Stimme, was ist das eigentlich? Man weiß es – und man weiß es auch nicht. Der Band macht es sich zur Aufgabe, der Stimme in der Begegnung von Komposition und Kunst, in der Auseinandersetzung mit Literaturwissenschaft, Psychologie, Philosophie, Theologie und Musikwissenschaft nachzuspüren, ihre Möglichkeiten auszuloten, ihre Ausdrucksformen zu erkunden.
Neue Musik forscht nach Klang- und Ausdrucksformen menschlicher Stimme, die das Terrain des bekannten und gewohnten Singens und Sprechens zu neuen Möglichkeiten hin öffnet. Traditionelle Klangvorstellungen werden verfremdet, dekontextualisiert, neue Möglichkeiten der stimmlichen und lautlichen Klangerzeugung werden erprobt, um zu überraschen, zu provozieren, um Klanggewohnheiten infrage zu stellen und neue zu schaffen.
Salome Kammer, für deren Stimme zahlreiche Werke geschrieben wurden, hat solistische Werke für Sprech- und Singstimme von Komponistinnen wie Carola Bauckholt und Iris ter Schiphorst, von Komponisten wie John Cage, Mauricio Kagel, György Kurtág, Giacinto Scelsi sowie des Dada-Künstlers Hugo Ball auf einer CD in vielfältigen Farben und überraschenden Formen zum Klingen gebracht. Jedem dieser Werke oder Werkgruppen ist ein Beitrag aus einer geeigneten interdisziplinären Perspektive gewidmet.
Mit Beiträgen von Jakob Helmut Deibl, Gabriele Geml, Susanne Valerie Granzer, Ulrike Kadi, Reinhart Meyer-Kalkus, Salome Kammer, Anne-May Krüger, Marion Saxer, Iris ter Schiphorst, Dörte Schmidt, Grégoire Tosser und Violetta L. Waibel.
Aktualisiert: 2023-06-13
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Die Zeitschrift sans phrase verfolgt kein ‘Programm’, weder ein theoretisches noch ein politisches: Ihr einziges Interesse besteht in Ideologiekritik – darin, dem kollektiv wirksamen Wahn zu widersprechen in dem Wissen, dass er dem Innersten der Gesellschaft entspringt, dort, wo das Subjekt die Krise ‘bewältigt’, die das Kapitalverhältnis seinem Wesen nach ist. Der so gefasste Vorrang des Objekts erfordert allerdings einen Subjektbegriff, der in dem der Charaktermaske nicht aufgeht: Das notwendig falsche Bewusstsein in seiner Notwendigkeit zu durchschauen, setzt Freiheit voraus, wie jeder kategorische Imperativ sie beinhaltet – erst recht der von Marx, “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”. Ideologiekritik bedeutet damit nichts anderes, als das Existentialurteil zu entfalten, dessen Abbreviatur nach Adorno lautet: “Das Ganze ist das Unwahre”. Doch wie das Unwahre selbst bestimmt, d.h. negiert wird, kann es per se niemals unabhängig von geschichtlicher Erfahrung sein und ist damit unabdingbar angewiesen auf den neuen kategorischen Imperativ: noch im Stande der Unfreiheit die Freiheit zu behaupten, “Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole”. Solche Dialektik ist negativ, das heißt: sie gibt das Antinomische in keinem ihrer Begriffe preis. Aufzulösen wäre es nur, wenn jener Marxsche Imperativ in die Tat umgesetzt würde. Ein Verständnis hingegen, das Wirklichkeit nicht in Begriffen erschließt, die sich selbst kritisieren können, herrscht dieser Wirklichkeit das im Geld repräsentierte Mit-sich-selbst-identisch-Sein als eine ihr angeblich von Natur aus zukommende Eigenschaft auf. Anders, mit Freud gesagt: wer sich die Welt nur als Ansammlung von Zeichen denkt, macht sich unfähig, reale, von ihm getrennte Objekte libidinös zu besetzen. Essayistisches Schreiben, das es allein rechtfertigt, eine Zeitschrift zu gründen, führt darum auch nicht Idiosynkrasien narzisstisch vor – und weiß dennoch, was es ihnen verdankt: Von ihnen zehrt der Gedanke, der über die Begriffslogik hinausgeht; sie sind die einzig mögliche – unmittelbare – Anwesenheit des Leibs im Denken. Aber auf sie sich einzuschränken und auf Begriffsbestimmung zu verzichten, wäre wiederum