Jüdische Ärzte und das jüdische Gesundheitswesen in Krakau
Vom 15. Jahrhundert bis zur Schoáh
Georg Eisner, Jehuda L Stein, Erhard R Wiehn
Nach ‚Die Steins – Jüdische Familiengeschichte in Krakau 1830–1999‘ und ‚Juden in Krakau – Ein historischer Überblick 1173–1939‘ legt Jehuda Stein hiermit sein drittes Buch vor: ‚Jüdische Ärzte und das jüdische Gesundheitswesen in Krakau‘. In ihm werden mehrere Themenkreise vereinigt, die in ihrer Kombination eine einzigartige historische Situation schaffen.
Biographien von Ärzten, Beschreibungen ihrer Schicksale und Leistungen sowie Darstellungen des Gesundheitswesens waren bekanntlich schon immer Gegenstand der allgemeinen Medizingeschichte. Geht es aber um jüdische Ärzte, treten besondere Aspekte in den Vordergrund: Die Beziehungen zwischen der christlichen und der jüdischen Welt, und zwar auf einer speziellen personalen Ebene. Wie kam es dazu, daß Christen Juden als Ärzte akzeptierten, und zwar sowohl zur Zeit des kirchlichen Antijudaismus – wo Heilung und religiöser Glaube untrennbar miteinander verknüpft waren – als auch nach der Aufklärung, da die Judenfeindschaft in säkularen Antisemitismus überging? Wie begegneten die Juden denjenigen Glaubensgenossen, die dank ihrer Nähe zu Christen in eine bessere soziale Stellung aufsteigen konnten? Und wie verhielten sich die jüdischen Ärzte selbst in diesen Spannungsfeldern?
Mit dem besonderen Umfeld von Krakau kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Die Geschichte der Stadt innerhalb der wechselvollen Geschichte Polens – unter sich ständig ändernden Herrschaftsverhältnissen – hat auch das Schicksal der jüdischen Ärzte in ganz spezifischer Weise beeinflußt. Juden, hochgeschätzt als Ärzte – sei es als Leibärzte am Hofe, sei es als Stadtärzte der Bürger – später vertrieben und beraubt, wieder zurückgeholt und erneut geehrt, schließlich vernichtet – dieses Wechselbad der allgemeinen europäisch-jüdischen Geschichte erhält in Krakau spezielle polnische, russische, deutsche Färbungen.
Es ist ein Glücksfall, daß sich gerade Jehuda Stein dieses Themas angenommen hat. Aufgewachsen in Krakau hat er persönlich noch die medizinische Welt seiner Zeit erlebt, einen Teil der Ärzte und ihrer Familien, der medizinischen Institutionen und ihrer Patienten gekannt. Er hat ihr Schicksal im Guten und Schlechten geteilt, die Vorkriegszeit mit dem damals schon ausgeprägten Gegensatz zwischen Akzeptanz und Ablehnung, den Zweiten Weltkrieg mit allen Greueln.
Trotz ereignisbedingter spärlicher Quellenlage ist Jehuda Stein unermüdlich jeder Fährte nachgegangen und hat mit viel Geduld und großem Einsatz aus vielen Puzzleteilen ein Gesamtbild geschaffen. Der Leser ist eingeladen, ihm auf seinem Weg zu folgen und selbst Einblick zu nehmen in eine Geschichte, die reich ist an interessanten Persönlichkeiten und verflochtenen Schicksalen.
Georg Eisner, M.D.,
Professor für Ophthalmologie an der Universität Bern, Schweiz
Bern, im November 2005