Neid und Politik
Eine neue Lektüre des gnostischen Mythos
Takashi Onuki
Takashi Onuki hat sich die Aufgabe gestellt, die gnostischen Aussagen über den Neid in ihrem historischen, kulturellen und politischen Kontext und vom Selbstverständnis der Gnostiker her verständlich zu machen. Zu diesem Zweck greift er Hauptmotive des gnostischen Mythos heraus, um an ihnen die mythologische Rolle des Neides herauszuarbeiten. Im syrisch-ägyptischen Typ der Gnosis spielt der Neid eine für die Entwicklung des Mythos sehr wichtige Rolle. Der Neid ist das Strukturprinzip des Mythos. Außerdem macht der psychomythische Parallelismus (G. Theißen) es möglich, den Mythos psychologisch zu entmythologisieren: Die Gnostiker sollen in sich den Neid überwinden und die ursprüngliche Neidlosigkeit wieder erreichen. Im politischen Kontext geschieht ein Rollenwechsel: Dem römischen Reich, das die Gnostiker in seine feste Herrschaftsordnung eingebunden hat, fällt nunmehr die Rolle des »Neiders« (Jaldabaoth) zu, während die Gnostiker als »das königslose Geschlecht«, ja als »die wahren Könige« die Rolle der »Beneideten« bekleiden, obwohl sie sich von politischer Betätigung abgewandt haben. Im Unterschied dazu ist für den nach Osten gewanderten Manichäismus eine aktive Beteiligung an der Politik bezeichnend. Das vorliegende Buch stellt die mythologische Begründung, die den Manichäern dieses politische Engagement ermöglicht hat, klar heraus. Die unterschiedliche politische Einstellung der beiden Typen der Gnosis hängt eng mit der Struktur des jeweiligen Erlösungsmythos zusammen. Die mythologische Erlösungsidee einerseits und die Lebensführung mit einer bestimmten politischen Einstellung andererseits sind untrennbar miteinander verbunden. Damit bestätigt das vorliegende Buch eine Grundthese der Religionssoziologie Webers über den Zusammenhang zwischen Religion und Gesellschaft.