Das Bild der Liebe im Werk des Dichters Gamil ibn Ma’mar
Eine Studie zur 'udritischen Lyrik in der arabischen Literatur des späten 7. Jahrhunderts
Martin Jagonak
Die Dichter vom Stamm der ’Udriten, seit je berühmt für ihre starke Empfindsamkeit, beschreiben die Tiefe ihres Liebesschmerzes oft mit Bildern, die dem Motivkreis des Todes entlehnt sind. Daher unterstellten ihnen schon die arabischen Literaturtheoretiker des Mittelalters bewusste Abkehr von der Geliebten und gewollten Verzicht auf diesseitige Erfüllung der Liebe als höchstes Ideal. Seither sind Konzepte von platonischer Liebe fest mit dem Begriff „’udritisch“ verbunden und prägen bis heute auch die orientalistische Sekundärliteratur, obwohl ausgerechnet die Werke Gamils (gest. 701), des berühmtesten Dichters der ’Udriten, ganz das Gegenteil ausdrücken und von seiner tiefen Sehnsucht nach seiner Geliebten und seinem leidenschaftlichen Wunsche, ihr im Hier und Jetzt nahe zu sein, durchdrungen sind. Martin Jagonak legt nun die wichtigste und umfangreichste Quelle über Leben und Werk GamIls, den Bericht aus dem „Buch der Lieder“ von ’Abu-l-Farag al-’Isfahani (gest. 967), erstmals in einer ausführlich kommentierten Übersetzung vor und zeigt daran, welches Bild der Liebe Gamils Versen zugrunde liegt, mit welchen Metaphern es beschrieben wird und warum die später entwickelten Clichés mit ihm unvereinbar sind. Außer einer Neubewertung auf motivgeschichtlicher Ebene bietet die Studie auch Impulse für die Klärung gattungs- und formgeschichtlicher Problemstellungen.