Goethes „Wilhelm Meisters Wanderjahre“
Aggregat, Archiv, Archivroman
Martin Bez
Bis dato existierte keine Monographie, die Goethes Wanderjahre in ihrer Struktur erfassen konnte. Die Studie definiert den Terminus ‚Archivroman‛; mit dem ‚Archivalischen Erzählen‛ und dem ‚Archivalischen Schreiben‛ entwickelt sie Untersuchungseinheiten am Text, die fortan zum Basisvokabular der Romananalyse gezählt werden dürfen. Sie geht von einer formkonstitutiven Interdependenz von Unordnung, Ordnung und Hilfsmitteln zur Ordnungsgenerierung in den Wanderjahren aus und zeigt, dass man dort auf Thematisierungen einer Pluralität stößt, deren Tragfähigkeit als literarisches Konstruktionsprinzip ausgelotet wird. Als den Garanten einer größtmöglichen Freiheit in der Anordnung bei minimaler Ordnung etabliert sie Goethes Idee des Aggregats. Als ob der Text diesem oft als defizitär apostrophierten Instrument zur Beziehungsvermeidung nicht traute, greift er zur Absicherung gegen eine potentielle Verselbständigung der Pluralität aufs Archiv zurück. Er experimentiert sogar mit einer Anthropomorphisierung von Sammlungen: Das Archiv fungiert als „ordentlich eine mitspielende Person“ (Schiller).