Literatur ist kein »fast food«: Bücher sind keine Hamburger, die sich mal eben schnell im Vorbeigehen verschlingen lassen. Deshalb lohne es sich, gute Texte wieder und wieder zu lesen, schreibt Juan Goytisolo. In den Werken des spanischen Schriftstellers findet sich daher eine Vielzahl von Verweisen zu dessen eigenen Lektüren. In seiner sogenannten grotesken Autobiographie »Paisajes después de la batalla« (»Landschaften nach der Schlacht«) aus dem Jahr 1982 treibt er diese Praxis auf die Spitze. Grund genug, ein gutes Vierteljahrhundert nach Erscheinen des Romans einen frischen Blick auf diese Erzählung zu werfen – und sie neu in die Entwicklung von Goytisolos Gesamtwerk einzuordnen.
Der Roman gleicht einem urbanen Ruinenfeld. Denn dem seit Jahrzehnten zwischen Paris und Marrakesch lebenden, zwischen dem christlichen Abendland und der islamischen Welt pendelnden Spanier geht es darin um zivilisatorische Desintegrations- und Evolutionsprozesse, die er am Modell des Pariser Viertels Sentier-Barbès-Bonne Nouvelle in Szene setzt. Schon in den siebziger Jahren wurde dieser Stadtteil von Migranten islamischen Glaubens, insbesondere aus maghrebinischen, arabischen und vorderasiatischen Ländern geprägt. Es entstand damit ein anthropologisch faszinierender Raum kultureller Kontraste, den Juan Goytisolo sich während seines Exils fern der Franco-Diktatur als Wahlheimat auserkoren hatte – und als Schauplatz seiner Gesellschaftssatire in »Paisajes después de la batalla«.
Franziska Bossy folgt dem Stadtnomaden Juan Goytisolo in diese literarische Metropole. In ihrer Studie zeigt sie, wie sich das textuelle Referenzsystem des fragmentarischen Romans entschlüsseln lässt: Es bildet eine Analogie zur immer nur bruchstückhaften Wahrnehmung der komplexen Großstadt-Architektur. In diesem Sinne untersucht die Autorin die zirkuläre Erzählung mit Hilfe von raumtheoretischen Lektürestrategien sowie weiterführenden Methoden der Stadtsemiotik und -rhetorik, die formell an Roland Barthes, Umberto Eco, Jurij Lotman und Homi K. Bhabha anschließen. Nicht zuletzt bietet die akribische Analyse von Juan Goytisolos einzig wahrem Stadtroman Interpretationshilfen, die eingedenk bisheriger Forschungsarbeiten neues Licht auf den Text werfen. Im Verlauf dieser Re-Lektüre wird deutlich, dass »Paisajes después de la batalla« aus heutiger Sicht ohne Übertreibung als ein Schlüsselwerk der spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden kann.
Aktualisiert: 2023-06-15
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Literatur ist kein »fast food«: Bücher sind keine Hamburger, die sich mal eben schnell im Vorbeigehen verschlingen lassen. Deshalb lohne es sich, gute Texte wieder und wieder zu lesen, schreibt Juan Goytisolo. In den Werken des spanischen Schriftstellers findet sich daher eine Vielzahl von Verweisen zu dessen eigenen Lektüren. In seiner sogenannten grotesken Autobiographie »Paisajes después de la batalla« (»Landschaften nach der Schlacht«) aus dem Jahr 1982 treibt er diese Praxis auf die Spitze. Grund genug, ein gutes Vierteljahrhundert nach Erscheinen des Romans einen frischen Blick auf diese Erzählung zu werfen – und sie neu in die Entwicklung von Goytisolos Gesamtwerk einzuordnen.
Der Roman gleicht einem urbanen Ruinenfeld. Denn dem seit Jahrzehnten zwischen Paris und Marrakesch lebenden, zwischen dem christlichen Abendland und der islamischen Welt pendelnden Spanier geht es darin um zivilisatorische Desintegrations- und Evolutionsprozesse, die er am Modell des Pariser Viertels Sentier-Barbès-Bonne Nouvelle in Szene setzt. Schon in den siebziger Jahren wurde dieser Stadtteil von Migranten islamischen Glaubens, insbesondere aus maghrebinischen, arabischen und vorderasiatischen Ländern geprägt. Es entstand damit ein anthropologisch faszinierender Raum kultureller Kontraste, den Juan Goytisolo sich während seines Exils fern der Franco-Diktatur als Wahlheimat auserkoren hatte – und als Schauplatz seiner Gesellschaftssatire in »Paisajes después de la batalla«.
