Gegen die Verrohung des Menschen im Ersten Weltkrieg, in dem mit den Soldaten auch unzählige Pferde, Kamele, Hunde und Tauben geopfert wurden, stellt Karl Kraus wiederholt den "Büffelbrief" Rosa Luxemburgs, geschrieben 1917. Im Hof ihres "Kittchens", dem Frauengefängnis in Breslau, beobachtete Luxemburg damals einen Transportwagen. Ihm vorgespannt waren Büffel, die sich abmühten, die schwere Fracht über die Schwelle der Einfahrt zu ziehen. Der begleitende Soldat hieb so lange auf sie ein, bis die Haut eines der Tiere, Zeichen für Dicke und Zähigkeit, zerriss. Die "Träne" Luxemburgs, ihr Mitleiden hält den Satiriker Kraus gefangen, der Brief gilt als Ausdruck einer Nähe zur Natur und zum "guten Vieh".
Dort die sanften Büffelaugen, die Luxemburg an ein "verweintes Kind" erinnern, hier – auf dem Cover der Herbstausgabe des wespennest – der skeptisch-beobachtende Blick des Schimpansen, fotografiert von Walter Schels. Dazwischen ein Jahrhundert, in dem sich das Verhältnis Mensch – Tier, das Tier-Halten, Tier-Essen und Tier-Werden, grundlegend gewandelt hat. Die Tiere sind erwachsen geworden, ihre Rechte gestärkt. Bleibt als Unterschied die singuläre Sprachwahrnehmung und Sprachproduktion des Menschen? Gib mir eine Tastatur und ich schreibe dir die Antwort – auch das könnte der Blick des Schimpansen sagen.
Aktualisiert: 2023-06-07
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Militärstrategen verdichten ihre Expertise häufig zu dem Satz, das erste Opfer jedes Krieges sei «bekanntermaßen» die Wahrheit. Wer zur Quelle dieses Zitats gehen will, findet viele Väter, eine Mutter, mehrere Sprachen, unterschiedliche Datierungen. Orte, an denen die Wahrheit stirbt, sind Kampfzonen von Kompromat und Propaganda, wo Krieg nicht einmal Krieg heißen darf. Was stattdessen lebt, trägt Euphemismen wie «neue Realität» oder «alternative facts» und dient – der Geschichtsfälschung.
Doch wäre Orientierung an einer gemeinsamen, wahren Wirklichkeit überhaupt noch möglich in einer Welt von Fake News und Deep Fake, die als solche gar nicht mehr erkannt werden? Und trägt denn Fälschung als Technik nicht vieles zur Demokratisierung der (Marken-)Warenwelt bei? Kein Kunstmarkt ohne Beltracchis, ließe sich argumentieren. Höchste Zeit also – auch – für eine Verteidigung des Plagiats.
Im 18. Jahrhundert leistete sich Georg Christoph Lichtenberg den aufklärerischen Scherz, seine Leser und Leserinnen über einen Auktionskatalog zu informieren, dessen Unique Selling Proposition in der Bereitschaft bestand, das zu Gebot stehende Falschgeld aus Rücksicht auf die straffällige Klientel auch im Dunkeln zu verkaufen. Die Herbstausgabe der Zeitschrift wespennest hingegen will bei Licht betrachtet sein. Obschon auch darin vielleicht nicht alles ganz echt ist.
Aktualisiert: 2023-05-17
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Militärstrategen verdichten ihre Expertise häufig zu dem Satz, das erste Opfer jedes Krieges sei «bekanntermaßen» die Wahrheit. Wer zur Quelle dieses Zitats gehen will, findet viele Väter, eine Mutter, mehrere Sprachen, unterschiedliche Datierungen. Orte, an denen die Wahrheit stirbt, sind Kampfzonen von Kompromat und Propaganda, wo Krieg nicht einmal Krieg heißen darf. Was stattdessen lebt, trägt Euphemismen wie «neue Realität» oder «alternative facts» und dient – der Geschichtsfälschung.
