KLassenkampf und Nation
Anton Pannekoek
Der Nationalismus ist die wesentliche Ideologie der Bourgeoisie. Die Gemeinschaft, die die Bourgeoisie als Nation, Volk, Vaterland oder Staat bezeichnet, ist die einzige, die sie anerkennt und über die Persönlichkeit des Einzelmenschen stellt.
Die Bourgeoisie wusste, dass die zahlreichen winzigen Zwergstaaten die Blüte der Wirtschaft verhinderten und dass sie sich in der Weltpolitik, im Kampf um Märkte und Kolonien nur mit einem mächtigen Staat im Rücken Geltung verschaffen konnte.
Nationalität ist geronnenen Geschichte.
Diese aus der Geschichte entstandenen Gleichheiten und Verschiedenheiten in Wesen und Gesinnung sind es, die die Nationen und die innere Kraft der nationalen Staaten bilden. Das ist es was die Bourgeoisie braucht und was sie als Patriotismus preist.
Solange die Arbeiter nur gehorsame Knechte des Kapitals sein wollen, liegt es auch in ihrem Interesse, dass die Geschäfte ihrer Herren blühen.
Sobald die Arbeiterklasse revolutionär auftritt und ihre Aufgabe wahrnimmt, die wirtschaftliche Neuorganisation der Gesellschaft durchzuführen, fällt der Nationalismus völlig von ihr ab. Was sie aufbaut, ist Produktion für den Gebrauch, nicht für den Profit und beruht auf freiwilliger Zusammenarbeit, nicht auf Herrschaft.
Dieser neue nationenlose Charakter der Arbeiterklasse ist mehr als Internationalismus; denn dieser Name könnte auch ein friedliches Zusammenarbeiten verschiedener Nationen beschreiben, wie wir sie von der Illusion des bürgerlichen »Völkerbundes« kennen.
Für die sich befreienden Arbeiter sind die Nationen verschwunden; für sie besteht nur die große Arbeitsgemeinschaft der Menschheit. In dieser Weltgemeinschaft der Arbeit werden die verschiedenen Sprachen – ob sie bleiben oder verschwinden – kein Hindernis für die kulturelle Einheit sein. Einheit wird nicht als Gleichförmigkeit, sondern als Verbundenheit gebildet. So verschwindet der Nationalismus von der Erde, zusammen mit der Klasse, die ihn trug.