Gruppenarbeit im spirituellen Kontext
Der Corona Prozess
Thomas Yeomans
Einführung
In diesem Text möchte ich einen Ansatz der Gruppenarbeit beschreiben, der sich in den 90er-Jahren aus der Zusammenarbeit einiger Freunde und Kollegen im Concord Institut entwickelte. Ähnlich wie eine Fotografie im Entwicklungsbad wurde dieser Ansatz nach und nach deutlich, als wir noch vollkommen unwissend die Frage stellten, wie Gruppenarbeit aussieht, wenn man die spirituelle Dimension ernst nimmt und die Existenz und den Einfluss der spirituellen Dimension zu jedem Zeitpunkt im Leben einer Gruppe postuliert. Am Anfang waren da nicht viel mehr als eine Intuition, dass es da etwas zu lernen gäbe, und der Wunsch, es zu entdecken. Und ich hatte einen Traum, der uns half, einen Anfang zu machen.
Es war Anfang Oktober 1989, nachdem ich einen Vortrag von David Bohm über den „Dialogprozess“ am MIT gehört hatte.1 Ich war fasziniert von Bohms Idee eines „gemeinsamen Bewusstseins“, das sich in einer Gruppe bilden könnte, um die zahlreichen Unterschiede innerhalb der Gruppe zu halten, wie auch von seiner Vorstellung, dass Gruppen „kohärente Mikrokulturen“ seien, die durch ihre Präsenz zur makrokulturellen Kohärenz und zum Weltfrieden beitrügen. Ich fuhr nach Hause, ging zu Bett und in den frühen Morgenstunden hatte ich einen Traum. Dieser Traum bestand aus drei Phasen. Er spielte in einer Berghütte, in der ich mich zusammen mit einigen Freunden aufhielt. Es war Winter, der Himmel war tiefschwarz und die Sterne leuchteten hell. Meine Freunde hatten sich um einen Holzofen versammelt, aber ich trat ans Fenster, um die Sterne zu betrachten, und während ich dort stand, bemerkte ich eine äußerst hellstrahlende Konstellation – die Corona –, die am Himmel einen Kreis aus Sternen bildete, der heller als das eigentliche Sternenbild war. Ich rief meine Freunde, damit sie sich dieses wunderbare Bild ansähen, sie aber zögerten, den warmen Ofen zu verlassen, und während ich den Sternenkreis weiter beobachtete, begannen die Sterne, in alle Richtungen ein funkelndes Licht auszusenden, während der Kreis seine Form behielt. Ich war ganz aufgeregt über das, was ich da sah, und rief meinen Freunden zu, sie mögen sich beeilen. Und dann kam aus der Tiefe des Raumes ein Aufblitzen, das den ganzen Himmel für einige Sekunden erhellte, wie ein kosmischer Blitz. Dieses Licht war von einer anderen Qualität als das Sternenlicht – es war eher wie ein Laserlicht – und floss durch die Sternencorona hindurch wie auch um sie herum. Es bestand aus einzelnen Strahlen und ein Strahl traf die Iris meines linken Auges und brannte ein gleichschenkliges, dreidimensionales Dreieck, eine Pyramide hinein. Von diesem Gefühl wurde ich wach.
Ich bewegte den Traum in meinen Gedanken, ließ ihn Revue passieren, stand auf und schrieb ihn nieder. Und während des Schreibens wurde mir klar, dass ich etwas sehr Nützliches geschenkt bekommen hatte. In meinem Inneren dachte ich, „um das zu verstehen, braucht es zwanzig Jahre“, und doch war mir nicht klar, was da passiert war oder was es wirklich zu bedeuten hatte. Ich wusste nur, dass ich an etwas gerührt hatte, das sehr wichtig für die Arbeit mit Gruppen war. Darauf vertrauend beschloss ich, zu Beginn meines nächsten Seminars über das Thema Gruppenarbeit meinen Traum zu erzählen und anzufangen, auf der Grundlage dieser Lehre, so gut ich sie verstand, zu arbeiten.
In diesem Text möchte ich beschreiben, wie sich dieses Verständnis entwickelt hat und wie es in Resonanz steht mit ähnlichen Experimenten, die wir zu einem späteren Zeitpunkt in der Gruppenarbeit entdeckten. Auch werde ich offene Fragen aufzeigen in der Hoffnung, dass ihre Erforschung in den nächsten Jahren zu einer weiteren Entwicklung und Anwendung dieses Ansatzes führen wird. Um zu ehren, wo diese Art der Gruppenarbeit ihren Anfang nahm, habe ich sie „Corona Prozess“ genannt.