Doch wäre Orientierung an einer gemeinsamen, wahren Wirklichkeit überhaupt noch möglich in einer Welt von Fake News und Deep Fake, die als solche gar nicht mehr erkannt werden? Und trägt denn Fälschung als Technik nicht vieles zur Demokratisierung der (Marken-)Warenwelt bei? Kein Kunstmarkt ohne Beltracchis, ließe sich argumentieren. Höchste Zeit also – auch – für eine Verteidigung des Plagiats.
Im 18. Jahrhundert leistete sich Georg Christoph Lichtenberg den aufklärerischen Scherz, seine Leser und Leserinnen über einen Auktionskatalog zu informieren, dessen Unique Selling Proposition in der Bereitschaft bestand, das zu Gebot stehende Falschgeld aus Rücksicht auf die straffällige Klientel auch im Dunkeln zu verkaufen. Die Herbstausgabe der Zeitschrift wespennest hingegen will bei Licht betrachtet sein. Obschon auch darin vielleicht nicht alles ganz echt ist.
Aktualisiert: 2023-05-17
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Die Rede vom Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht, ist alt und ewig wahr. Nicht vorhersehbar ist, wie lange eine Struktur halten wird, aber irgendwann geraten notwendig und nur scheinbar plötzlich die Dinge aus den Fugen. Mit diesem Schwerpunkt fängt wespennest das herrschende Zeitgefühl des Umbruchs ein und fragt weiter: Kommt die Globalisierung an ihr Ende? Kehrt der Staatsinterventionismus zurück? Ist die fossile Ordnung wirklich von gestern, wie funktionieren tipping points und wann werden aus Kassandrarufen echte Botschaften? Es wird aber auch, ganz allgemein, ums Ordnen, Umordnen und Aufräumen gehen, um Reparaturtechniken der Literatur etwa, um Kontrollverluste und die Transformation von Traditionen.
Brechen kann nur Hartes, Verfestigtes, das, was sich nicht beugen will oder kann. So schlau die buddhistischen Lehren vom biegsamen Grashalm sind und von der Flexibilität als Strategie des Überlebens: Das Gute am Festen und Starren ist, dass es zerbrechen kann. Wenn dieses Heft erscheint, will das Wort "Zeitenwende" vermutlich niemand mehr hören. Tatsache ist aber: Kein Stein bleibt auf dem anderen. Wir müssen umdenken. Welche der alten Regeln gelten noch, und aus welchem Chaos formen sich neue Strukturen?
Aktualisiert: 2023-05-12
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Die Rede vom Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht, ist alt und ewig wahr. Nicht vorhersehbar ist, wie lange eine Struktur halten wird, aber irgendwann geraten notwendig und nur scheinbar plötzlich die Dinge aus den Fugen. Mit diesem Schwerpunkt fängt wespennest das herrschende Zeitgefühl des Umbruchs ein und fragt weiter: Kommt die Globalisierung an ihr Ende? Kehrt der Staatsinterventionismus zurück? Ist die fossile Ordnung wirklich von gestern, wie funktionieren tipping points und wann werden aus Kassandrarufen echte Botschaften? Es wird aber auch, ganz allgemein, ums Ordnen, Umordnen und Aufräumen gehen, um Reparaturtechniken der Literatur etwa, um Kontrollverluste und die Transformation von Traditionen.
Brechen kann nur Hartes, Verfestigtes, das, was sich nicht beugen will oder kann. So schlau die buddhistischen Lehren vom biegsamen Grashalm sind und von der Flexibilität als Strategie des Überlebens: Das Gute am Festen und Starren ist, dass es zerbrechen kann. Wenn dieses Heft erscheint, will das Wort "Zeitenwende" vermutlich niemand mehr hören. Tatsache ist aber: Kein Stein bleibt auf dem anderen. Wir müssen umdenken. Welche der alten Regeln gelten noch, und aus welchem Chaos formen sich neue Strukturen?
