Imperialistische Kriege werden an verschiedenen Fronten ge-führt: der Medienfront, der politischen, gesetzlichen („Rechtsfeldzug“), diplomatischen, militärischen Front und der Wirt-schaftsfront. Markus Heizmann untersucht in seinem neusten Buch letztere. Den Wirtschaftskrieg bezeichnet er als „ver-schwiegenen Krieg“. In der Tat haben seit den 1950er Jahren von den USA und ihren Verbündeten in Europa, den Amerikas und Australien erlassene Wirtschafts-, Finanz- und Handelssanktio-nen und Blockaden in Ländern wie Kuba, Irak, Iran, Nordkorea, Syrien, Palästina und Venezuela in aller Stille Hunderttausende Kinder, Frauen und Männer getötet. Weil sich ihre Regierungen nicht der imperialistischen Politik der USA anschlossen, ihre eigene soziale, wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwick-lung wählten und das Recht auf nationale Souveränität und Selbstbestimmung verteidigten, wurde den Menschen in diesen Ländern der Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Ver-sorgung verweigert.
In einer Rede vom 19. Oktober 1959 nahm der historische An-führer der kubanischen Revolution, Fidel Castro Ruz, die perver-se Antwort der US-Regierung auf die Bemühungen Kubas für bessere Lebensbedingungen für alle Kubanerinnen und Kubaner nach dem Sturz der Batista-Diktatur vorweg: „Man sagt uns gewissermassen, dass sie [die US-Regierung] uns wirtschaftlich erwürgen werde, sollten wir die Landreform umsetzen […]. Mit anderen Worten: Nicht genug, dass wir 600.000 Arbeitslose haben; nicht genug, dass wir eine Pro-Kopf-Produktion von nur 300 Pesos haben; nicht genug, dass wir nur gerade über ein Fünftel der nötigen Krankenhäuser, Schulen und anderer grundlegender Einrichtungen verfügen. Nein, sie drohen uns mit dem Hunger-tod, sollten wir versuchen, daran etwas zu ändern.“
Nahrung, Obdach, Gesundheitsversorgung und Bildung – grund-sätzliche Menschenrechte für alle statt für eine kleine reiche Elite –, dafür kämpften die Revolutionäre unter Fidel. Die US-Regierung reagierte mit der Drohung, die kubanische Bevölke-rung auszuhungern. Seit 60 Jahren versuchen das Imperium und seine europäischen Verbündeten erfolglos, diese Drohung umzu-setzen.
Mindestens 500.000 Kinder wurden infolge der 1990 gegen den Irak erlassenen Wirtschaftsblockade getötet – „ein Preis, der es wert war“, so die damalige US-Botschafterin bei der UNO und spätere Außenministerin Madeleine Albright.
Geschätzte 40.000 Menschen starben in Venezuela im Zeitraum 2017-2018 an den Folgen der gegen die venezolanische Regie-rung erlassenen Wirtschaftssanktionen, die es der Regierung so gut wie unmöglich machen, Lebensmittel und Medikamente für die Bevölkerung zu importieren. In einem Interview mit der Fi-nancial Times im Jahr 2019 verglich der ehemalige hochranginge US-Diplomat im Aussenministerium, Thomas Shannon, die Auswirkungen der Sanktionen gegen Venezuela mit der Bom-bardierung von Dresden oder Tokyo während des Zweiten Welt-kriegs.
Einseitige Zwangsmaßnahmen gegen ein Land und seine Bevöl-kerung in der Form illegaler Sanktionen und Blockaden verletz-ten die Menschenrechte und die UNO-Resolution 2625 über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Bezie-hungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Obwohl sie den Tatbestand der kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung gemäss dem Haager Abkommen und der Genfer Konventionen erfüllen, ist nie ein Staatsoberhaupt für diese Verbrechen gegen die Menschheit zur Rechenschaft gezogen worden.
Der vom US-Imperialismus gegen nicht konforme Nationen ge-führte „verschwiegene Krieg“ schont auch die Menschen in den USA nicht. Ihnen wird der Zugang zu Heberprot-P verweigert, einem in Kuba entwickelten und produzierten Diabetesmedika-ment, welches das Risiko von Amputationen bei Diabetespatien-ten verringert. Ebenso wird ihnen der Zugang zu Heizöl verwei-gert, das die venezolanische Regierung der armutsbetroffenen Bevölkerung in den USA in den kalten Wintermonaten kostenlos zur Verfügung stellt. Aber die Verbrecher des Imperiums schrek-ken nicht nur davor zurück, der eigenen Bevölkerung zu schaden. Mit Hilfe der Medien versuchen sie zudem, die Menschen in den USA davon zu überzeugen, dass diese Länder es sind, welche die US-Bevölkerung bedrohen!
Markus Heizmanns Analyse der Wirtschaftssanktionen und Blockaden ist ein wertvoller Beitrag zum Verständnis eines Krieges gegen die souveränen Entscheidungen von Ländern für ein besseres Leben. Dieser Krieg verletzt und tötet Hunderttau-sende Menschen weltweit, indem ihnen der Zugang zu grundle-genden Menschenrechten verwehrt wird, wie sie in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung fest-gehalten sind, die 2015 von allen 193 UNO-Mitgliedsstaaten angenommen wurde. Es handelt sich um einen „verschwiegenen Krieg“, von dem seine Autoren behaupten, es gebe ihn nicht, und der von den Medien ignoriert wird. So ist auch die Berichterstat-tung der westlichen Massenmedien zu Syrien, mit ihrer Verbrei-tung von Lügen, allen voran der Lüge, es handle sich um einen „Bürgerkrieg“, eines von vielen Elementen des Krieges gegen Syrien und seine Bevölkerung.
Als Bewohnerinnen und Bewohner von Ländern, deren Regie-rungen sich an der barbarischen, dem US-Imperialismus hörigen Politik beteiligen, ist es unsere Pflicht, aufzustehen und uns zu organisieren, um den gegen Menschen weltweit erlassenen Sanktionen und Blockaden ein Ende zu setzen. Wer im Krieg nicht klar Position bezieht, macht sich mitschuldig.
Dr. Natalie Benelli