Regression des Denkens. Diese Gratwanderung hat die Begrifflichkeit des Essays mit dem Formsinn der Kunstwerke gemein. Nur fehlt ihr deren Evokationskraft, und schon deshalb kann sie sich selbst ohne Reflexion aufs Ästhetische im engeren Sinn nicht wirklich entwickeln. Die Zeitschrift ist dabei wie in allen anderen Fragen der Kritik keineswegs pluralistisch. Sie hat nicht zuletzt das Ziel, den Konsens, auf den der Pluralist sich berufen muss, als der Form Kapital äquivalent bloßzulegen. Aber sie verteidigt mit größtem Engagement noch den Pluralismus gegen autoritäres Potential wie antiautoritäre Gewaltphantasie, die ihm selbst entspringen und beide – von attac bis occupy und Kommendem Aufstand – so auffällig die antikapitalistische Regression der Gegenwart kennzeichnen, terminierend in den schlimmsten Formen des Politischen: deutscher Ideologie und deren djihadistischer Fortsetzung. Die totale Vermittlung, die durchs Unwesen Kapital gesetzt ist, und das auf Totalität zielende Ungeheuer, das sie beseitigt, sind von der Kritik als Einheit zu begreifen, und dennoch dürfen sie ihr nicht eins sein, will sie ein Bewusstsein ihrer eigenen Voraussetzungen haben. Wissenschaftliche Abhandlungen zu veröffentlichen, überlässt die Zeitschrift den dafür zuständigen Institutionen. In ihr werden keine Diskurse oder Narrative beschworen oder analysiert, denn dies ist die Selbstzerstörung des Pluralismus: Sie rufen in ihrer bewusst im Unverbindlichen gehaltenen Form und ihrem den Wahrheitsbegriff leugnenden Inhalt letztlich jenen Gegensouverän auf den Plan, der die Gesellschaft nicht nur auflöst in diffuse barbarische Vielheit. Anders als der Souverän, der die Form als Ausbeutungsform objektiviert, das heißt als ewig und allgemein verbindlich mittels Todesdrohung zu garantieren vorgibt, polt sie sein in der Krise notwendig auftauchender Kontrahent inhaltlich gezielt auf Vernichtung um der Vernichtung willen. Am Hass, der Israel entgegenschlägt, weiß diese Zeitschrift darum sans phrase die heute gefährlichste Konsequenz solchen Wahns zu erkennen und zu denunzieren.
Aktualisiert: 2022-11-22
Autor:
Alexandra Bandl,
Markus Bitterolf,
Felix Brandner,
Joachim Bruhn,
Bruno Chaouat,
Manfred Dahlmann,
Thorsten Fuchshuber,
Till Gathmann,
Caroline B. Glick,
Norman J. W. Goda,
Georges-Arthur Goldschmidt,
Oskar Maria Graf,
Alex Gruber,
Luis Gruhler,
Michael Heidemann,
David Hellbrück,
Miriam Mettler,
Gerhard Scheit,
Ksenia Svetlova,
Jonathan S. Tobin,
Alex Traiman
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Stimme, was ist das eigentlich? Man weiß es – und man weiß es auch nicht. Der Band macht es sich zur Aufgabe, der Stimme in der Begegnung von Komposition und Kunst, in der Auseinandersetzung mit Literaturwissenschaft, Psychologie, Philosophie, Theologie und Musikwissenschaft nachzuspüren, ihre Möglichkeiten auszuloten, ihre Ausdrucksformen zu erkunden.
Neue Musik forscht nach Klang- und Ausdrucksformen menschlicher Stimme, die das Terrain des bekannten und gewohnten Singens und Sprechens zu neuen Möglichkeiten hin öffnet. Traditionelle Klangvorstellungen werden verfremdet, dekontextualisiert, neue Möglichkeiten der stimmlichen und lautlichen Klangerzeugung werden erprobt, um zu überraschen, zu provozieren, um Klanggewohnheiten infrage zu stellen und neue zu schaffen.
Salome Kammer, für deren Stimme zahlreiche Werke geschrieben wurden, hat solistische Werke für Sprech- und Singstimme von Komponistinnen wie Carola Bauckholt und Iris ter Schiphorst, von Komponisten wie John Cage, Mauricio Kagel, György Kurtág, Giacinto Scelsi sowie des Dada-Künstlers Hugo Ball auf einer CD in vielfältigen Farben und überraschenden Formen zum Klingen gebracht. Jedem dieser Werke oder Werkgruppen ist ein Beitrag aus einer geeigneten interdisziplinären Perspektive gewidmet.