Aktualisiert: 2023-05-12
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Die Rede vom Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht, ist alt und ewig wahr. Nicht vorhersehbar ist, wie lange eine Struktur halten wird, aber irgendwann geraten notwendig und nur scheinbar plötzlich die Dinge aus den Fugen. Mit diesem Schwerpunkt fängt wespennest das herrschende Zeitgefühl des Umbruchs ein und fragt weiter: Kommt die Globalisierung an ihr Ende? Kehrt der Staatsinterventionismus zurück? Ist die fossile Ordnung wirklich von gestern, wie funktionieren tipping points und wann werden aus Kassandrarufen echte Botschaften? Es wird aber auch, ganz allgemein, ums Ordnen, Umordnen und Aufräumen gehen, um Reparaturtechniken der Literatur etwa, um Kontrollverluste und die Transformation von Traditionen.
Brechen kann nur Hartes, Verfestigtes, das, was sich nicht beugen will oder kann. So schlau die buddhistischen Lehren vom biegsamen Grashalm sind und von der Flexibilität als Strategie des Überlebens: Das Gute am Festen und Starren ist, dass es zerbrechen kann. Wenn dieses Heft erscheint, will das Wort "Zeitenwende" vermutlich niemand mehr hören. Tatsache ist aber: Kein Stein bleibt auf dem anderen. Wir müssen umdenken. Welche der alten Regeln gelten noch, und aus welchem Chaos formen sich neue Strukturen?
Aktualisiert: 2023-05-12
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Gegen die Verrohung des Menschen im Ersten Weltkrieg, in dem mit den Soldaten auch unzählige Pferde, Kamele, Hunde und Tauben geopfert wurden, stellt Karl Kraus wiederholt den "Büffelbrief" Rosa Luxemburgs, geschrieben 1917. Im Hof ihres "Kittchens", dem Frauengefängnis in Breslau, beobachtete Luxemburg damals einen Transportwagen. Ihm vorgespannt waren Büffel, die sich abmühten, die schwere Fracht über die Schwelle der Einfahrt zu ziehen. Der begleitende Soldat hieb so lange auf sie ein, bis die Haut eines der Tiere, Zeichen für Dicke und Zähigkeit, zerriss. Die "Träne" Luxemburgs, ihr Mitleiden hält den Satiriker Kraus gefangen, der Brief gilt als Ausdruck einer Nähe zur Natur und zum "guten Vieh".
Dort die sanften Büffelaugen, die Luxemburg an ein "verweintes Kind" erinnern, hier – auf dem Cover der Herbstausgabe des wespennest – der skeptisch-beobachtende Blick des Schimpansen, fotografiert von Walter Schels. Dazwischen ein Jahrhundert, in dem sich das Verhältnis Mensch – Tier, das Tier-Halten, Tier-Essen und Tier-Werden, grundlegend gewandelt hat. Die Tiere sind erwachsen geworden, ihre Rechte gestärkt. Bleibt als Unterschied die singuläre Sprachwahrnehmung und Sprachproduktion des Menschen? Gib mir eine Tastatur und ich schreibe dir die Antwort – auch das könnte der Blick des Schimpansen sagen.
Aktualisiert: 2023-05-02
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Die Rede vom Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht, ist alt und ewig wahr. Nicht vorhersehbar ist, wie lange eine Struktur halten wird, aber irgendwann geraten notwendig und nur scheinbar plötzlich die Dinge aus den Fugen. Mit diesem Schwerpunkt fängt wespennest das herrschende Zeitgefühl des Umbruchs ein und fragt weiter: Kommt die Globalisierung an ihr Ende? Kehrt der Staatsinterventionismus zurück? Ist die fossile Ordnung wirklich von gestern, wie funktionieren tipping points und wann werden aus Kassandrarufen echte Botschaften? Es wird aber auch, ganz allgemein, ums Ordnen, Umordnen und Aufräumen gehen, um Reparaturtechniken der Literatur etwa, um Kontrollverluste und die Transformation von Traditionen.
