INHALT
Herrmann Jungraithmayr:
Eine Welt aufschließen – Reflexionen zur Feldforschung
Anne Storch:
Praxis und Ethik der Feldforschung – Was ins Gepäck gehört
Roland Kießling:
Der Ablauf linguistischer Aufnahmen
Raimund Kastenholz:
Die monographische Feldforschung
Reinhard Klein-Arendt:
Die mobile Feldforschung
Thomas Geider:
Zur Methodik der Aufnahme von oraler Literatur in Afrika
Anne Storch:
Beschreibung einer sterbenden Sprache – Feldforschung zum Hone (Nordostnigeria). Ein Plädoyer
Rainer Voßen:
Feldforschung als ständige Herausforderung – Zwischen Romantik und Realität
Rose-Juliet Anyanwu:
Forschen im eigenen Umfeld – Afrikaner erkunden sich selbst
Rudolf Leger:
Feldforschung – Ein Paradoxon der Gefühle
BESPRECHUNG
„Menschliche Aspekte stellen die Herausgeber Anne Storch und Rudolf Leger in den Mittelpunkt einer Veröffentlichung zur Praxis der Feldforschung (FF), die als ein thematisch geschlossener Band der Frankfurter Afrikanistischen Blätter erschienen ist. Die Autoren der zehn Artikel aus unterschiedlichen Subdisziplinen der deutschen Afrikanistik sind ausnahmslos sehr erfahrene Feldforscher und gewähren in ihren Beiträgen einen Blick hinter die Kulissen ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichungen. [...] Es stimmt überaus positiv, dass nicht nur Fragen zur Datenerhebung im Vordergrund dieser Veröffentlichung stehen, sondern auch wie man mit der oft belastenden Feldforschungssituation umgeht und welchen ethischen Fragen sich Forscher stellen müssen. [...] Die vorliegende Veröffentlichung ist eine nützliche Erwerbung für jeden Nachwuchswissenschaftler, der eine FF plant, und sie sollte keinesfalls auf der Literaturliste künftiger FF-Seminare fehlen.”
(Yvonne Treis in „Afrikanistik & Ägyptologie online“, Februar 2005, 1-6)
Aktualisiert: 2021-12-29
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Außer Ruth Finnegans Klassiker „Oral Literature in Africa“ (1970) gibt es kein methodologisch übergreifendes Werk, das die unterschiedlichen Ansätze zur oralliterarischen Forschung zusammenfasst. Dem steht in den letzten zwei Jahrzehnten ein stetig wachsendes Interesse an kulturvergleichenden, sozioanthropologischen und literarisch-ästhetischen Analysen afrikasprachlicher Texte gegenüber. Afrikas Kulturen befinden sich nicht nur im Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, sondern insgesamt in einem Prozess des schnellen Wandels.
Wer die geistigen und sozialen Institutionen, die rechtlichen und religiösen Denk- und Lebensformen, Afrikas historische und literarische Traditionen, seine Poesie und Musik in ihrer Dynamik begreifen will, ist auf die mündlich vermittelten und schließlich auch verschriftlichten Sprachzeugnisse verwiesen.
Das Lexikon richtet sich an ein breit gefächertes Publikum. Es will einen möglichst schnellen Zugang zu dem weiten Feld afrikanischer Gedächtniskulturen ermöglichen. In erster Linie soll es zwar Studierenden die Orientierung und Einarbeitung in ein Spezialgebiet der afrikanistischen Oralistik erleichtern, aber auch dem interessierten Nichtspezialisten die Möglichkeit geben, sich anhand kurzer, zusammenfassender Artikel eine erste Vorstellung von einem Begriff oder einem thematischen Gegenstand zu verschaffen. Das Lexikon stellt somit einen ersten Schritt dar, das komplexe Gebiet der Oralistik in Afrika zu erschließen.
Jedes fachterminologische Stichwort enthält seine englisch- und französischsprachigen Entsprechungen, z.B. „Tonrätsel“ (Engl. tone riddle, Frz. devinette tonale). Zum besseren Auffinden sind diese außerdem am Ende des Werkes in eigenen Registern nochmals alphabetisch aufgeführt. Das Literaturverzeichnis, das vom Umfang her einen größeren Anteil des Lexikons ausmacht, enthält die zu den Stichwörtern zitierte Literatur. Wichtige Stichwörter sind z.B. Epos, Held, Hyperbel, Ideophon, Metapher, Metonymie, Spottlied, Tonharmonie, Vorsänger.
Aktualisiert: 2021-09-15
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Der Oger (Menschenverschlinger) ist eine der großen Figuren der afrikanischen Erzählkulturen. Trotz der Bedeutung dieser Gestalt fehlte es bisher an systematischen Analysen und Interpretationen. Auf der Grundlage der spezifischen Erzählkultur der Pokomo in Kenia hat der Autor diese Lücke in seiner Monographie erstmals geschlossen.