Mit Beiträgen von Jakob Helmut Deibl, Gabriele Geml, Susanne Valerie Granzer, Ulrike Kadi, Reinhart Meyer-Kalkus, Salome Kammer, Anne-May Krüger, Marion Saxer, Iris ter Schiphorst, Dörte Schmidt, Grégoire Tosser und Violetta L. Waibel.
Aktualisiert: 2023-04-05
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Stimme, was ist das eigentlich? Man weiß es – und man weiß es auch nicht. Der Band macht es sich zur Aufgabe, der Stimme in der Begegnung von Komposition und Kunst, in der Auseinandersetzung mit Literaturwissenschaft, Psychologie, Philosophie, Theologie und Musikwissenschaft nachzuspüren, ihre Möglichkeiten auszuloten, ihre Ausdrucksformen zu erkunden.
Neue Musik forscht nach Klang- und Ausdrucksformen menschlicher Stimme, die das Terrain des bekannten und gewohnten Singens und Sprechens zu neuen Möglichkeiten hin öffnet. Traditionelle Klangvorstellungen werden verfremdet, dekontextualisiert, neue Möglichkeiten der stimmlichen und lautlichen Klangerzeugung werden erprobt, um zu überraschen, zu provozieren, um Klanggewohnheiten infrage zu stellen und neue zu schaffen.
Salome Kammer, für deren Stimme zahlreiche Werke geschrieben wurden, hat solistische Werke für Sprech- und Singstimme von Komponistinnen wie Carola Bauckholt und Iris ter Schiphorst, von Komponisten wie John Cage, Mauricio Kagel, György Kurtág, Giacinto Scelsi sowie des Dada-Künstlers Hugo Ball auf einer CD in vielfältigen Farben und überraschenden Formen zum Klingen gebracht. Jedem dieser Werke oder Werkgruppen ist ein Beitrag aus einer geeigneten interdisziplinären Perspektive gewidmet.
Mit Beiträgen von Jakob Helmut Deibl, Gabriele Geml, Susanne Valerie Granzer, Ulrike Kadi, Reinhart Meyer-Kalkus, Salome Kammer, Anne-May Krüger, Marion Saxer, Iris ter Schiphorst, Dörte Schmidt, Grégoire Tosser und Violetta L. Waibel.
Aktualisiert: 2023-04-05
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Aktualisiert: 2023-04-12
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Da nur der einzelne Mensch, nicht aber etwas ihn (seinen individuellen Leib im Sinne Jean Amérys) Überschreitendes frei sein kann, darum, so lautet Sartres logisch nicht zu widerlegendes Urteil, kann keinem Objekt eine in diesem selbst angelegte Fähigkeit, Entscheidungen zu fällen, zugesprochen werden. Wenn ein Subjekt einem ihm Äußeren – etwa Gott, der Natur, dem Staat, dem Kapital oder dem Schönen, dem Glück oder sonst etwas –, eine derartige Autonomie zuschreibt, belügt es sich, meint Sartre: um der Angst vor seiner Freiheit Herr zu werden und sich für seine Taten nicht verantwortlich fühlen zu müssen. Wenn man Adornos Ästhetik dieser Subjektbestimmung konfrontiert, läßt sich jedoch zeigen, daß, so sehr Sartre logisch im Recht sein mag, die Kritik im Grunde darauf zielen muß, genau jenes für Sartre Unmögliche dennoch zur Darstellung zu bringen: um die Verkehrungen erkennen zu können, dank derer das Kapital als automatisches Subjekt, als Souverän, agieren kann.