Brechen kann nur Hartes, Verfestigtes, das, was sich nicht beugen will oder kann. So schlau die buddhistischen Lehren vom biegsamen Grashalm sind und von der Flexibilität als Strategie des Überlebens: Das Gute am Festen und Starren ist, dass es zerbrechen kann. Wenn dieses Heft erscheint, will das Wort "Zeitenwende" vermutlich niemand mehr hören. Tatsache ist aber: Kein Stein bleibt auf dem anderen. Wir müssen umdenken. Welche der alten Regeln gelten noch, und aus welchem Chaos formen sich neue Strukturen?
Aktualisiert: 2023-04-26
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Aktualisiert: 2023-04-04
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Ist das Coronavirus zufällig aus einem chinesischen Labor entwischt oder hat es sich doch – zufällig – per Zoonose auf den Menschen übertragen? Egal wie die Antwort lauten wird, die Folgen eines Zufalls sind Notwendigkeiten.
Im Schwerpunkt der «wespennest»-Frühjahrsausgabe dreht sich alles um den offenen Moment, in dem etwas auch anders ausgehen könnte, jenen kurzen unentschiedenen Augenblick vor der Entscheidung, den Riss in der Kette kausaler Verknüpfungen, von dem manche sagen, es gebe ihn gar nicht. Unzählig sind die Versuche, den Zufall zu berechnen, ihn zu kontrollieren, zu lenken, die Kontingenz des Lebens zu bewältigen, denn der Zufall ist als Schicksal ungerecht und ein Skandal. Für die Kunst jedoch ist er das Lebenselixier. Der «wespennest»-Schwerpunkt behandelt daher auch die Frage, wie wir finden, was wir nicht gesucht haben, wie Neues entsteht oder zumindest Unvorhergesehenes in bildender Kunst, im Roman, im Feature und in der Fotografie.
Der griechische Gott Kairos trägt auf seiner Glatze nur eine einzige Stirnlocke, wer ihn an diesem Schopf zu fassen kriegt, gewinnt das Glück des Augenblicks. Kairos hat Flügel an den Füßen, im Nu ist er vorbei. Kann man sich vorbereiten auf den Zufall? Wohl kaum, er ist, wie man es dreht und wendet, ein schlimmer und ein wunderbarer Hund.
Die Ausgabe kostet 12,- Euro und ist in Österreich ab 6. Mai, in Deutschland und der Schweiz ab 12. Mai 2022 im Buchhandel erhältlich. Eine Liste all jener Buchhandlungen, die wespennest regelmäßig führen, finden Sie, geografisch gereiht, auf unserer Website in der Rubrik buchhandlungen. Ab Mitte Mai ist das aktuelle Heft auch an ausgewählten Kiosken sowie im Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel vorrätig.
Aktualisiert: 2023-04-04
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Was ist Verzicht: Vom Brot nur die harte Kante zu essen oder den weichen Teig? wespennest widmet sich in der Herbstausgabe einem durch und durch ambivalenten Phänomen, denn ob etwas als Verzicht erlebt wird, hängt von der jeweiligen Perspektive ab. Auch haben die gängigen Aufrufe zur Bescheidenheit – «trinkt Wasser, nicht Wein!» – meist einen doppelten Boden, und ob Verzicht grundsätzlich auf Freiwilligkeit beruht, wie die gängige Definition nahelegt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. In diesem Schwerpunkt wird es um die ideologische Funktion von Bescheidenheitsaufrufen gehen und die ebenfalls ideologische Funktion von unbescheidenen Konsumanreizen. Auf was können wir verzichten? Auf Menschenrechte, auf Utopien? Wir untersuchen die Askese als Widerstandsform und als Gehorsam; es kommen Hungerkünstlerinnen vor, Kochpäpste und zölibatäre Priester, Schriftsteller, die verstummen oder zumindest aufs Publizieren verzichten, Landstriche, die zu keinem Staat gehören wollen, und Geflüchtete, die, um eines neuen Lebens willen, auf fast alles verzichten, was ihre Existenz bislang ausmachte.