Grundlage der Arbeit ist ein Korpus von 25 Märchen, die in der Mehrzahl während einer mehrmonatigen Feldforschung auf Tonband aufgezeichnet wurden. Im Werk werden sie in ihrer originalsprachlichen Fassung zusammen mit einer deutschen Übersetzung vorgelegt, wobei die Transkription des Pokomo- Textes auch Angaben zum Vortrag selbst, wie beispielsweise Sprechmelodie, Sprechgeschwindigkeit und Expressivität, enthält. Eine dem Dokumentarteil (Teilband 2) vorangestellte grammatische Skizze verdeutlicht die Grundstruktur dieser wenig erforschten Bantusprache.
Im Mittelpunkt des Werkes steht die Symbolanalyse des Ogers im Kontext der Pokomo-Kultur. Dementsprechend ist den eigentlichen Analysen eine ethnographische Einführung zu den Pokomo vorangestellt. Trotz der Hervorhebung der Verschlingerfigur werden auch deren Gegenspieler, d.h. die Menschen, die die eigentlichen Helden der Geschichten sind, mit analysiert. Die thematisch relevanten Aussagen der kulturinternen Informanten werden in der Darstellung von denen des kulturfremden Forschers systematisch streng getrennt.
Ausführliche methodologische Diskussionen, zu denen auch ein Werkstattbericht über die konkrete Feldforschungssituation gehört, schließen die Figurenanalyse an den afrikanistischen und ethnologischen Forschungszusammenhang an. Teil der Arbeit ist ferner eine stilistisch-rhetorische Analyse der oralen Darbietungsmittel. Trotz ihrer monographischen Ausrichtung eignet sich die Abhandlung hervorragend für die komparatistische Arbeit.
REZENSIONEN:
„Eine außergewöhnliche Arbeit, die vor allem durch die umfassende Dokumentation und die Kontextdaten der afrikanistischen Textforschung noch lange als Basis dienen kann. Thomas Geiders Arbeit wendet sich nicht nur an den regional oder speziell an oraler Literatur in Afrika Interessierten, sondern empfiehlt sich auch allen, die eine eigene Feldforschung vorbereiten oder an die Bearbeitung eines Textkorpus denken.“
(Werner Graebner in „Tribus“ 40/1991, S. 222f.)
„Der Titel dieser Arbeit klingt allzu bescheiden. Denn was in den 774 eng beschriebenen Seiten geboten wird, ist nicht allein eine Darstellung der Oger-Gestalt einer kleinen Volksgruppe in Ostafrika, sondern eine grundlegende Studie für die afrikanische Erzählforschung schlechthin. Das Ziel des Autors ist es, über die bis jetzt bestehenden, einseitigen Untersuchungen der verschiedenen Forschungsrichtungen hinauszukommen und vor allem die konventionelle Kluft zwischen Afrikanistik (Sprachwissenschaft) und Ethnologie (Kulturwissenschaft) zu überbrücken. [.] Der Autor selbst folgt seinen Forderungen und bearbeitet sein Thema von einer Vielzahl von Gesichtspunkten der modernen Ethnologie, Erzählforschung und Linguistik.“ (Sigrid Schmidt in „Fabula“ 32, Heft 4/1991, S. 310-312)
„[The book] is a monumental work in two senses. First, it is massive in its scope and in its treatment of the ogre motif in relation to the traditional literature and ‘cultural space’ of the Pokomo. Second, despite the highly specialized ring of the title, it is an interdisciplinary work with a strong anthropologigal thrust. Geider’s work should therefore attract readers with a wide and varied range of interests. [.] Longstanding theoretical and methodological problems are critically reviewed in an attempt to formulate more appropriate perspectives on the problems under consideration: researchers’ outlooks on the people and cultures they study, research procedures and practices, data collection, sampling, transcription, translation, and subsequent analysis.“
(Said A.M. Khamis in „Research in African Literatures“ 23, 3/1992, S. 128f.)
Aktualisiert: 2022-10-07
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Bisher war die afrikanistische Oralliteraturforschung eher einzelsprachlich und kulturspezifisch orientiert. Vor diesem Hintergrund entwickelt der Autor eine Methode, wiederkehrend verwendete Erzählelemente auch für den sprach- und kulturübergreifenden Vergleich aufzubereiten.
Hierzu rezipiert er die Methodik der Themen-, Typen- und Motivforschung der Folkloristik, Ethnologie und Literaturwissenschaft und überträgt sie in den Kontext afrikanistischen Arbeitens. Besondere Berücksichtigung findet dabei die Originalsprachlichkeit der Texte, die Form und Inhalt der auch überregional bedeutsamen Vergleichseinheiten bestimmt.
Das analysierte Korpus besteht aus 32 Volkserzählungen mit den Heldenfiguren des Enfant Terrible und des Hexenjägers, wie sie die Kanuri in Nordost-Nigeria und der angrenzenden Tschadsee-Region tradieren. Hierin werden sprachliche Versatzstücke und erzählerische Motive in der Struktur der Geschichten identifiziert, formuliert und im Kontext der Oralliteratur und Kultur der Kanuri qualifiziert.
In einer Schlussbetrachtung diskutiert der Autor seine Ergebnisse im westafrikanischen Rahmen, wie ihn insbesondere die französische Afrika-Erzählforschung herausgearbeitet hat. Die von ihm entwickelte Methodik bietet der Afrikanistik die Möglichkeit, auch in der Textforschung komparativ zu arbeiten.
Aktualisiert: 2021-09-16
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