Aktualisiert: 2023-04-12
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Aktualisiert: 2023-04-12
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Aktualisiert: 2023-04-12
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»Der Kerngedanke meiner Arbeit besteht darin, Foucault nachzuweisen, dass er noch so sehr behaupten kann, er habe keine Theorie, in die er seine Wahrnehmungen einordne, sondern im Gegenteil: Gerade er verfügt über eine solche, die Realität bruchlos ordnende, totalisierende Theorie. Der Clou dieses Vorwurfs ist jedoch, dass ich Foucault, zugegebenermaßen ohne es explizit zu machen, als pars pro toto nehme.«
Band 2 der Gesammelten Schriften enthält die Diplomarbeit, die Manfred Dahlmann im September 1980 bei Johannes Agnoli eingereicht und 2017, kurz vor seinem Tod, zur Veröffentlichung vorbereitet hat. Der Text war das Resultat einer Auseinandersetzung mit der Philosophie Michel Foucault, der man sich im Westberlin der späten 1970er Jahren nur schwer entziehen konnte. Die damals schon begeisterte Aufnahme dieses französischen Philosophen erscheint aus heutiger Sicht wenig zufällig, war man doch bereits intensiv damit beschäftigt, mit Marx sogleich sämtliche ›Großtheorien‹ einschließlich der kritischen Theorie Adornos und Horkheimers zu verramschen, um die Krise der Revolutionstheorie in Westdeutschland scheinbar hinter sich lassen zu können. Die späte Veröffentlichung dokumentiert den Stand der immerhin noch lebhaften ›marxistischen‹ Diskussion in diesen Jahren und zeigt, wie weit man heute dahinter zurückgefallen ist, wobei der Autor allerdings im Vorwort von 2017 festhält, dass er seine Kritik an Foucault mittlerweile begrifflich anders entfalten würde. Der vier Jahrzehnte alte Text exponiert mit Bezug auf Alfred Sohn-Rethel dennoch bereits die Notwendigkeit eines erkenntniskritischen Verständnisses der marxschen Kritik der politischen Ökonomie. Die bis heute ungebrochene Popularität des foucaultschen Machtbegriffs steht pars pro toto dafür, wie nachhaltig gerade dieser Erkenntnis- und Formkritik, die Dahlmann einforderte, bei der Entsorgung des Marxismus ausgewichen worden ist. So zeichnet sich hier in der Frage nach dem Rätsel der Macht der Weg zu den späteren Arbeiten des Autors deutlich ab: zu seinem bisher unveröffentlichten Buch über Petrus Abaelard und den Universalienstreit (als Band 6 der Gesammelten Schriften geplant), zur Kritik der existentialontologischen Fundierung der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie (als Band 4) und nicht zuletzt zur Kritik der Existenzphilosophie Sartres in Freiheit und Souveränität (Band 1).
Aber ganz unabhängig von solcher Spurensuche: Das Rästel der Macht war nicht nur die erste radikale Kritik an den Begriffen Foucaults, sie ist auch die einzige geblieben, wenn radikal heißt, einer Sache auf den Grund zu gehen.
Aktualisiert: 2023-04-12
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Die Zeitschrift sans phrase verfolgt kein ‘Programm’, weder ein theoretisches noch ein politisches: Ihr einziges Interesse besteht in Ideologiekritik – darin, dem kollektiv wirksamen Wahn zu widersprechen in dem Wissen, dass er dem Innersten der Gesellschaft entspringt, dort, wo das Subjekt die Krise ‘bewältigt’, die das Kapitalverhältnis seinem Wesen nach ist. Der so gefasste Vorrang des Objekts erfordert allerdings einen Subjektbegriff, der in dem der Charaktermaske nicht aufgeht: Das notwendig falsche Bewusstsein in seiner Notwendigkeit zu durchschauen, setzt Freiheit voraus, wie jeder kategorische Imperativ sie beinhaltet – erst recht der von Marx, “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”.
Ideologiekritik bedeutet damit nichts anderes, als das Existentialurteil zu entfalten, dessen Abbreviatur nach Adorno lautet: “Das Ganze ist das Unwahre”. Doch wie das Unwahre selbst bestimmt, d.h. negiert wird, kann es per se niemals unabhängig von geschichtlicher Erfahrung sein und ist damit unabdingbar angewiesen auf den neuen kategorischen Imperativ: noch im Stande der Unfreiheit die Freiheit zu behaupten, “Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole”.
Solche Dialektik ist negativ, das heißt: sie gibt das Antinomische in keinem ihrer Begriffe preis. Aufzulösen wäre es nur, wenn jener Marxsche Imperativ in die Tat umgesetzt würde. Ein Verständnis hingegen, das Wirklichkeit nicht in Begriffen erschließt, die sich selbst kritisieren können, herrscht dieser Wirklichkeit das im Geld repräsentierte Mit-sich-selbst-identisch-Sein als eine ihr angeblich von Natur aus zukommende Eigenschaft auf. Anders, mit Freud gesagt: wer sich die Welt nur als Ansammlung von Zeichen denkt, macht sich unfähig, reale, von ihm getrennte Objekte libidinös zu besetzen.
