BEETHOVEN von Kortner,  Fritz, Löwenstein,  Hans Otto

BEETHOVEN

(1927)

Der österreichische Stummfilm BEETHOVEN, zum 100. Todestag des Komponisten 1927 entstanden, zeichnet die wichtigsten Stationen im Leben von Ludwig van Beethoven nach. Seine Vita verknüpft sich mit den bekanntesten Werken (2. Sinfonie, Eroica, 5. und 9. Sinfonie, Fidelio und Missa Solemnis). Fritz Kortner (1892-1970) in der Titelrolle zeichnet Beethoven als prometheische Lichtgestalt und Rebell, der die historischen Erschütterungen seiner Zeit in großen Sinfonien verarbeitet. Seine Musik bewegt auch so, weil in ihr die Tragik nachklingt, die sein Leben überschattet.

Die neue Musikfassung von Malte Giesen zitiert alle im Film genannten Beethoven-Werke und verarbeitet sie in origineller, zwischen Kintopp und Kunstmusik changierenden Bearbeitung für kleines Orchester. „Die Idee ist, aus Beethoven-Werken eine Art ‚komponierte Interpretation‘ zu entwickeln, mit Techniken, die an die Ästhetik und Philosophie meiner Generation anknüpfen, wie Remix, Sampling, Shuffling, auch der Mix Orchester/Elektronik kommt hier zum Einsatz. So stelle ich mir die hypothetische Frage: wie hätte Beethoven komponiert, wenn es schon Elektronik gegeben hätte?“

BEETHOVEN erscheint in der vom Filmarchiv Austria restaurierten Fassung.

Beethoven
Österreich 1927, 71 Minuten
HD-s/w-restaurierte Fassung*

RegieHans Otto Löwenstein
DrehbuchEmil Kolberg
KameraViktor Gluck
Fritz Kortner (Beethoven), Lillian Gray (Giulietta Guicciardi), Ernst Baumeister (Joseph Haydn), Wilhelm Schmieder (Fürst Lichnowsky), Dely Drexler (Therese v. Brunswick) u.v.a.

Restaurierung (2019)Filmarchiv Austria
Musik (2020)Malte Giesen (i.A. von ZDF/ARTE)
KlavierFabio Martino
Dirigent Aurélien Bello
RedaktionNina Goslar
ProduzentThomas Schmölz (2eleven music film)
KoproduktionThüringen Philharmonie Gotha-Eisenach, Kulturamt der Stadt Eisenach,
ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE

Das Projekt
Der österreichische Stummfilm BEETHOVEN entstand 1926/27 zum 100. Todestag des Komponisten in Wien. Mit Fritz Kortner in der Titelrolle zeichnet der Film die wichtigsten Stationen in Beethovens Leben nach. Die neue Musik von Malte Giesen (*1988) zitiert alle im Film genannten Werke und verarbeitet sie in einer originellen, zwischen Kintopp und Kunstmusik changierenden Bearbeitung für kleines Orchester.

Zum Film und seinen Fassungen
Mit dem großartigen Charakterschauspieler Fritz Kortner (1892–1970) in der Titelrolle zeichnet der Film die wichtigsten Stationen im Leben von Ludwig van Beethoven nach und verknüpft seine Vita mit seinen großen Werken wie der 2. Sinfonie, Eroica, 5. und 9. Sinfonie, Fidelio und Missa Solemnis. Der Film wurde anlässlich des 100. Todestages des Komponisten (26.03.1927) produziert und ist ein schönes Beispiel früher medialer Verwertung populärer Künstlerbiographien. Er entstand im Sommer 1926 in den Listo-Film-Ateliers in Wien-Schönbrunn und erlebte am 18. Februar 1927 seine Kino-Premiere. Als eine besondere Qualität stellte die zeitgenössische österreichische Presse heraus, dass der Film an Original-Schauplätzen entstand, womit nur das Schloss Schönbrunn gemeint sein kann.

Die filmische Erzählung beginnt mit Beethovens Kindheit in Bonn und seinem Musikstudium bei Joseph Haydn in Wien. Im weiteren Verlauf zeichnet sie das Bild eines produktiven Komponisten, der zeit seines Lebens in unglücklichen Liebesgeschichten verfangen ist. Vor allem die Begegnung mit Giulietta Guiccardi, die als wenig talentierte Klavierschülerin den Komponisten halb in den Wahnsinn treibt, wird im Film ausführlich geschildert; hier baut der Film eine reine Kino-Fiktion auf. Als konstanter Förderer tritt hingegen, wie es der Realbiographie entspricht, der Musik-Mäzen Fürst Lichnowsky auf. Großen Raum nimmt die Schilderung seines fatalen Gehörleidens ein, das Beethoven im Alter von 28 Jahren ereilt und das ihn in eine schwere persönliche Krise stürzt. Er wird zunehmend misanthropisch und zieht sich immer mehr in die Welt seiner Klänge zurück, bis er im Alter von 57 Jahren stirbt.

