Das Ganze der Natur und die Differenzierung des Wissens
Alexander von Humboldt als Schriftsteller
Bettina Heyl
Über 70 Jahre lang – von 1788 bis 1859 – verfasste Alexander von Humboldt zahlreiche Monographien, Hunderte von Aufsätzen und Tausende von Briefen. Erstmals untersucht diese Studie den literargeschichtlichen Kontext dieser schriftstellerischen Karriere. Wie Humboldt das Schreiben erlernte, welchen Vorbildern er nacheiferte, in welchen Gattungen (vom fiktionalen Brief über die didaktische Erzählung bis zum Reisebericht und der kulturhistorischen Abhandlung) er sich übte, welches Publikum er ansprach, welchen Problemen er als Autor in verschiedenen Sprachen und bei Übersetzungen begegnete und wie er schließlich, mit den Ansichten der Natur, den Ideen zu einer Geographie der Pflanzen und vor allem mit dem Kosmos seinen Ruhm als deutscher Nationalautor zu begründen suchte. Bis zuletzt blieb der prominente Kosmopolit den Traditionen der deutschen Aufklärung und Weimarer Klassik verpflichtet. Seine Bücher faszinieren bis heute, weil er versuchte, empirische Naturforschung und idealistische Bildung zu vereinbaren und bei aller Spezialisierung des Wissens die Natur als Ganzes zu fassen. Hinter diesen heroischen Versuchen – so macht das Buch plausibel – steht viel mehr als ein gedanklicher Entwurf, nämlich die unermüdliche literarische Praxis und die professionelle Arbeit eines „gelehrten Schriftstellers“, als der Humboldt sich zeitlebens verstand.