Das Verstehen idiomatischer Phraseologismen in der Fremdsprache Deutsch
Erla Hallsteinsdóttir
Die Autorin greift in dieser Arbeit Fragestellungen der letzten Jahren aktuell gewordenen kognitivbasierten Sprachwissenschaft auf und stellt ihre Arbeit interdiziplinär in den Schnittpunkt mehrerer Forschungsfelder: sie bearbeitet ihr Thema vor dem Hintergrund der Phraseologieforschung, der Übersetzungswissenschaft, der Sprachverarbeitungsforschung sowie der Phraseodidaktik. Ihr Ziel ist es, mittels der Daten einer empirischen Untersuchung die Faktoren zu erfassen, die das Verstehen idiomatischer Phraseologismen (Phraseologie im engeren Sinne) in der Fremdsprache Deutsch beeinflussen, sowie die beim Verstehen eingesetzten Strategien zu ermitteln, zu beschreiben und zu klassifizieren. Nach einer kurzen Einführung in die in der Phraseologieforschung und der Diskussion der aktuellen theoretischen Ansätze zum Verstehen von Phraseologismen werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt. Die Materialgrundlage bilden 25 teil- und vollidiomatische deutsche und 2 wörtlich übersetzte isländische Phraseologismen, die Probanden der Muttersprachen Isländisch (106), Englisch (19) und Deutsch (41) als Paraphrasierungsaufgabe in einer Fragebogenstudie vorgelegt wurden. Die Auswertung der Angaben der Probanden erfolgt auf zweierlei Art und Weise: (1) Unter Berücksichtigung der Auswahlkriterien der Phraseologismen (Idiomatizität, Äquivalenzbeziehungen) wird die Relevanz der muttersprachlichen Phraseologie nachgewiesen und die Rolle des Bekanntheitsgrads, der Bedeutung der einzelnen Komponenten der Phraseologismen sowie der Einfluss der im Kontext enthaltenen Bedeutungsinformationen dargestellt. Ausserdem wird die Relation dieser Aspekte zur Richtigkeit der Bedeutung herausgearbeitet. (2) Vorhandene Untersuchungen zum Verstehen muttersprachlicher Phraseologismen und theoretische Auffassungen der Beschaffenheit der phraseologischen Bedeutung (Motiviertheit/Motivierbarkeit, Transparenz, Bildhaftigkeit) bilden den Rahmen für die Entwicklung einer Typologie der von den Probanden verwendeten Verstehensstrategien. Die Strategien werden am Beispiel einzelner Bedeutungsparaphrasen klassifiziert und beschrieben. Zusätzlich erfolgt eine Analyse der Ursachen für Verstehensfehler und für das Nichtverstehen der Phraseologismen. Die Autorin liefert mit ihrer Dissertation empirisch gestützte Ergebnisse, die dazu beitragen, ein erhebliches Forschungsdefizit in der Phraseologie abzubauen. Ihre Arbeit gewährt leicht nachvollziehbare und mit einer grossen Vielfalt von Beispielen erläuterte Einblicke in die Vorgänge beim Verstehen fremdsprachlicher Phraseologismen. Ausserdem leistet die Autorin einen wichtigen Beitrag zur kontrastiven Erschliessung des kaum erforschten Sprachenpaares Isländisch-Deutsch.