Die restaurierte Fassung stammt aus dem Filmarchiv Austria und ist die französische Exportversion, die in ihrer Textgestalt auch Romain Rolland zitiert, der die französische Beethoven-Rezeption wesentlich geprägt hat. Diese um 10 Minuten gekürzte französische Version ist die einzige erhaltene Fassung des Films. Die verloren gegangene Originalfassung mit dem Untertitel ‚Zum Gedächtnis des 100jährigen Todestages des Sängers der Ewigkeit‘ hatte eine Länge von 80 Minuten und ging ausführlicher auf die Werke der großen Schaffensphase (5. und 9. Sinfonie) ein. Wie der Vergleich mit der erhaltenen deutschen Zulassungskarte erkennen lässt, existierte in der Originalfassung noch eine Sequenz über die von starken biographischen Krisen erschütterten späteren Jahre, in denen u.a. die Schicksals-Sinfonie entstand. Ein weiterer Exkurs beschäftigte sich mit Kerker-Szene aus Fidelio, quasi eine Visualisierung der Lebenssituation des Komponisten und seiner zunehmenden Ertaubung.

Beethoven im Kino
Alles in allem ist dieser österreichische Film ein anschauliches Beispiel für die Entwicklung des Beethoven-Bildes in der Populärkultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts: vom Genie zum unglücklichen Liebhaber, der sein Liebesleid in seinem künstlerischen Schaffen kompensiert. In der deutschen Zulassungskarte findet sich der interessante Hinweis auf einen Prolog, den es offenbar in großen Kinosälen auf der Filmbühne gab und der aus einem Brief von Beethoven an Erzherzog Rudolph zitiert: „Höheres gibt es nichts, als der Gottheit sich mehr als andere Menschen nähern und von hier aus die Strahlen der Gottheit unter dem Menschengeschlecht verbreiten.“ Beethoven als Prometheus, so wurde das ganze 19. Jahrhundert hindurch die Bedeutung von Beethoven – wie sonst nur die Leistung von Goethe – gewürdigt und legte gerade in Deutschland eine Tradition der ‚Gottbegnadeten‘ fest. Das Kino der Stummfilmzeit geht da leichtfertiger mit dem Geniebegriff um und erfindet Frauengeschichten rings um den angeblich misanthropischen Beethoven. In dieser Manier ist auch der 1950 österreichische Film ‚Eroica‘ von Karl Hartl gehalten; voll Pathos schildert der Film Beethoven als Titan und verpasst ihm zugleich das Gewand des ungeschickten Liebhabers.

Es war anderen Genies des Films wie dem französischen Regisseur Abel Gance vorbehalten, eine adäquate filmische Adaption von Beethovens Leben im Jahr 1938 mit Harry Bauer in der Titelrolle zu inszenieren, während in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eher die Dekonstruktion des Geniebegriffs angesagt war. Zum Beethoven-Jahr 1970 entstand Maurizio Kagels Film ‚Ludwig van‘, „… eine aggressive Kritik an allem, was sich bis dahin an Beethovenkult entwickelt hat. Dabei nimmt der Film weder auf Empfindlichkeiten des Publikums Rücksicht noch auf dessen Ermüdungstoleranz: wenn etwa in Dieter Rots ‚Badezimmer‘ eine zerbröckelnde Fettbüste Beethovens nach der anderen aus der Badewanne geholt und der Kamera vorgehalten wird … Mag manche Kritik an ‚Ludwig van‘ durchaus berechtigt sein, so bestätigt eine Äußerung wie die von Hilde Spiel in der FAZ ‚zwei- bis dreitausend Jahre mühsamen Aufstiegs in eine Begriffswelt, der Beethovens Musik Ausdruck gegeben hat, werden geleugnet‘ genau jenen Beethovenkult, den Kagel angreift.“ (Helmut Loos, Programmheft zu einer Beethoven-Filmreihe im Kulturforum Bonn 1986).

Insgesamt entstanden seit 1913 ca. 30 Filme, die sich mit der Beethoven-Biographie oder seinen Werken beschäftigen. Vielleicht noch interessanter als die filmische Adaption von Beethovens Biographie ist die Reihe der Filme, in denen Beethovens Musik als Filmmusik verwendet wurde, wie in ‚Mord – Sir John greift ein‘ (Alfred Hitchcock, GB 1930), Eine verheiratete Frau‘ (Jean-Luc Godard, F 1964) oder als bekanntestes Beispiel ‚Clockwork Orange‘ (Stanley Kubrick, GB/USA 1971).

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