Gesänge der Stille
Musik in der Literatur
Oliver Voß
Musik in der Literatur erfreut sich bei Literatur-Wissenschaftlernwie Laien eines regen Interesses. Desto mehr erstaunt esmit welcher Unsicherheit sich diesem interdisziplinären Themaimmer wieder genähert wird. Bei welchen Phänomenen essich um musikalische Literatur handelt, darüber sind sichselbst die Wissenschaftler uneinig.Dieses Buch bietet einen neuen Blick auf Musik in der Literatur,indem es den Leser und Hörer als Subjekt betont. DerRezipient wird zum aktiven Interpreten, der an der lautendenSeite der Textkomposition Teil hat. Und aus dieser Perspektiveführt der Autor seine Leser durch die untersuchten Texte undderen Musik.In seiner Untersuchung der Musik in der Literatur hat Voß dieThematik der Sirenengesänge ausgewählt, weil diese seitHomer als Verbindung von Musik und Text schriftlich fixiertsind.Dem antiken Gesang der Sirenen in Homers ODYSSEE, werdenzwei Variationen desselben aus dem 20. Jahrhundert entgegengestellt.Kafkas SCHWEIGEN DER SIRENEN und Joyces Sirenenepisodedes ULYSSES spannen den Bogen zwischen denExtremen des Verstummens und der musikalischen Beredsamkeit.Die Analogien dieses Textklangs zur modernen MusiqueConcrète, zur Lautpoesie, zur konkreten Poesie im Allgemeinen,zur Stimmkunst usw. die Voß aufzeigt, sind gerade auchaufgrund ihrer Interdisziplinarität überzeugend. Er untersuchtsie als Kenner der neuesten Entwicklungen jener Literatur, diein Musik und jener Musik, die in Literatur übergeht. So eröffnetder Autor nebenbei ein neues Kapitel der literaturwissenschaftlichenForschung, die (mit wenigen Ausnahmen) dieneueren Gattungen wie Klangkunst, Akustische Kunst, Stimmkunst,Soundscapes usw. bislang den Musikwissenschaftlernüberlassen hat.Dieses Buch zeigt präzise, dass musikalisch komponierterText Musik nicht mehr nur zum Gegenstand hat, sonderndurch Musik ‚kontaminierte’ Literatur ist.