Die Marchtaler Fälschungen
Das Prämonstratenserstift Marchtal im politischen Kräftespiel (1171–1312)
Wilfried Schöntag
Das Prämonstratenserstift Marchtal, 1171 von Pfalzgraf Hugo II. von Tübingen gegründet, lag in einem Raum, in dem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts heftige territorialpolitische Auseinandersetzungen stattfanden. Die Untersuchung der „Marchtaler Fälschungen“ erschließt neue Quellen, die die Auseinandersetzungen von Bischof Heinrich II. von Konstanz und seinen Vorgängern mit den entlang der Donau vordringenden Habsburgern beleuchten. Graf Wilhelm von Tübingen-Böblingen-Asperg, Herr des Tübinger Eigenstifts, hatte seinen Tätigkeitsschwerpunkt in die ihm bei der Erbteilung zugefallene Herrschaft Gießen verlagert. Er verpfändete den Bischöfen das Stift Marchtal, das weder er noch seine Söhne auslösen konnten. Marchtal, nun Konstanzer Eigenstift, wurde territorialer Stützpunkt in einen Gebiet mit altem hochstiftischen Besitz, der erweitert werden sollte. Die Ausweitung der Marchtaler Rechte und deren Verteidigung gegenüber Habsburger Ansprüchen führten zu einer außergewöhnlich umfangreichen Fälschungsaktion von Urkunden und Siegeln. Nach dem Bischofswechsel von 1206 führten die Prämonstratenser die Fälschungen fort, um sich, zumindest teilweise, von der Gewalt des Eigenkirchenherrn zu lösen. Erstmals wird eine gründliche Untersuchung der Marchtaler Fälschungen vorgelegt und in den Kontext der Kirchen- und Landesgeschichte gestellt.