Das Wort „Menschenrechte“ oder „Rights of Men“ oder „fundamental Rights“ wird in der Welt viel verwendet. So begründete unser Bundespräsident Gauck seine Absage der Teilnahme an den Eröffnungsfeierlichkeiten der olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi damit, dass in Russland die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Für unser Thema „Menschenrechte statt Extremismus“ ist die UN-Menschenrechtserklärung vom 10.12.1948 zugrunde gelegt worden. Diese UN-Resolution ist nur unter dem Druck einiger französischer Intellektueller, wie z.B. Camus und Sartre, sowie der Amerikaner Garry Davis und Eleonor Roosevelt, auf die Tagesordnung der UNO-Vollversammlung gesetzt worden, die damals in Paris tagte. Ihre Motivation unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war ihre Überzeugung, dass extremistische Systeme wie das Dritte Reich von 1933–1945 durch eine weltweite Einigung auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verhindert werden können.
Der Vorläufer dieser Menschenrechtserklärung waren die 1789 verfassten Menschenrechte, die Bestandteil der französischen Verfassung sind (siehe Heftcover). An deren Entstehung war Thomas Paine maßgeblich beteiligt, der in seinen Schriften unitarische Auffassungen erkennen lässt. Ihm sind zwei Kapitel gewidmet. In diesem Zusammenhang wird aufgezeigt, dass die Menschenrechte erst 2002 mit der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag aus dem Status moralischer Appelle in den Status exekutierbaren Rechts erhoben wurden.
Die Frage, ob die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die die Basis der Zusammenarbeit innerhalb der UNO ist, auch eine Basis für eine Verständigung auf weltweite Werte sein und somit zur Eindämmung des Extremismus führen kann, wird in einem weiteren Kapitel behandelt. Darin wird auf die inneren Widersprüche in Systematik und Ordnung der Menschenrechtserklärung eingegangen. In den nachfolgenden beiden Kapiteln wird durch praktische Beispiele aufgezeigt, dass durch die fehlende innere Ordnung der Menschenrechte Schwierigkeiten auftreten können, die mit den Mitteln und im Sinne der bestehenden Menschenrechte nicht gelöst werden können.
Auf jeden Fall muss entschieden festgestellt werden, dass die Menschenrechtserklärung – auch in der jetzigen Form – eine Basis einer allgemeinen Ethik sein kann. Inwiefern die Deutschen Unitarier in ihren Grundgedanken stärker Bezug nehmen sollten auf die Menschenrechtserklärung und Thomas Paine ist eine noch zu klärende Frage.
In den abschließenden Gesprächen wird das Problem des Extremismus in unserer Gesellschaft behandelt. Zu dessen Lösung wird eine Verbreitung einer individualen Verantwortungsethik gesehen, die das Verstehensprinzip befolgt. Langfristig müssen die dafür notwendigen Grundhaltungen durch einen Erziehungsprozess in den Schulen angestrebt werden. In einem integrierenden Fach Ethik, das die Menschenrechte, die Toleranz und die Erziehung zur weltbürgerlichen Gesinnung in einer Weltrisikogesellschaft zum Mittelpunkt hat und verbindlich für alle Schüler/innen ist, wird ein konstruktiver Beitrag zur Lösung gesehen.
Aktualisiert: 2020-01-21
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Vorwort
Lebensanfang und Lebensende markieren und „umrahmen“ bekanntlich das individuelle Dasein des Menschen in der Welt. Dazwischen liegt das Leben, das jeder Mensch nach seinen Anlagen, Fähigkeiten, Kräften, Umständen und Entwicklungspotenzialen gestaltet. Menschenwürde und Menschenrechte sind tragende zivilisatorische und ethische Grundlagen dafür. Sich gerade den wesentlichen Daseins- und Wertfragen der menschlichen Existenz zu widmen, ist ein herausragendes Anliegen der Freien Akademie.
Das vorliegende Buch erörtert eine Reihe von in Wechselwirkungen befindlichen naturwissenschaftlichen, medizinischen, philosophischen und ethischen Fragen des Beginns und Endes des Lebens des menschlichen Individuums. Zwei aktuelle Gesichtspunkte verstärken die Wichtigkeit dieser Betrachtungen: (1) Das heutige Wissen in den Bereichen Gentechnik und Medizintechnik ermöglicht es, menschliches Leben schier beliebig zu erzeugen und zu designen bzw. am Ende zu verkürzen oder zu verlängern. Dies wirft die ethischen Fragen auf, ob der Mensch tun soll, was er tun kann bzw. überhaupt wissen soll, was er nicht tun darf. (2) Die demografische Entwicklung in Deutschland mit einem Defizit an Geburten und einem großen Bevölkerungsanteil an Älteren lässt fragen, unter welchen Umständen in unserer Gesellschaft Kinder zur Welt kommen (müssen) bzw. ältere Menschen von der Allgemeinheit noch menschenwürdig versorgt werden (können). Hierbei sind gewiss auch ökonomische Aspekte (privater und volkswirtschaftlicher Art) von Bedeutung. Sowohl hinsichtlich der ethischen als auch der gesellschaftspolitischen Dimensionen des Themas bilden Lebensanfang und -ende einen zusammenhängenden Komplex.