«Verzicht» – das klingt nach Entbehrung, nach Kriegs- und Krisenjahren, und hat daher als Begriff im Wohlstandswesten einen denkbar schlechten Ruf. Doch recht besehen ist Verzicht ein Luxus. Solange wir es uns leisten können, auf etwas zu verzichten, ist die große Katastrophe noch nicht eingetreten.
Aktualisiert: 2023-04-04
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The new normal lautet der Titel einer amerikanischen Comedyserie über ein schwules Paar mit Kinderwunsch. Die Serie stammt aus dem Jahr 2012, und ihr Szenario wirkt heute nahezu putzig gemessen an der Bedeutung, die das Schlagwort von der «neuen Normalität» im Jahr 2020 angenommen hat. Die Normalität, die uns angeblich nach der Corona-Krise erwartet, fühlt sich jedenfalls bedrohlicher an als homosexuelle Elternschaft.
Aus aktuellem Anlass umkreist die Frühjahrsausgabe des «wespennest» mögliche Bedeutungen der Rede von Normalität. Historisch stammt der Begriff «norma» aus der Architektur und meinte «Winkelmaß», «Richtschnur». Die Texte in diesem Themenschwerpunkt beschäftigen sich daher mit der normierenden Wirkung von Gebäuden ebenso wie mit der symmetrischen Glockenform, den «Kurvenlandschaften» und der Rolle, die diese bei der Produktion von Normalität spielen. Sie fragen, was «normal
Aktualisiert: 2023-04-04
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Mit dem biblischen Turmbau haben sich viele literarisch Schaffende – interpretierend, nacherzählend, sprachverwirrend – beschäftigt. Für einige von ihnen ist „Das grosse Babel,n“ (Ferdinand Schmatz, 1999) zuallererst eine dichterische Tätigkeit. Der Schwerpunkt „Viele Sprachen – eine Sprache?“ nimmt auf diese Auseinandersetzung Bezug, nähert sich ihr über die Etymologie oder fragt nach konkreten politischen und gesellschaftlichen Versäumnissen im Umgang mit Sprache und Mehrsprachigkeit als Basis unserer Kommunikation. Die Forderung nach einer Lingua franca für die europäische Demokratie findet ebenso ihren Platz wie Betrachtungen zur Verständlichkeit von Gerichtsurteilen oder ein Werkstattgespräch über die Vorzüge der Mehrsprachigkeit im eigenen literarischen Schaffen.
Einblicke in die Herausforderungen beim Erlernen einer neuen Sprache gewährt schließlich eine kleine Serie an subjektiv gehaltenen Sprachporträts. Als Fund aus den Zeitschriftenarchiven: Ein offener Brief aus dem Jahr 1930, in dem sich der ungarische Autor Dezs? Kosztolányi, durch die Arbeiten des französischen Gelehrten Antoine Meillet merklich gekränkt, zu einer wilden Verteidigung von Sprache und Literatur unserer (von Wien aus gesehen) östlichen Nachbarn aufschwingt – nun siebzig Jahre später auch auf Deutsch zu lesen.
In einem langen, im Original erstmals 1987 erschienenen Essay betritt Dževad Karahasan das Labyrinth des Minotauros und beschäftigt sich mit der Wesensnatur von Ungeheuern. Der Buchbesprechungsteil nimmt aktuelle Werke dystopischer Literatur aus Österreich in den Blick – und vieles andere mehr.
