusaufstandes toben, schließen sich die Künstler in ganz Deutschland zu neuen Vereinigungen zusammen: in Berlin zur „Novembergruppe“, in Dresden zur „Sezession Gruppe 1919“, in Düsseldorf zum „Das Junge Rheinland“. Sie fühlen sich als „Revolutionäre des Geistes“. In der Euphorie des Neuanfangs der Weimarer Republik sind die Hoffnungen groß, den neuen Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft hervorzubringen. Die Kunst soll universal sein: der große Aufbruch der Gegenwart, Erlebnis und Zukunftsvision - von der „Hölle“ des Krieges ins „Paradies“ einer friedlichen, vergeistigten Menschheit. Doch lassen sich diese hochfliegenden geistigen Spannungszustände auf Dauer nicht aufrechterhalten. Das leidenschaftliche Gefühl weicht dem nüchternen Blick, dem Expressionismus folgen Abstraktion und Neue Sachlichkeit.
Aktualisiert: 2022-12-30
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