Das religiöse und geistige Leben im Barockzeitalter war voller Farbe, Feierlichkeit und Frömmigkeit. Nach der Reformation organisierte sich der katholische Klosterstaat neu. Gleichzeitig herrschte Optimismus, was sich in einer dynamischen Bautätigkeit, grossen religiösen Festen, kulturellen Aktivitäten wie Theateraufführungen und der Entwicklung im Bildungswesen zeigte. Die moderne Wissenschaft erlebte ihre erste Blütezeit.
Die Begleitschrift zur Winterausstellung der Stiftsbibliothek St. Gallen 2017/18 zeichnet das Leben in der Fürstabtei St. Gallen zur Zeit des Barock nach: Thematisiert werden Bautätigkeit, Buch und Festkultur ebenso wie die Tätigkeit der Druckerei, die Erforschung der Handschriftenschätze und die Erwerbung des wertvollen Nachlasses von Aegidius Tschudi für die Bibliothek im Jahr 1768. In einem einleitenden Aufsatz skizziert der bekannte Barockspezialist Peter Hersche die Welt der Klöster jener Zeit und zeigt ihre Bedeutung für die damalige Gesellschaft auf. Hans Haselbach präsentiert neue Erkenntnisse zu den berühmten Deckengemälden der Bibliothek, insbesondere zu den dort dargestellten Kirchenvätern des Ostens und Westens.
Aktualisiert: 2020-11-18
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Die Stiftsbibliothek St. Gallen wurde nicht gegründet – sie ist entstanden. Sie hat sich seit der Ankunft von Gallus an der Steinach im Jahr 612 nach und nach wie von selbst gebildet, schrittweise Form angenommen und sich schliesslich als feste Infrastruktur im Kloster etabliert. Zusammen mit der Biblioteca Capitolare di Verona, der Bibliothek des Katharinenklosters auf dem Sinai und der Bibliothek der Erzabtei St. Peter in Salzburg gehört sie zu den ältesten heute noch bestehenden Bibliotheken der Welt.
Bereits bei Gallus, der als irischer Missionar und gebildeter Eremit St. Gallen begründete, spielten Bücher eine Rolle. Schon in der Vor und Frühgeschichte des Klosters gab es immer Bücher. Mit dem Skriptorium, das seit der Mitte des 8. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann, begann die bewusste Vergrösserung der Sammlung durch die Mönchsgemeinschaft.
Die enge Beziehung zwischen Schreibstube und Bibliothek ist auch auf dem St. Galler Klosterplan um 820 bezeugt. Die Handschriftensammlung wurde in der Folge zur Grundlage für die Arbeit von aussergewöhnlichen Künstlern und Gelehrten, von Notker Balbulus, der auch Bibliothekar war, bis zu Ekkehart IV., ihrem wohl intensivsten Benutzer. Im St. Galler Hartmutturm trotzte sie vom 10. bis zum 16. Jahrhundert allen Gefahren und mehreren Kloster und Stadtbränden. Mit Glück überstand sie auch die Wirren der Reformationszeit.
1553 wurde im Westflügel des Konventsgebäudes ein eigenes Bibliotheksgebäude errichtet, das 1767, also vor 250 Jahren, durch den heutigen Bau mit dem Barocksaal ersetzt wurde. Er gilt als einer der schönsten Bibliotheksräume weltweit. Wie durch ein Wunder gelang es den letzten Klosterbibliothekaren zur Zeit der Aufhebung der Fürstabtei 1797 bis 1805, den Bestand unbeschadet zu erhalten. Als Herzstück des Weltkulturerbes Stiftsbezirk ist die Stiftsbibliothek St. Gallen heute die wichtigste historische Sehenswürdigkeit der Ostschweiz.
Der Band präsentiert Denkwürdiges aus der langen Geschichte der Bibliothek. Der Titel knüpft an die Überschrift «Seelenapotheke» über dem Eingangsportal zum Barocksaal an.
Aktualisiert: 2019-11-07
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Nur wenige Bibliotheken besitzen so viele aussagekräftige Zeugnisse für die Entwicklung der lateinischen Schrift wie die Stiftsbibliothek St. Gallen. Die vorliegende Publikation zeichnet die Geschichte unseres Alphabets von der Antike bis zum Ende des Mittelalters nach und illustriert sie anhand vieler Beispiele.
Auf der Grundlage antiker Schriften entwickelten sich nach dem Zusammenbruch des römischen Reichs verschiedene regionale Schriften, darunter die merowingische Buchschrift, die rätische und die alemanni sche Minuskel oder auch die insularen Schriften in Irland und England. Unter Karl dem Grossen († 814) kam es dann zu einer Gegenbewegung und Vereinheitlichung. Vom 9. bis zum 12. Jahrhundert war in weiten Teilen Europas die nach Karl benannte karolingische Minuskel gebräuchlich. Sie prägte unsere gemeinsame westeuropäische Schreibkultur nachhaltig.
Ab dem 12. Jahrhundert zerfiel diese Einheit wieder. Für prächtige Bücher benutzte man aufwendig gestaltete, kalligraphische Schriften. Daneben wurden im Alltagsleben kursive Schriften verwendet. Um 1400 griffen die italienischen Humanisten auf die karolingische Minuskel zurück und schufen die Grundlage für die heute üblichen Druckschriften, insbesondere die Antiqua.
Im Anschluss an die Einleitung von Michele C. Ferrari stellen Philipp Lenz und Franziska Schnoor die Entwicklung der lateinischen Schrift anhand konkreter Beispiele vor. Der St. Galler Stiftsbibliothekar Cornel Dora sucht nach den Spuren der Schreibkultur auf dem St. Galler Klosterplan und wirft einen Blick auf die rätselhafte OghamSchrift aus der Frühzeit Irlands. Ergänzend erläutert der St. Galler Stiftsarchivar Peter Erhart verschiedene Urkundenschriften. Musteralphabete des Skriptors KlausPeter Schäffel runden die leicht lesbare und reich illustrierte Publikation ab, die sich hervorragend als Einführung in die lateinische Paläographie des Mittelalters eignet.
Aktualisiert: 2020-11-18
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