Karl Marx; Friedrich Engels: Gesamtausgabe (MEGA). Exzerpte, Notizen, Marginalien / Die Bibliotheken von Karl Marx und Friedrich Engels. Annotiertes Verzeichnis des ermittelten Bestandes
Hans-Peter Harstick, Richard Sperl, Hanno Strauß
„You’ll certainly fancy, my dear child, that I am very fond of books, because I trouble you with them at so unseasonable a time“, schreibt Marx 1868 seiner auf Hochzeitsreise befindlichen Tochter Laura, um dann mit dem Unterton bitterer Selbstironie fortzufahren: „But you would be quite mistaken. I am a machine, condemned to devour them and then, throw them, in a changed form, on the dunghill of history. A rather dreary task, too […]“ (Marx an Laura Lafargue, 11.4.1868). Karl Marx war ein leidenschaftlicher Leser nicht nur im Hinblick auf den immensen Umfang und die Vielseitigkeit seiner Studien, sondern auch in dem Sinne, dass er ungemein impulsiv las. Kaum ein wiederaufgefundenes Exemplar ex libris Karl Marx, das nicht charakteristische Hervorhebungen von seiner Hand – Unterstreichungen, Randstriche etc., gelegentlich auch Randbemerkungen und ausführliche Kommentierungen – enthielte. Engels verfuhr in ähnlicher Weise. Die Privatbibliotheken von Marx und Engels, ihr Umfang, ihre Struktur und ihre thematische Vielfalt sind deshalb von großem wissenschaftsgeschichtlichem Interesse und erhellen viele Details ihrer biographie intellectuelle. Als Marx starb, übernahm Engels den Hauptbestand der umfangreichen Büchersammlung seines Freundes und vereinigte ihn mit seiner eigenen Bibliothek: „The whole of these books constitute a library so unique, and so complete at the same time, for the history and the study of Modern Socialism and all the sciences on which it is dependent, that it would be a pity to disperse it again“ (Engels an Laura Lafargue und Eleanor Marx-Aveling, 14.11.1894). Nach Engels’ Tod größtenteils in der Bibliothek der SPD in Berlin aufgegangen, nach Beschlagnahme des sozialdemokratischen Parteivermögens 1933 zerstreut und in internationaler Sucharbeit nunmehr rekonstruiert und als Katalog beschrieben, repräsentiert die Marx-Engelssche Privatbibliothek einerseits den Typus der Gelehrtenbibliothek des 19. Jahrhunderts und kann nicht ohne die Bibliotheksstandorte London und Manchester gedacht werden, andererseits spiegelt sie das Emigrantenschicksal ihrer Besitzer. Über die wechselvolle Geschichte dieser Büchersammlung berichtet die Einführung des Bandes. Der annotierte Bibliothekskatalog verzeichnet alle bisher wieder aufgefundenen 1.450 Titel in mehr als 2.200 Bänden und umfasst damit erstmalig annähernd 60 % des geschätzten ursprünglichen Gesamtbestandes. Er enthält doppelt so viele Titel wie die beiden bisherigen Teilpublikationen (1967 und 1979) zusammengenommen. Der ausführlichen bibliographischen Beschreibung und der Standortbezeichnung jedes überlieferten Exemplars folgen Angaben über spezielle Merkmale wie Widmungen, Eigentumsvermerke und andere Aufschriften sowie die Aufführung der ca. 40.000 Buchseiten, die Benutzerspuren, d.h. textliche (durch Fettdruck hervorgehoben) und graphische Marginalien von Marx und Engels aufweisen. Außerdem wird ein Bezug zum Lesefeld von Marx und Engels – ein Großteil ihres Briefwechsels ist ja Literaturbesprechung – hergestellt. Die Bearbeiter dokumentieren, ob der betreffende Titel in den überlieferten Marxschen Teilverzeichnissen seiner Bibliothek aufgeführt ist, ob Exzerpte dazu vorliegen und ob die wiederaufgefundenen Bücher in Werken, Manuskripten oder Briefen erwähnt und verwertet sind, soweit in den bisher erschienenen MEGA-Bänden bzw. in der Marx/Engels-Werkausgabe (MEW) publiziert. Das annotierte Bibliotheksverzeichnis ist ein Quellenfundus für die Marx-Engels-Forschung und bietet allen an Wissenschafts-, Bibliotheks-, Literatur- und Rezeptionsgeschichte Interessierten wichtige Informationen. Es entstand an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften als Vorauspublikation zum MEGA-Band IV/32, der den Bibliothekskatalog durch die kontextbezogenene Edition der textlichen und die Beschreibung der graphischen Marginalien sowie wissenschafts- und werkgeschichtliche Kommentare auf der Grundlage der dann vollständig vorliegenden Gesamtausgabe ergänzen wird.