Essayistisches Schreiben, das es allein rechtfertigt, eine Zeitschrift zu gründen, führt darum auch nicht Idiosynkrasien narzisstisch vor – und weiß dennoch, was es ihnen verdankt: Von ihnen zehrt der Gedanke, der über die Begriffslogik hinausgeht; sie sind die einzig mögliche – unmittelbare – Anwesenheit des Leibs im Denken. Aber auf sie sich einzuschränken und auf Begriffsbestimmung zu verzichten, wäre wiederum Regression des Denkens. Diese Gratwanderung hat die Begrifflichkeit des Essays mit dem Formsinn der Kunstwerke gemein. Nur fehlt ihr deren Evokationskraft, und schon deshalb kann sie sich selbst ohne Reflexion aufs Ästhetische im engeren Sinn nicht wirklich entwickeln.
Die Zeitschrift ist dabei wie in allen anderen Fragen der Kritik keineswegs pluralistisch. Sie hat nicht zuletzt das Ziel, den Konsens, auf den der Pluralist sich berufen muss, als der Form Kapital äquivalent bloßzulegen. Aber sie verteidigt mit größtem Engagement noch den Pluralismus gegen autoritäres Potential wie antiautoritäre Gewaltphantasie, die ihm selbst entspringen und beide – von attac bis occupy und Kommendem Aufstand – so auffällig die antikapitalistische Regression der Gegenwart kennzeichnen, terminierend in den schlimmsten Formen des Politischen: deutscher Ideologie und deren djihadistischer Fortsetzung. Die totale Vermittlung, die durchs Unwesen Kapital gesetzt ist, und das auf Totalität zielende Ungeheuer, das sie beseitigt, sind von der Kritik als Einheit zu begreifen, und dennoch dürfen sie ihr nicht eins sein, will sie ein Bewusstsein ihrer eigenen Voraussetzungen haben.
Wissenschaftliche Abhandlungen zu veröffentlichen, überlässt die Zeitschrift den dafür zuständigen Institutionen. In ihr werden keine Diskurse oder Narrative beschworen oder analysiert, denn dies ist die Selbstzerstörung des Pluralismus: Sie rufen in ihrer bewusst im Unverbindlichen gehaltenen Form und ihrem den Wahrheitsbegriff leugnenden Inhalt letztlich jenen Gegensouverän auf den Plan, der die Gesellschaft nicht nur auflöst in diffuse barbarische Vielheit. Anders als der Souverän, der die Form als Ausbeutungsform objektiviert, das heißt als ewig und allgemein verbindlich mittels Todesdrohung zu garantieren vorgibt, polt sie sein in der Krise notwendig auftauchender Kontrahent inhaltlich gezielt auf Vernichtung um der Vernichtung willen.
Am Hass, der Israel entgegenschlägt, weiß diese Zeitschrift darum sans phrase die heute gefährlichste Konsequenz solchen Wahns zu erkennen und zu denunzieren.
Aktualisiert: 2022-11-22
Autor:
Aljoscha Bijlsma,
Rolf Bossart,
Dirk Braunstein,
Joachim Bruhn,
Manfred Dahlmann,
Till Gathmann,
Georges-Arthur Goldschmidt,
Klaus Heinrich,
David Hellbrück,
Christoph Hesse,
Horst Kurnitzky,
Lukas Kurth,
Robert Minder,
Izchak Pschetitski,
Ljiljana Radonic,
Marc Sagnol,
Gerhard Scheit,
Moritz Schwab,
Kay Schweigmann-Greve,
Aaron Steinberg,
Christian Thalmaier,
Klaus Thörner,
Jonathan S. Tobin,
Hendrik Wallat
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Die Zeitschrift sans phrase verfolgt kein ‘Programm’, weder ein theoretisches noch ein politisches: Ihr einziges Interesse besteht in Ideologiekritik – darin, dem kollektiv wirksamen Wahn zu widersprechen in dem Wissen, dass er dem Innersten der Gesellschaft entspringt, dort, wo das Subjekt die Krise ‘bewältigt’, die das Kapitalverhältnis seinem Wesen nach ist. Der so gefasste Vorrang des Objekts erfordert allerdings einen Subjektbegriff, der in dem der Charaktermaske nicht aufgeht: Das notwendig falsche Bewusstsein in seiner Notwendigkeit zu durchschauen, setzt Freiheit voraus, wie jeder kategorische Imperativ sie beinhaltet – erst recht der von Marx, “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”.