Aktualisiert: 2023-04-04
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Mit dem biblischen Turmbau haben sich viele literarisch Schaffende – interpretierend, nacherzählend, sprachverwirrend – beschäftigt. Für einige von ihnen ist „Das grosse Babel,n“ (Ferdinand Schmatz, 1999) zuallererst eine dichterische Tätigkeit. Der Schwerpunkt „Viele Sprachen – eine Sprache?“ nimmt auf diese Auseinandersetzung Bezug, nähert sich ihr über die Etymologie oder fragt nach konkreten politischen und gesellschaftlichen Versäumnissen im Umgang mit Sprache und Mehrsprachigkeit als Basis unserer Kommunikation. Die Forderung nach einer Lingua franca für die europäische Demokratie findet ebenso ihren Platz wie Betrachtungen zur Verständlichkeit von Gerichtsurteilen oder ein Werkstattgespräch über die Vorzüge der Mehrsprachigkeit im eigenen literarischen Schaffen.
Einblicke in die Herausforderungen beim Erlernen einer neuen Sprache gewährt schließlich eine kleine Serie an subjektiv gehaltenen Sprachporträts. Als Fund aus den Zeitschriftenarchiven: Ein offener Brief aus dem Jahr 1930, in dem sich der ungarische Autor Dezs? Kosztolányi, durch die Arbeiten des französischen Gelehrten Antoine Meillet merklich gekränkt, zu einer wilden Verteidigung von Sprache und Literatur unserer (von Wien aus gesehen) östlichen Nachbarn aufschwingt – nun siebzig Jahre später auch auf Deutsch zu lesen.
In einem langen, im Original erstmals 1987 erschienenen Essay betritt Dževad Karahasan das Labyrinth des Minotauros und beschäftigt sich mit der Wesensnatur von Ungeheuern. Der Buchbesprechungsteil nimmt aktuelle Werke dystopischer Literatur aus Österreich in den Blick – und vieles andere mehr.
Aktualisiert: 2023-04-04
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"Ich kann die Folgen dieses Essays in mir immer noch spüren." So würdigt der amerikanische Autor Darryl Pinckney die Wirkung eines um dreißig Jahre älteren schreibenden Kollegen, dem er viel verdankt: James Baldwin. Der Anlass? Ein Rückblick auf Baldwins "Notes of a Native Son" im Rahmen einer Rede zum fünfzigsten Geburtstag der New York Review of Books, die Martin Scorsese in seinem Dokumentarfilm The 50 year argument feierlich porträtiert.
Was ein Essay wie Baldwins bewirken kann: Befreiung vom orthodoxen Denken – in (identitäts)politischer Hinsicht ebenso wie in ästhetischer. Ketzerei, das sei das innerste Formgesetz des Essays, so sah es T. W. Adorno. Nun, man wisse nicht, was ein Essay sei, so sieht es für die neuere deutschsprachige Literatur Georg Stanitzek.
Spielt aber die "vierte Gattung", das Denken im Text, die Bindung ans Lesen und an einen "emphatischen Begriff von Intellektualität" für jüngere Schreibende überhaupt noch eine nennenswerte Rolle? Über den Essay nachzudenken, heißt auch, über die Medien nachzudenken, in denen er erscheint. Und über den radikalen Wandel, denen diese unterworfen sind. Der Herbstschwerpunkt, mit dem wespennest sein fünfzigjähriges Bestehen feiert, ist Reflexion auf den Essay als Form und zugleich eine Hausdurchsuchung in eigener Sache.
Aktualisiert: 2023-04-04
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Ist der Autorenfilm in der Krise? Verbunden mit Namen wie Godard und Truffaut oder mit dem jungen deutschen Film der Sechziger- und Siebzigerjahre galt der Autorenfilm als "Werk eines individuellen Autors (auteurs), vornehmlich des Regisseurs, der seine persönliche Weltsicht trotz der Spannungen zwischen Stil, Thema und Produktionsbedingungen durchsetzt" (James Monaco). Wie ist es mit dieser Filmkultur diesseits der industriellen Massenfertigung Hollywoods, gegen die sich der Autorenfilm abzusetzen sucht, heute beschaffen? Was unterscheidet ihn von seinen klassischen Vorgängern? Was sind seine Beweggründe, Produktionsbedingungen heute?
