Die Neue Deutsche Biographie (NDB) informiert in prägnanten, wissenschaftlich fundierten Artikeln über bedeutende Persönlichkeiten des deutschen Sprachraums vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Aufgenommen sind verstorbene Personen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens wie Politik und Religion, Wirtschaft und Technik, Wissenschaft, Kunst und Kultur. Für den deutschsprachigen Raum stellt die NDB das maßgebliche biographische Lexikon dar. Sie wird - wie ihre Vorgängerin, die 1873-1912 in 56 Bänden erschienene Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) - von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgegeben, erscheint seit 1953 und ist auf insgesamt 28 Bände angelegt. Die vorliegenden 24 Bände umfassen den alphabetischen Bereich Aachen-Stader und enthalten mehr als 21.500 Artikel zu Einzelpersonen und Familien.
Die NDB publiziert ausschließlich Originalbeiträge, die - von etwa 10.000 Fachleuten verschiedener Disziplinen verfaßt und namentlich gezeichnet - den jeweiligen Stand der Forschung repräsentieren. Die Artikel folgen einer Systematik, die neben der Darstellung und historischen Einordnung von Leben und Werk regelmäßig Angaben vorsieht u. a. zu Namensvarianten, zur Genealogie, zu den wichtigsten Werken und Sekundärliteratur sowie zu Quellen und Porträts.
Das Register zum 24. Band verzeichnet auch in früheren Bänden enthaltene Artikel für den alphabetischen Bereich Schwarz - Stader. Das digitale Gesamtregister zur ADB und NDB auf CD-ROM erweitert durch einen schnellen, komfortablen Zugriff auf mehr als 93.000 Namen in nahezu 48.000 Artikeln der ADB und NDB die Abfrage- und Analysemöglichkeiten.
Die von der NDB-Redaktion systematisch aufgebaute und kontinuierlich erweiterte biographische Dokumentation umfasst inzwischen rund 150.000 Namen. Aus diesen wählen die verantwortlichen Fachredakteure diejenigen Personen aus, die in Artikeln berücksichtigt werden sollen, suchen qualifizierte Autorinnen und Autoren und betreuen die Texte bis zur Drucklegung.
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Textproben:
Siemens (z. T. engl. Adel 1883, preuß. Adel 1888 u. 1899, russ. Adel 1895), Erfinder, Unternehmer. (ev.)
Der 1384 in Goslar mit Hennyng Symons erstmals und mit dem Stammvater Ananias Symens (um 1538-91) seit 1563 lückenlos dokumentierten Familie S. entstammte eine große Anzahl von Nachkommen, die in Handwerk und Verwaltung, in Wirtschaft und Kultur, als Händler und Kaufleute, im Berg- und Hüttenwesen, in der Rechtswissenschaft und anderen gelehrten Berufen, aber auch in der Landwirtschaft und im 19. Jh. als Erfinder, Techniker und Unternehmer sowie im Bankfach an führender Stelle tätig waren. Zahlreiche weitere im norddt. Raum von Holland bis nach Ostpreußen ansässige S.-Sippen besitzen keine sichtbare Verbindung zu dem Goslarer Familienzweig. Aus dem Raum Danzig emigrierten S.-Familien mennonit. Glaubens im 19. Jh. zunächst nach Rußland und im Verlauf der 1920er Jahre nach Paraguay, in die USA und nach Kanada. [...]
1) Ernst Werner v. S.((h'fett)) (preuß. Adel 1888), Erfinder, Techniker, Unternehmer, Mitbegründer der Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske, * 13.12.1816 Lenthe b. Hannover, +((+)) 6.12.1892 Charlottenburg b. Berlin, Grabstätte ebenda, Alter Luisenfriedhof, seit 1922 Waldfriedhof Stahnsdorf b. Berlin. [...]
Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation seiner Eltern zunächst von seiner Großmutter und seinem Vater unterrichtet, besuchte S. seit 1827 die Bürgerschule in Schönberg (Meckl.), erhielt 1829 erneut Privatunterricht und wechselte 1832 in die Obertertia des Lübecker Katharineums, das er 1834 ohne Abschluß verließ. S. bewarb sich bei der preuß. Armee, um über den Militärdienst Zugang zu einer ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung zu erlangen. Nach der Aufnahme in das Magdeburger Artilleriekorps wurde er 1835 an die Berliner Artillerie- und Ingenieurschule abkommandiert, wo er eine dreijährige Ausbildung absolvierte. Nach dem Tod der Eltern übernahm S. die Erziehung und Ausbildung seiner minderjährigen Geschwister. Er setzte sich intensiv mit technischen Fragen auseinander und erhielt 1842 sein erstes preuß. Patent für ein Verfahren zur galvanoplastischen Vergoldung, das er mit Hilfe seines Bruders William 1843 in England erfolgreich vermarktete.
Überzeugt vom technischen und wirtschaftlichen Potential der elektrischen Telegraphie konzentrierte sich S. auf die Verbesserung des Wheatstoneschen Zeigertelegraphen. 1847 konstruierte er ein allen bisher gebräuchlichen Apparaten überlegenes Modell. Mit dieser Erfindung war der Grundstein für die "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske" (S & H) gelegt, die S. im Okt. 1847 mit dem Universitätsmechaniker Johann Georg Halske (1814-90) in Berlin gründete. Dieser brachte seine praktische Erfahrung in der Leitung und Organisation eines Handwerksbetriebs, S. seine Patente (Verfahren, Gold behufs d. Vergoldung auf nassem Weg vermittelst d. galvan. Stromes aufzulösen, preuß. Patent 1842; Eine neue Art elektr. Telegraphen u. damit verbundene Vorrichtung z. Drucken d. Depeschen, preuß. Patent 1847) in die Firma ein. Das Startkapital stammte von Werners Vetter, dem Justizrat Johann Georg Siemens (1805-79). In kurzer Zeit entwickelte sich S & H von einer kleinen feinmechanischen Werkstätte für Eisenbahn-Läutewerke, Wassermesser, Guttapercha-Drahtisolierungen und v. a. für Telegraphen zu einem international führenden Elektrounternehmen. Den ersten, mit hohem Prestigewert verbundenen staatlichen Großauftrag erhielt S & H 1848 für den Bau einer Telegraphenlinie zwischen Berlin und Frankfurt/Main. Da die Zusammenarbeit mit der preuß. Telegraphenverwaltung 1851 endete, geriet das junge Unternehmen in eine Krise, die es durch die konsequente Erschließung ausländischer Märkte überwand. S & H erhielt 1851 den Auftrag zur Errichtung des russ. Telegraphennetzes, das unter der Leitung von S.s jüngerem Bruder Carl von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer gebaut wurde. Daneben entwickelte sich das Engagement in England zur zweiten wichtigen Stütze. Hier gelang S.s Bruder William mit der Herstellung und Verlegung telegraphischer Seekabel der Durchbruch.
[...] Seit 1866 wurden Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter mit einer "Inventurprämie" belohnt. Mehr als ein Jahrzehnt vor der gesetzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung rief S. 1872 eine Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für die betriebliche Altersversorgung ins Leben. 1890 schied er offiziell aus dem Unternehmen aus, übte jedoch bis zu seinem Tod 1892 bestimmenden Einfluß aus. Als Abgeordneter der Dt. Fortschrittspartei gehörte S. 1862-66 dem Preuß. Landtag an. 1877 wurde er Mitglied des Reichspatentamts, 1879 beteiligte er sich an der Gründung des "Elektrotechnischen Vereins" zur Förderung von elektrotechnischen Lehrstühlen an Technischen Hochschulen. Als Mäzen betätigte sich S. 1887 auch an der Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. [...]
Wilfried Feldenkirchen
Sophie((h'fett)) (auch Offney) von Wittelsbach, Königin von Böhmen, * wohl 1376, +((+)) 4.11.1428 Preßburg, Grabstätte ebenda, Dom (nicht erhalten).
