Regieren an der Peripherie
Amerika zwischen Kolonien und unabhängigen Republiken
Monika Contreras, Lasse Hölck, Hans-Joachim König, Stefan Rinke
Begrenzte Staatlichkeit ist eine Konstante in der Geschichte Lateinamerikas von der Kolonialzeit bis in die Gegenwart. Ob Spanier und Portugiesen die für sie neue Welt unter sich aufteilten, ohne zu wissen, um was es sich dabei genau handelte, oder ob manche Staaten ihr nationales Territorium auf Landkarten stolz präsentierten, ohne dass sie es tatsächlich noch – oder schon – kontrollierten, stets klafften Anspruch und Wirklichkeit von Herrschaft in der Region weit auseinander. Das galt auch für die Umbruchszeit von 1750-1850 mit ihren kolonialen und ab 1826 postkolonialen Konstellationen. Durch die Schwäche der spanischen und portugiesischen Krone, die insbesondere in den vielfältigen internationalen Verwicklungen und Kriegen der napoleonischen Ära deutlich wurde, sowie durch die ohnehin nur unzureichende Durchdringung und Beherrschung weiter Teile des amerikanischen Hinterlands, der so genannten Grenzgebiete, bestanden externe und interne Herrschaftsdefizite, die dann zum einen die Unabhängigkeitsrevolutionen verursachten, sie zum anderen aber auch entscheidend prägten und ihre Ergebnisse mitbestimmten.1 Eine effektive Herrschaft war daher in weiten Gebieten der iberischen Kolonialreiche nicht vorhanden. Die Fähigkeit, politische Entscheidungen in den Kolonien durchzusetzen, war nur phasenweise und räumlich punktuell so stark, dass man von einem herrschaftlichen Gewaltmonopol sprechen kann.