Die Datscha
600 m² Glück
Evgeny Makarov, Lew Rubinstein, Rosemarie Tietze
Im Sommer 2015 reist der Fotograf Evgeny Makarov nach Orekhovo, einer Siedlung
in der Leningrader Oblast bei St. Petersburg. Es ist der Ort, an dem er die Sommer
seiner Kindheit auf der Datscha seiner Großeltern verbrachte. »Nachdem ich irgendwann im Erwachsenenalter die Verbindung dahin verloren hatte, wollte ich immer
zurückkehren und sehen, wie es dort nun ist und ob es sich noch mit dem Bild aus
meiner Kindheit deckt«, so Makarov. In einfühlsamen und zugleich schonungslos
ehrlichen Aufnahmen entführt er uns in die Welt der Sommer- und Wochenendhäuser
der Russen und zeigt uns, dass die Datscha kein russischer Mythos ist, sondern
gelebte Wirklichkeit.
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Datscha stammt aus dem 18. Jahrhundert
und war eine »vom Zaren zugeteilte Gabe an Grund und Boden«. Im Laufe der Zeit –
nach der Oktoberrevolution und im Zuge der Verstädterung des 20. Jahrhunderts –
avancierte die Datscha immer mehr zum Freiheitssymbol des kleinen Mannes, denn
ein Grundstück mit Datscha bedeutete in den »Zeiten der Sowjetunion, als das Leben
besonders streng durchnormiert war, einen informellen Rückzugsort, in dem andere
Regeln galten«. Der Zuschnitt einer Datscha wurde in den 90er-Jahren einheitlich
geregelt und betrug 600 m² Land. Bis heute entfliehen mehr als drei Viertel der russischen Großstädter an den Wochenenden von Mai bis Oktober in ihre kleinen Erholungsoasen am Stadtrand. Die Datscha ist »bis heute ein Ruhepol des gesellschaftlichen Lebens – und das wird auch so bleiben«, sagt Makarov. Und lädt uns mit seinen Fotografien in diesen wesentlichen Bestandteil des russischen Lifestyles ein.