Einzelne Problemstellungen gilt es zu bedenken, für den Anfang des individuellen menschlichen Lebens etwa folgende Möglichkeiten: Embryonen im Reagenzglas zu erzeugen und dann nach gentechnischer Analyse auf ihre „Brauchbarkeit“ hin auszusortieren bzw. in die Gebärmutter einzusetzen; Embryonen dem Mutterleib zu entnehmen; Stammzellen von Embryonen zur Herstellung z.B. von Organen oder Blutplasma zur Heilung anderer zu verwenden; Schwangerschaft auf Probe; Vaterschaftstests durchzuführen oder zu unterlassen. Im Blick auf das Lebensende ist die Problematik nicht weniger komplex: Umgang mit den Möglichkeiten passiver und aktiver Sterbehilfe; letzter Wille und Patientenverfügungen; Hirnstrommessungen und ihre Konsequenzen; künstliche Beatmung; eher medizintechnisch oder eher psychosozial orientierte Sterbebegleitung usw.
Jeder Mensch ist von diesem Thema persönlich und existenziell betroffen. Die Autorinnen und Autoren entwickelten sowohl wissenschaftlich- theoretische als auch lebenspraktische humanistische Perspektiven. Es gelang gemäß dem Selbstverständnis der „freien“ Akademie, auch nonkonform abseits von Mainstream-Ansätzen und nicht nur unter etablierten Fragestellungen die Thematik zu beleuchten. Fakten sowie Reflexionen über die gesellschaftspolitische und ethische Relevanz dieser Fakten werden geboten, die uns mündiger als vorher sein lassen.
Welche Fragestellungen bleiben u.a. weiter in der Diskussion? Es ist wohl nicht genau möglich, exakt festzulegen, wann menschliches Leben beginnt und endet. Wann beginnt das Sterben? Der Streit zwischen Ethik, Medizin und Jurisprudenz ist aktuell und notwendig.
Wie ist die medizinische und rechtliche Lage bei Organspenden? Ist sie nach dem Hirntod legal? Wie vollzieht sich eine würdevolle Pflege mit dem Blick auf das Lebensende, und wie gestalten sich Sterbehilfe, Sterbebegleitung und Hospizarbeit? Wichtig sind insgesamt die Beachtung weltanschaulich-religiöser Aspekte, der „guten Sitten“ und der Menschenrechte, aber auch gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und kultureller Voraussetzungen des Anfangs und Endes menschlichen Lebens. Ökonomische Prägungen und die internationalen Perspektiven sind offen. Das Evolutionsdenken und eine ethisch und rechtlich korrekt angewandte Gentechnik können nur teilweise weiterführen. Ein humanistisches Menschenbild wird auch dadurch geprägt, wie wir unseren Anfang und unser Ende angemessen, würdig und menschlich gestalten.
Dieser Band 32 der Schriftenreihe der Freien Akademie beinhaltet die Vorträge bzw. Ergebnisse der wissenschaftlichen Tagung, die vom 17. bis 20. Mai 2012 in der Frankenakademie Schloss Schney, bei Lichtenfels, zu demselben Thema stattfand. Es gelang eine Synthese aus fruchtbaren interdisziplinären Ansätzen, einer sachlichen Darstellung der Fakten und der offenen Bewertung.
Die wissenschaftliche Vorbereitung und Leitung der Tagung lag in den Händen von Herrn Dr. habil. Dieter Fauth.
Auf der Akademie-Tagung 2012 gab es – neben den Hauptreferaten – die Gelegenheit, in vorbereiteten kurzen Beiträgen eigene Thesen und Ideen zum Thema vorzutragen. Die Beiträge von Erich Satter und Jan Bretschneider werden hier ebenfalls mit publiziert.
Allen Autorinnen und Autoren danke ich für ihre Beiträge. Dem Herausgeber dieses Bandes, Herrn Dieter Fauth, sei für sein kompetentes Engagement besonders herzlich gedankt.
Wir danken der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Paritätischen Bildungswerk – Bundesverband – für die wohlwollende Förderung der Tagung.
Dr. Volker Mueller
Präsident der Freien Akademie
Aktualisiert: 2020-01-23
Autor:
Jan Bretschneider,
Olaf Christensen,
Stephan Dorschner,
Dieter Fauth,
Theresia Maria de Jong,
Andre Martin,
Michael Meyer,
Wiltrud Mollenkopf,
Volker Mueller,
Gerhard Rampp,
Erich Satter,
Philipp Schrögel
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