Wasser wird Licht
Lyrik als Brücke auf dem mühsamen Weg zur inneren Mitte
Liesel Solscheid
Das vorliegende lyrische Werk beschreibt den Prozess einer Selbst-Werdung, in diesen Verlauf sich das eigene Bewusstsein in seiner Individualität bzw. der Unterschiedenheit von anderen zunehmend verfestigt. Individuation ist das Gegenstück zur fernöstlichen Persönlichkeitsentwicklung; mit dem Unterschied, dass man sich nicht in einer vorgefertigten Religion befindet, sondern völlig frei schwebt und sein eigenes „Haus“ baut, in dem man innerlich wohnt. Hierzu ist es erforderlich, den Mut zu haben sich nicht in vorgefertigte „Häuser“ zu begeben, sondern seinen eigenen Gedanken und Gefühlen freien Lauf lässt und so sein „Haus“ entstehen lässt. Lebt man in seinem Selbst, kann man die Türen und Fenster zur Welt hin öffnen und alles ein und ausfließen lassen ohne daran zu zerbrechen. Dies bedeutet nicht das bloße Ausleben seiner Ichbezogenheit, sondern es geht um den ganzen Menschen, der ein moralisches Empfinden hat und dadurch auch das Andere in seine Überlegungen einbezieht. Der ‚Beginn einer langen Reise‘, wie der Werdegang auf dem Titelblatt bezeichnet wird, ist der Beginn einer weiblichen Philosophie, die sich aus dem individuellen Erleben entwickelt und immer tiefer aus sich heraus entfaltet. Bei der zunehmenden Vermassung des Geistes, mit seinem Ausdruck im Ich, wird der Mut zur Individuation, „der Kunst am Ich“ und damit zum selbständigen Leben und Denken immer notwendiger. Das Geschriebene soll den Leser ermutigen seinen Weg und seine eigenen Erkenntnisse zu finden. So ist es doch meist die Kunst, die dem Menschen einen gewissen Freiraum zur Selbstäußerung ermöglicht. Nur das hier die Selbstäußerung notwendig mit Selbsterkenntnis verbunden ist und diese Erkenntnis ist es auch, die den Einzelnen von seiner aufgesetzten Maske befreit. Denn er erkennt nun, wer er wirklich ist, mit all seinen guten und schlechten Eigenschaften. Im Gegensatz zu dem, der er durch das Annehmen von äußeren als erstrebenswert auferlegten Vorgaben der Masse (sein „falsches Ich“), gerne sein wollte oder musste.