Bedeutende Vertreter des zeitgenössischen Autorenfilms kommen hier zu Wort. Renommierte Filmexperten wie der Filmkritiker Martin Schaub, der Produzent Eberhard Junkersdorf oder Christa Saredi, Verleiherin der Filme von Jim Jarmusch oder Michael Haneke, diskutieren und analysieren das Phänomen des Autorenfilms. Und die grande dame des europäischen Films, die Drehbuchautorin Suso Cecchi d'Amico ("Fahrraddiebe", "Der Leopard"), berichten von ihrer Arbeit mit Regisseuren wie de Sica oder Visconti.
Aktualisiert: 2019-05-16
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Aurelio Grimaldis "Hurenleben" spielt in Palermo - am Rande Europas, an der Grenze zur Dritten Welt. Jahrhunderte feudaler Tradition, Mafia und Gleichgültigkeit von Seiten des Staates haben Palermo zur "unerlösbaren" Stadt gemacht, in der das Elend nichts Malerisches, Folkloristisches hat. Aurelio Grimaldi hat sich der Ärmsten dieser Stadt, jugendlichen Kriminellen, Prostituierten, Transvestiten, angenommen, die die erlittene Gewalt ungemildert an andere weitergeben. Ohne soziologischen Ehrgeiz entdeckt er - wie Pasolini in den "ragazzi di vita" - die Poesie und die Würde in der Existenz derer, die nur ihren Körper haben, den sie bei der Suche nach dem Glück aufs Spiel setzen können.
"Protokolle zwangsläufig verhunzten Lebens. Von Anfang an zur Aussichtslosigkeit verdammt. Bilanzen aus einem EG-Land, in dessen Süden allein das Faustrecht gilt."
(Süddeutsche Zeitung)
"Grimaldi braucht wenig Umschreibungen für das Unglück - seine Sprache ist rauh, seine Worte sind roh, seine Sätze einfach und leicht."
(Profil)
Aurelio Grimaldi wurde 1957 in Modica (Ragusa) geboren. Unterrichtete nach dem Philosophie- studium vier Jahre lang im Jugendlichenge- fängnis Malaspina in Palermo. Er hat einige Prosawerke veröffentlicht, für den Film "Meri per sempre" von Nelo Risi schrieb er das Drehbuch. Lebt zur Zeit als Drehbuchautor in Palermo und Rom.
Aktualisiert: 2019-05-16
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HieDer Sommer 2018 ging in weiten Teilen Europas als besonders heiß und trocken in die Annalen ein und lässt uns mit dem unheimlichen Gefühl zurück, dass nichts mehr normal ist am Wetter, dass sich – wer weiß? – jetzt schon einer jener katastrophalen Kipppunkte ankündigt, vor denen die Klimaforscher warnen. Vielleicht wachen wir, auch auf Druck der Fridays-for-Future-Bewegung, langsam auf und realisieren, dass Klima das zentrale politische Thema unserer Zeit ist. – Wird adäquat über Klimaveränderung berichtet oder eher verschleiert durch gezielte Desinformation? Wie schaffen wir ein politisches System, in dem wir ressourcenleicht leben, dabei aber unseren Wohlstand erhalten können? Und: Taugt der Begriff Anthropozän oder muss man viel weiter denken – hinter die Spezies Mensch zurück oder über sie hinaus? Es sind die politischen, historischen und literarischen Seiten von Klima- und Wetterlagen, die den Schwerpunkt leiten – jenseits der üblichen Fokussierung auf Energie-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen.