Ideologiekritik bedeutet damit nichts anderes, als das Existentialurteil zu entfalten, dessen Abbreviatur nach Adorno lautet: “Das Ganze ist das Unwahre”. Doch wie das Unwahre selbst bestimmt, d.h. negiert wird, kann es per se niemals unabhängig von geschichtlicher Erfahrung sein und ist damit unabdingbar angewiesen auf den neuen kategorischen Imperativ: noch im Stande der Unfreiheit die Freiheit zu behaupten, “Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole”.
Solche Dialektik ist negativ, das heißt: sie gibt das Antinomische in keinem ihrer Begriffe preis. Aufzulösen wäre es nur, wenn jener Marxsche Imperativ in die Tat umgesetzt würde. Ein Verständnis hingegen, das Wirklichkeit nicht in Begriffen erschließt, die sich selbst kritisieren können, herrscht dieser Wirklichkeit das im Geld repräsentierte Mit-sich-selbst-identisch-Sein als eine ihr angeblich von Natur aus zukommende Eigenschaft auf. Anders, mit Freud gesagt: wer sich die Welt nur als Ansammlung von Zeichen denkt, macht sich unfähig, reale, von ihm getrennte Objekte libidinös zu besetzen.
Essayistisches Schreiben, das es allein rechtfertigt, eine Zeitschrift zu gründen, führt darum auch nicht Idiosynkrasien narzisstisch vor – und weiß dennoch, was es ihnen verdankt: Von ihnen zehrt der Gedanke, der über die Begriffslogik hinausgeht; sie sind die einzig mögliche – unmittelbare – Anwesenheit des Leibs im Denken. Aber auf sie sich einzuschränken und auf Begriffsbestimmung zu verzichten, wäre wiederum Regression des Denkens. Diese Gratwanderung hat die Begrifflichkeit des Essays mit dem Formsinn der Kunstwerke gemein. Nur fehlt ihr deren Evokationskraft, und schon deshalb kann sie sich selbst ohne Reflexion aufs Ästhetische im engeren Sinn nicht wirklich entwickeln.
Die Zeitschrift ist dabei wie in allen anderen Fragen der Kritik keineswegs pluralistisch. Sie hat nicht zuletzt das Ziel, den Konsens, auf den der Pluralist sich berufen muss, als der Form Kapital äquivalent bloßzulegen. Aber sie verteidigt mit größtem Engagement noch den Pluralismus gegen autoritäres Potential wie antiautoritäre Gewaltphantasie, die ihm selbst entspringen und beide – von attac bis occupy und Kommendem Aufstand – so auffällig die antikapitalistische Regression der Gegenwart kennzeichnen, terminierend in den schlimmsten Formen des Politischen: deutscher Ideologie und deren djihadistischer Fortsetzung. Die totale Vermittlung, die durchs Unwesen Kapital gesetzt ist, und das auf Totalität zielende Ungeheuer, das sie beseitigt, sind von der Kritik als Einheit zu begreifen, und dennoch dürfen sie ihr nicht eins sein, will sie ein Bewusstsein ihrer eigenen Voraussetzungen haben.
Wissenschaftliche Abhandlungen zu veröffentlichen, überlässt die Zeitschrift den dafür zuständigen Institutionen. In ihr werden keine Diskurse oder Narrative beschworen oder analysiert, denn dies ist die Selbstzerstörung des Pluralismus: Sie rufen in ihrer bewusst im Unverbindlichen gehaltenen Form und ihrem den Wahrheitsbegriff leugnenden Inhalt letztlich jenen Gegensouverän auf den Plan, der die Gesellschaft nicht nur auflöst in diffuse barbarische Vielheit. Anders als der Souverän, der die Form als Ausbeutungsform objektiviert, das heißt als ewig und allgemein verbindlich mittels Todesdrohung zu garantieren vorgibt, polt sie sein in der Krise notwendig auftauchender Kontrahent inhaltlich gezielt auf Vernichtung um der Vernichtung willen.
Am Hass, der Israel entgegenschlägt, weiß diese Zeitschrift darum sans phrase die heute gefährlichste Konsequenz solchen Wahns zu erkennen und zu denunzieren.
