Lutherische »Orthodoxie« als historisches Problem
Leitidee, Konstruktion und Gegenbegriff von Gottfried Arnold bis Ernst Troeltsch
Christian Volkmar Witt
Die lutherische »Orthodoxie« behauptet ihren festen Platz in der nachreformatorischen Kirchen- und Theologiegeschichte. Im Gegenüber zu Pietismus und Aufklärung habe es eine historisch erfassbare Größe namens »Orthodoxie« gegeben, die – so die Annahme weiter – all das verkörperte, wogegen Pietisten und Aufklärer dann in bester reformatorischer Tradition sowie zunehmend erfolgreich in die Schranken traten. Dieser Antagonismus und der dahinter liegende Entwicklungsteleologismus verdanken sich allerdings nachweislich den positionellen Bindungen und theologiepolitischen Anliegen bis heute wirkmächtiger historiographischer Entwürfe, wie sie nach G. Arnold beispielsweise auch L. T. Spittler, G. J. Planck, K. Hase, F. Chr. Baur, A. Tholuck und schließlich E. Troeltsch vorgelegt haben. Angesichts dessen wird die Karriere der betreffenden Kategorie als Leitidee, Konstruktion und Gegenbegriff nachgezeichnet und durch Zusammenführung institutionentheoretischer, theologiehistorischer sowie begriffsgeschichtlicher Ansätze analysiert, um ihre historische Belastbarkeit und wissenschaftssprachliche Tauglichkeit zu hinterfragen.