Franziska Bossy folgt dem Stadtnomaden Juan Goytisolo in diese literarische Metropole. In ihrer Studie zeigt sie, wie sich das textuelle Referenzsystem des fragmentarischen Romans entschlüsseln lässt: Es bildet eine Analogie zur immer nur bruchstückhaften Wahrnehmung der komplexen Großstadt-Architektur. In diesem Sinne untersucht die Autorin die zirkuläre Erzählung mit Hilfe von raumtheoretischen Lektürestrategien sowie weiterführenden Methoden der Stadtsemiotik und -rhetorik, die formell an Roland Barthes, Umberto Eco, Jurij Lotman und Homi K. Bhabha anschließen. Nicht zuletzt bietet die akribische Analyse von Juan Goytisolos einzig wahrem Stadtroman Interpretationshilfen, die eingedenk bisheriger Forschungsarbeiten neues Licht auf den Text werfen. Im Verlauf dieser Re-Lektüre wird deutlich, dass »Paisajes después de la batalla« aus heutiger Sicht ohne Übertreibung als ein Schlüsselwerk der spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden kann.
Aktualisiert: 2023-05-15
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Literatur ist kein »fast food«: Bücher sind keine Hamburger, die sich mal eben schnell im Vorbeigehen verschlingen lassen. Deshalb lohne es sich, gute Texte wieder und wieder zu lesen, schreibt Juan Goytisolo. In den Werken des spanischen Schriftstellers findet sich daher eine Vielzahl von Verweisen zu dessen eigenen Lektüren. In seiner sogenannten grotesken Autobiographie »Paisajes después de la batalla« (»Landschaften nach der Schlacht«) aus dem Jahr 1982 treibt er diese Praxis auf die Spitze. Grund genug, ein gutes Vierteljahrhundert nach Erscheinen des Romans einen frischen Blick auf diese Erzählung zu werfen – und sie neu in die Entwicklung von Goytisolos Gesamtwerk einzuordnen.
Der Roman gleicht einem urbanen Ruinenfeld. Denn dem seit Jahrzehnten zwischen Paris und Marrakesch lebenden, zwischen dem christlichen Abendland und der islamischen Welt pendelnden Spanier geht es darin um zivilisatorische Desintegrations- und Evolutionsprozesse, die er am Modell des Pariser Viertels Sentier-Barbès-Bonne Nouvelle in Szene setzt. Schon in den siebziger Jahren wurde dieser Stadtteil von Migranten islamischen Glaubens, insbesondere aus maghrebinischen, arabischen und vorderasiatischen Ländern geprägt. Es entstand damit ein anthropologisch faszinierender Raum kultureller Kontraste, den Juan Goytisolo sich während seines Exils fern der Franco-Diktatur als Wahlheimat auserkoren hatte – und als Schauplatz seiner Gesellschaftssatire in »Paisajes después de la batalla«.
Franziska Bossy folgt dem Stadtnomaden Juan Goytisolo in diese literarische Metropole. In ihrer Studie zeigt sie, wie sich das textuelle Referenzsystem des fragmentarischen Romans entschlüsseln lässt: Es bildet eine Analogie zur immer nur bruchstückhaften Wahrnehmung der komplexen Großstadt-Architektur. In diesem Sinne untersucht die Autorin die zirkuläre Erzählung mit Hilfe von raumtheoretischen Lektürestrategien sowie weiterführenden Methoden der Stadtsemiotik und -rhetorik, die formell an Roland Barthes, Umberto Eco, Jurij Lotman und Homi K. Bhabha anschließen. Nicht zuletzt bietet die akribische Analyse von Juan Goytisolos einzig wahrem Stadtroman Interpretationshilfen, die eingedenk bisheriger Forschungsarbeiten neues Licht auf den Text werfen. Im Verlauf dieser Re-Lektüre wird deutlich, dass »Paisajes después de la batalla« aus heutiger Sicht ohne Übertreibung als ein Schlüsselwerk der spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden kann.
Aktualisiert: 2023-04-15
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