V Johann II., Hzg. v. Bayern (um 1341-97), S d. Stephan II., Hzg. v. Bayern (um 1313/19-75, s. ADB 36; LexMA), u. d. Isabella v. Sizilien (um 1309-49); M Katharina (+((+)) 1391), T d. Meinhard VII., Gf. v. Görz (um 1325-85, s. NDB 16); B Ernst, Hzg. v. Bayern (1373-1438, s. NDB IV), Wilhelm III., Hzg. v. Bayern (1375-1435, s. ADB 42); - Heirat 1389 Wenzel (1361-1419, Heirat 1] Johanna von Bayern, +((+)) 1386), seit 1363 als Wenzel IV. Kg. v. Böhmen, 1376-1400 röm.-dt. Kg. (s. ADB 41; LexMA), S d. Ks. Karl IV. (1316-78, s. NDB XI); kinderlos; Schwager Sigismund v. Luxemburg (1368-1437), seit 1387 Kg. v. Ungarn, seit 1410 röm.-dt. Kg., seit 1433 Ks. (s. NDB 24).
Mit der Wahl seiner zweiten Ehefrau S. hatte sich Kg. Wenzel nach dem Tod Johannas von Bayern (+((+)) 1386) wiederum für eine Verbindung mit den Wittelsbachern entschieden. S. wurde 1400 in Prag zur böhm. Königin gekrönt. Ihre Krönung zur dt. Königin läßt sich quellenmäßig nicht belegen.
Mit S.s Person verbunden ist die Überlieferung von der Wahrung ihres Beichtgeheimnisses durch Johannes von Nepomuk (+((+)) 1393). Die Hintergründe der Ermordung des ebfl. Generalvikars 1393 sind jedoch eher in der Auseinandersetzung zwischen Ebf. Johann v. Jenstein und Wenzel zu suchen, die ihren Höhepunkt erreichte, als der Erzbischof das königliche Projekt der Errichtung eines neuen Bistums in Westböhmen zum Scheitern brachte. Von einer Verwicklung S.s in diese Vorgänge wissen zeitgenössische Quellen nichts.
Sicher belegt hingegen ist S.s Teilnahme an den Predigten des Jan Hus in der Prager Bethlehemskapelle. Nachdem 1410 über Hus der Kirchenbann verhängt worden war, setzte sie sich bei der Kurie - unter Hinweis auf die Gefahr eines Aufruhrs in der Bevölkerung - für die Aufhebung des Predigtverbotes ein. Nach seiner Ladung vor das Konstanzer Konzil 1414 hat S. Hus nicht mehr offiziell unterstützt. Chronikalische Nachrichten (Hans Ebran v. Wildenberg; Ulrich Füetrer) über Vorhaltungen ihres Bruders Ernst deuten aber darauf hin, daß sie der Reformbewegung verbunden blieb.
Im Juli 1419 entlud sich der innerhalb der böhm. Gesellschaft angestaute Konfliktstoff im Sturm auf das Rathaus der Prager Neustadt. Dieses Ereignis und die Aufforderung des päpstlichen Nuntius Fernando von Lucca, sich binnen 30 Tagen gegen den Verdacht der Unterstützung von Ketzern zu verantworten, haben S. wohl veranlaßt, sich von der neuen Bewegung loszusagen und wieder der kath. Kirche zuzuwenden. Nach Wenzels Tod am 16. Aug. übernahm sie die Regentschaft und versuchte, einen Bürgerkrieg durch eine Landfriedenseinung zu vermeiden. Im Nov. mußte sie aus Prag fliehen und einen Waffenstillstand abschließen; im Dez. wurde sie von ihrem Schwager Sigmund abgesetzt. Dieser räumte ihr Preßburg als Witwensitz ein, kam seinen Zahlungsverpflichtungen jedoch nur unzureichend nach. Die Interventionen der Brüder vermochten S., die eine geschickte Verwalterin ihres Besitzes war, nicht zu helfen. Auch als ihre Testamentsvollstrecker konnten die bayer. Herzöge S.s Verfügungen nur in dem von Sigmund vorgegebenen Rahmen erfüllen.
