Entwicklung eines Modells für Formgedächtnisaktoren im geregelten dynamischen Betrieb
Florian Schiedeck, Jörg Wallaschek
Aktoren aus Formgedächtnislegierungen weisen mit über 1 kJ/kg die mit Abstand höchste
Energiedichte aller Aktorprinzipien auf. Das macht sie für diejenigen Antriebsaufgaben
interessant, bei denen auf kleinem Bauraum eine hohe mechanische Arbeit aufgebracht
werden muss. Zur Erzeugung begrenzter Stellbewegungen mit unidirektionaler Kraftwir-
kung werden Formgedächtnislegierungen in Drahtform eingesetzt. Der Formgedächtnisef-
fekt tritt bei Legierungen mit reversibler martensitischer Phasenumwandlung auf. Nickel-
Titan – oft auch als NiTiNOL, Flexinol oder MuscleWire bezeichnet – ist wegen der hohen
Effektstabilität die am häufigsten eingesetzte Formgedächtnislegierung.
Diese Arbeit behandelt die Einsatzmöglichkeiten von Formgedächtnislegierungen als
Stellantriebe. Nach der Beschreibung des Stands der Technik werden im Hauptteil die
Forschungsergebnisse vorgestellt. Dieser gliedert sich in folgende Teile: experimentelle Un-
tersuchung und Modellierung von Formgedächtnislegierungen sowie Regelung und Appli-
kation von Formgedächtnisaktoren. Zunächst wird das thermomechanische Dehnungs- und
Widerstandsverhalten von NiTi-Formgedächtnislegierungen auch unter dem Aspekt Alte-
rung experimentell untersucht. Weitere Messungen hinsichtlich dynamischer Eigenschaf-
ten runden das Systemverständnis ab. Ausgehend von der thermodynamischen Energiebi-
lanz erfolgt die Modellierung von Formgedächtnislegierungen mit extrinsischem Zweiweg-
verhalten. Das domänenübergreifende Simulationsmodell besteht aus thermischen, elektri-
schen und mechanischen Teilmodellen für die Temperaturhysterese, für das Widerstands-
und für das Dehnungsverhalten. Damit wird das makroskopische Verhalten von Aktoren
aus Formgedächtnislegierungen im dynamischen Betrieb beschrieben. Unter Verwendung
der daraus gewonnenen Erkenntnisse wird ein systemspezifischer Ansteuerungs- und Rege-
lungsentwurf für Formgedächtnisaktoren als Positionier- und Stellantriebe durchgeführt.
Dabei wird insbesondere das Potential von Self-Sensing, d. h. die Nutzung inhärenter
sensorischer Eigenschaften, untersucht, um eine Positionsregelung auf Basis einer Wi-
derstandsmessung zu realisieren. Des Weiteren können Nichtlinearitäten gezielt für eine
selbstsensierende Ansteuerung genutzt werden. Abschließend werden die Möglichkeiten
der Applikation von Aktoren mit Formgedächtnislegierungen betrachtet. Dafür wird ei-
ne Methode zur verlässlichkeitsorientierten Technologiebewertung entwickelt und für die
Analyse existierender Lösungen eingesetzt. Die Ergebnisse fließen in den Entwurf eines
Aktorprototyps ein.