Aktualisiert: 2022-11-22
Autor:
Theodor W. Adorno,
Aljoscha Bijlsma,
Joachim Bruhn,
Manfred Dahlmann,
Jean-Michel Frodon,
Thorsten Fuchshuber,
Marlene Gallner,
Caroline Glick,
Renate Göllner,
Alex Gruber,
Michael Heidemann,
Klaus Heinrich,
David Hellbrück,
Christoph Hesse,
Claude Lanzmann,
Niklaas Machunsky,
Kaveh Nassirin,
Karl Pfeifer,
Florian Ruttner,
Gerhard Scheit,
Christian Thalmaier
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Der dritte Band der Gesammelten Schriften von Manfred Dahlmann versammelt grundsätzliche Überlegungen des Autors zu den zentralen Kategorien der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, an denen er unter dem Eindruck der sogenannten Eurokrise seit 2012 gearbeitet hat. Neben den abgeschlossenen Aufsätzen aus der Reihe zur Kritik der politischen Ökonomie in der Zeitschrift sans phrase, die er selbst nicht mehr abschließen konnte, aber noch vor seinem Tod für eine selbständige Publikation bearbeitet hat, enthält der Band auch Hinweise auf weiterführende und die Artikelserie fortsetzende Überlegungen in Form von Fragmenten und Gedankensplittern aus dem Nachlass. Der Band wird um einen Anhang ergänzt, der Diskussionsprotokolle und Artikel zu Problemen der Kritik der politischen Ökonomie im Allgemeinen und zu Überlegungen rund um die Eurokrise und den deutschen Autarkiewahn im Besonderen umfasst.
Aktualisiert: 2022-11-22
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Die Zeitschrift sans phrase verfolgt kein ‘Programm’, weder ein theoretisches noch ein politisches: Ihr einziges Interesse besteht in Ideologiekritik – darin, dem kollektiv wirksamen Wahn zu widersprechen in dem Wissen, dass er dem Innersten der Gesellschaft entspringt, dort, wo das Subjekt die Krise ‘bewältigt’, die das Kapitalverhältnis seinem Wesen nach ist. Der so gefasste Vorrang des Objekts erfordert allerdings einen Subjektbegriff, der in dem der Charaktermaske nicht aufgeht: Das notwendig falsche Bewusstsein in seiner Notwendigkeit zu durchschauen, setzt Freiheit voraus, wie jeder kategorische Imperativ sie beinhaltet – erst recht der von Marx, “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”.
Ideologiekritik bedeutet damit nichts anderes, als das Existentialurteil zu entfalten, dessen Abbreviatur nach Adorno lautet: “Das Ganze ist das Unwahre”. Doch wie das Unwahre selbst bestimmt, d.h. negiert wird, kann es per se niemals unabhängig von geschichtlicher Erfahrung sein und ist damit unabdingbar angewiesen auf den neuen kategorischen Imperativ: noch im Stande der Unfreiheit die Freiheit zu behaupten, “Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole”.
Solche Dialektik ist negativ, das heißt: sie gibt das Antinomische in keinem ihrer Begriffe preis. Aufzulösen wäre es nur, wenn jener Marxsche Imperativ in die Tat umgesetzt würde. Ein Verständnis hingegen, das Wirklichkeit nicht in Begriffen erschließt, die sich selbst kritisieren können, herrscht dieser Wirklichkeit das im Geld repräsentierte Mit-sich-selbst-identisch-Sein als eine ihr angeblich von Natur aus zukommende Eigenschaft auf. Anders, mit Freud gesagt: wer sich die Welt nur als Ansammlung von Zeichen denkt, macht sich unfähig, reale, von ihm getrennte Objekte libidinös zu besetzen.
Essayistisches Schreiben, das es allein rechtfertigt, eine Zeitschrift zu gründen, führt darum auch nicht Idiosynkrasien narzisstisch vor – und weiß dennoch, was es ihnen verdankt: Von ihnen zehrt der Gedanke, der über die Begriffslogik hinausgeht; sie sind die einzig mögliche – unmittelbare – Anwesenheit des Leibs im Denken. Aber auf sie sich einzuschränken und auf Begriffsbestimmung zu verzichten, wäre wiederum Regression des Denkens. Diese Gratwanderung hat die Begrifflichkeit des Essays mit dem Formsinn der Kunstwerke gemein. Nur fehlt ihr deren Evokationskraft, und schon deshalb kann sie sich selbst ohne Reflexion aufs Ästhetische im engeren Sinn nicht wirklich entwickeln.
