Studien zur Volkskunde Südosteuropas und des mediterranen Raums
Walter Puchner
Mit den vorliegenden 24 Studien zu einer Vergleichenden Volkskunde Südosteuropas und des mediterranen Raums wird ein repräsentatives Kaleidoskop von Themen und Methoden regional-, sprach- und konfessionsübergreifender Kulturforschung in historischer-vertikaler und geographisch-horizontaler Komparation geboten. Die mehrschichtige Kulturanalyse, die je nach Themenstellung ein unterschiedliches Methodenspektrum zur Anwendung zu bringen hat, nimmt interdisziplinären Charakter an und greift vielfach in Nachbarwissenschaften, die von der Kultur- und Sozialanthropologie bzw. Ethnologie, über Alterssoziologie, Rollentheorie, Sozialpsychologie bis zur Historiographie, Sprachwissenschaft, Theologie, Kunstgeschichte, Kulturgeschichte, Ikonen- und Bildforschung, Brauchforschung Gebärdenforschung, oralen Autobiographie, Literatur- und Theatergeschichte, Ideologiekritik usw. reichen. Die Studien umfassen Brauch- und Festkultur, Maskenforschung, populare Erzähl- und Lesestoffe, Ikonographie und Dämonologie, Wahlbruderschaften, traditionelle Tierquälerei, orale Autobiographien, Ideologiekritik, Inszenierung von Gefühlsleben, Körpersprache und vieles mehr. Die 14 Studien des ersten Abschnittes sind der Komparation im genannten Kulturraum gewidmet, die übrigen 10 betreffen in spezifischerem Sinne Griechenland. Damit stellt der vorliegende Band einen gewichtigen Beitrag zur komparativen “Ethnologia Europaea” dar, und ist überdies dem ältesten Teil der europäischen Kultur gewidmet, welcher heute allerdings aufgrund historischer und gegenwärtiger Ereignisse und Prämissen aus dem “Kanon” der Euro-Zentrik herausfällt. Nach dem Fall aller Vorhänge und dem Fortschreiten der Vereinigung Europas sind allerdings noch nicht die entsprechenden Vorurteile gefallen und das Wissensdefizit ist nicht im geringsten abgebaut. Der balkan-mediterrane Raum gilt nach wie vor als kognitive terra incognita, in der sich pejorative Heterostereotypen, politische Fehleinschätzungen, mentalitäres Unverständnis usw. breitmachen; Spannungen und Auseinandersetzungen in diesen Gebieten führen zwar zu einer Flut journalistischer und populärwissenschaftlicher Publikationen, die jedoch im besten Fall den Ansprüchen der Vitrine einer political correctness genügen, aber wenig zu einem tieferen Verständnis dieses “anderen” Europa beitragen. Zu diesem Verständnis trägt der vorliegende Band in hohem Ausmaße bei und in faszinierender Vielfalt wird eine breite Palette von Volkskulturen und Einzelphänomenen vorgestellt, analysiert und in historischem, geographischem und thematischem Vergleich weiterverfolgt.