Außerdem in diesem Heft: Georg Seeßlen fragt nach der Gegenwart des Zukünftigen in unserer Wirklichkeit, Andreas F. Kelletat schlägt in einer Freundschafts-, Todes- und Trennungsgeschichte den Bogen von den gemeinsamen Anfängen bis zu „Ach je“, einem der letzten Gedichte des früh verstorbenen Thomas Kling, Alice Grünfelder folgt der Spur jener etwa 140.000 chinesischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg als „Kriegsaufräumer“ in französischem und britischem Sold standen, u.v.a.m.
Aktualisiert: 2023-04-04
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„Hülf und Gnad hat kein Warum“ – was der Sprachgelehrte Justus Georg Schottel im 17. Jahrhundert in seiner Ausführlichen Arbeit Von der Teutschen HaubtSprache unter die Sprichwörter reiht, prägt bis heute unser ethisches Verständnis von Hilfe. Wer jemandem beisteht, fordert idealerweise weder Begründung noch Gegenleistung.
Doch wie lässt sich – etwa aus christlicher Perspektive – mit der Tatsache umgehen, dass die reine Mildtätigkeit angesichts der Not der Menschen in Zeiten struktureller Krisen unzulänglich bleibt?
Politisch gefasst versteht sich Hilfe keinesfalls als selbstlos: Sie soll vielmehr – je nach Standpunkt – Solidarität mit anderen und gegen andere sein, emanzipatorische Prozesse von unten unterstützen, einer Beistandspflicht nachkommen, sich rechnen und präzise berechnen lassen. In Form von Zinsleistungen aus „Rettungsschirmen“ zum Beispiel oder durch Optimierung von Hilfe: Aus Sicht der „effektiven Altruisten“ meint das, der „bessere“ Einsatz von Spendengeldern müsse mehr Bedürftige bei geringeren Kosten pro Kopf erreichen. Das solcherart ökonomisierte Leben bleibt auch im Sterben nicht davon frei. Können wir in der Selbsttötung dennoch einen Akt der Selbsthilfe sehen?
Diesen Fragen geht der Herbstschwerpunkt des wespennest nach, ohne ein Pflaster auf die schiefen Verhältnisse kleben zu wollen.
Aktualisiert: 2018-11-07
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„Der Himmel benam dem Dummen wol den Verstand, aber nicht die Meinung, ihn zu haben“, schreibt Jean Paul, und alt ist der Gedanke, dass es gerade die fehlende Einsicht in die eigene Beschränktheit ist, die Dummheit so gefährlich macht. Derzeit laufen viele gefährliche Idioten herum, ob als heilige Krieger oder als Präsidenten. Aber Stumpfsinn ist nicht nur das Merkmal von Personen, sondern auch von ganzen Systemen. Wo ist der blinde Fleck? Der Schwerpunkt „Idiotie“ verdankt sich dem beunruhigenden Gefühl, dass wir kollektiven Idiotien aufsitzen, dass die Welt zwar permanent smarter, aber der Mensch dabei irgendwie auch dümmer, also beschränkter wird.
Wir stellen Fragen nach der Idiotie von Institutionen im Allgemeinen und der Finanzmärkte im Besonderen. Wie viel Einfalt nötig ist, um in der Politik an die Macht zu kommen und vor allem dran zu bleiben. Ob die Masse notwendig dumm sein muss, und ob die 123 Millionen Klicks für Katzenvideos auf YouTube doch einen tieferen Sinn ergeben. Im griechischen Ursprung des Wortes ist der „idiotes“ einer, der sich heraushält aus öffentlichen Geschäften, der eher am Rande der Polis steht. Blöde muss er deshalb nicht sein. Der Narr spricht wahr, und natürlich wird wespennest auch das Glück der Idiotie bedenken. Was nicht im Widerspruch dazu steht, dass Dummheit vielleicht einfach nur eine Form der Verzweiflung ist.
Aktualisiert: 2023-04-04
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