Das kälteste aller kalten Ungeheuer
Vom Staat und seinen Krisen
Gerhard Donhauser
Hobbes und Nietzsche waren sich einig: Der Staat ist ein Ungeheuer. Während Hobbes das gut fand, gab sich Nietzsche entrüstet. Wie auch immer, wer das Monster im Staat sucht, wird bei dessen Souveränitätsanspruch fündig werden. Er weist hochgradig repressive Züge auf, die das Staatskonzept seit der Frühen Neuzeit grundlegend kennzeichnen. Man mag dies begrüßen, weil es vielleicht Schlimmeres verhindert – immerhin entstand der neuzeitliche Staat im Gefolge von Erfahrungen mit Kriegen, die Europa zwischen 1618 und 1648 erschütterten. Allianzen und Konfliktlinien wechselten schnell und waren so schwer zu durchschauen oder gar zu bewerten wie jene in Syrien seit 2011. Doch ist die entgrenzte Souveränität des Staates, die sich von Anfang an im „terror of the legal punishment“ (Hobbes) äußerte, gewaltig, die Leiber derer buchstäblich zerreißend, die Herrscher und oder Staat auch nur irgendwie herauszufordern schienen. Im Lauf der Zeit domestiziert, vor allem in Form des liberalen Rechtsstaates, erhob und erhebt das Ungeheuer, der Leviathan, sein Haupt immer wieder, heute vor allem unter Berufung auf angebliche oder tatsächliche, dem Vernehmen nach nie dagewesene Bedrohungen und Krisen. Nur unter konsequentem Rückgriff auf die eigentlichen, autoritären, Grundlagen von Staatlichkeit könne diesen begegnet werden. Treffen derlei Behauptungen zu oder sind sie nur Ideologie, Nobilitierung blanker Macht und Gewalt? Lassen sich Alternativen vorstellen, jenseits von autoritärem Staat und anarchischen Utopien?