Qu Bayer. HStA, Geh. Hausarchiv, Korr.akten 543; - F. M. Pelzel (Pelcl), Lebensgesch. d. Röm. u. Böhm. Kg. Wenceslaus 1, Urk.b., 1788, S. 119, Nr. 90, ebd. 2, Urk.b., 1790, S. 62 f., Nr. 168; F. Palacky, Documenta Mag. Ioannis Hus vitam, doctrinam, causam in Constantiensi concilio actam et controversias de religione in Bohemia annis 1403-1418 motas, 1869 (Neudr. 1966), S. 765; Regg. Imp. XI, Die Urkk. Ks. Sigmunds (1410-1437), 1 u. 2 (S. 471), bearb. v. W. Altmann, 1896/97 u. 1897/1900; Des Rr. Hans Ebran v. Wildenberg Chronik v. d. Fürsten aus Bayern, 1905, S. 145.
L Th. Krzenck, S. v. W., e. Böhmenkgn. im SpätMA, in: Fürstinnen u. Städterinnen, Frauen im MA, hg. v. G. Beyreuther, B. Pätzold u. E. Uitz, 1993, S. 65-87 (grundlegend, mit Aufarb. d. tschech. L); F. Seibt (Hg.), Jan Hus (Vortrr. d. internat. Symposions in Bayreuth v. 22.-26. Sept. 1993), 1997; A. Fössel, Die Kgn. im ma. Reich, 2000, S. 39 f.
Gabriele Schlütter-Schindler
Spear,((h'fett)) Spielefabrikanten in Nürnberg und Enfield (Middlesex, Großbritannien).
Aus einer mittellosen Familie hess. Landjuden stammend, wanderte Jacob Wolf Spier (1832-93) 1852 in die USA aus, wo sein Name zu "Spear" anglisiert wurde. 1857 heiratete er in Hartford (Conn.) Sophie Rindskopf (1836-1904). Aus der Ehe gingen zehn Kinder hervor. 1861 nach Deutschland zurückgekehrt, wurde Jacob Wolf nach einem kurzen Aufenthalt in Fürth Geschäftsführer einer Holzwarenfabrik in Reckendorf bei Bamberg. Seit 1869 war er Teilhaber zweier Spielzeugfirmen (Handel u. Produktion) in Sonneberg. 1878 gründete Jacob Wolf eine Importfirma für Kurzwaren in London, die bis 1889 bestand. Unter dem Namen "J. W. Spear" erfolgte 1879 die Gründung eines Import- und Exportgeschäfts für Kurzwaren mit eigenem Fabrikbetrieb in Fürth. Nach dem Eintritt der ältesten Söhne Ralph (1858-1929) und Joseph (1860-1942) wurde das Unternehmen 1885 in "J. W. Spear & Söhne" umbenannt. Zum frühen Sortiment zählten Schreibwaren, Gebrauchsartikel aus Papier und Pappe, v. a. aber Domino-, Würfel-, Lotto-, Schach- und Damespiele sowie Spielemagazine, die im In- und Ausland Absatz fanden. Zwei folgenreiche Fabrikbrände und heftige, zum Teil antisemitisch begründete Anfeindungen trieben Jacob Wolf 1893 in den Freitod. Die Witwe und die jüngeren Söhne Carl (1864-1938) und Wilhelm (1867-1940) führten die Firma fort, deren Sitz mit dem Bau einer neuen Fabrik 1899 nach Nürnberg-Doos verlegt wurde. Das Unternehmen expandierte in der Folgezeit rasch. Verkaufsschlager waren unterhaltsame Geschicklichkeitsspiele wie "Die fliegenden Hüte" und "Das magnetische Angelspiel" sowie Tischtennissets. Bis zum 1. Weltkrieg nahm auch das Segment der Beschäftigungsspiele (Puzzles, Lege-, Mal- und Flechtspiele etc.) kontinuierlich zu. [...]
Helmut Schwarz