Die Zeitschrift ist dabei wie in allen anderen Fragen der Kritik keineswegs pluralistisch. Sie hat nicht zuletzt das Ziel, den Konsens, auf den der Pluralist sich berufen muss, als der Form Kapital äquivalent bloßzulegen. Aber sie verteidigt mit größtem Engagement noch den Pluralismus gegen autoritäres Potential wie antiautoritäre Gewaltphantasie, die ihm selbst entspringen und beide – von attac bis occupy und Kommendem Aufstand – so auffällig die antikapitalistische Regression der Gegenwart kennzeichnen, terminierend in den schlimmsten Formen des Politischen: deutscher Ideologie und deren djihadistischer Fortsetzung. Die totale Vermittlung, die durchs Unwesen Kapital gesetzt ist, und das auf Totalität zielende Ungeheuer, das sie beseitigt, sind von der Kritik als Einheit zu begreifen, und dennoch dürfen sie ihr nicht eins sein, will sie ein Bewusstsein ihrer eigenen Voraussetzungen haben.
Wissenschaftliche Abhandlungen zu veröffentlichen, überlässt die Zeitschrift den dafür zuständigen Institutionen. In ihr werden keine Diskurse oder Narrative beschworen oder analysiert, denn dies ist die Selbstzerstörung des Pluralismus: Sie rufen in ihrer bewusst im Unverbindlichen gehaltenen Form und ihrem den Wahrheitsbegriff leugnenden Inhalt letztlich jenen Gegensouverän auf den Plan, der die Gesellschaft nicht nur auflöst in diffuse barbarische Vielheit. Anders als der Souverän, der die Form als Ausbeutungsform objektiviert, das heißt als ewig und allgemein verbindlich mittels Todesdrohung zu garantieren vorgibt, polt sie sein in der Krise notwendig auftauchender Kontrahent inhaltlich gezielt auf Vernichtung um der Vernichtung willen.
Am Hass, der Israel entgegenschlägt, weiß diese Zeitschrift darum sans phrase die heute gefährlichste Konsequenz solchen Wahns zu erkennen und zu denunzieren.
Aktualisiert: 2022-11-22
Autor:
Aljoscha Bijlsma,
Martin Blumentritt,
Joachim Bruhn,
Phyllis Chesler,
Manfred Dahlmann,
Marlene Gallner,
Simon Gansinger,
H. v. Z.,
David Hellbrück,
Carla Henius,
Dr. S. Kliwansky,
Lukas Kurth,
Florian Müller,
Gerhard Oberschlick,
Karl Pfeifer,
Holger Politt,
Martin Puder,
Gerhard Scheit,
Nikolai Schreiter,
Michaela Sivich
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Roman Rosdolsky wurde 1898 im österreichisch-ungarischen Lemberg geboren. Während des Ersten Weltkrieges war er Anhänger Friedrich Adlers wie auch Karl Liebknechts und gründete als Soldat den illegalen Bund der Internationalen Revolutionären Sozialdemokratischen Jugend. Rosdolsky war Mitbegründer der Kommunistischen Partei Ostgaliziens, die mit den russischen und ukrainischen Bolschewiki eng kooperierte, und galt als deren Theoretiker. Nach der Niederschlagung der Westukrainischen Volksrepublik im Mai 1919 emigrierte er nach Prag, um Rechts- und Staatswissenschaft zu studieren. 1924 setzte er sein Studium bei Carl Grünberg in Wien fort. Grünberg, der erste Direktor des Instituts für Sozialforschung sowie dessen ehemaliger Schüler Max Adler prägten Rosdolskys Auseinandersetzung mit der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie.
Vom 1. Januar 1929 bis zur Absetzung David Rjasanows im Jahre 1931 war Rosdolsky Mitarbeiter des Moskauer Marx-Engels-Instituts in Wien. Dabei hatte er den Auftrag, systematisch die Bestände im Haus-, Hof- und Staatsarchiv auszuwerten und Fotokopien der Marx betreffenden Polizeiakten für das Marx-Engels-Institut anfertigen zu lassen. 1934 kehrte er aus Wien nach Lwów/Lemberg zurück und arbeitete bis zum deutschen Überfall auf Polen am dortigen Institut für Wirtschaftsgeschichte. Als im Herbst 1939 die Rote Armee im Einvernehmen mit Adolf Hitler die Westukraine besetzte, entschloß sich Rosdolsky der bolschewistischen Verfolgung als Trotzkist durch die Übersiedlung ins nationalsozialistisch besetzte Krakau zu entziehen. Dort wurden er und seine Frau Emmy im Herbst 1942 von der Gestapo verhaftet, da sie sich ‚schuldig‘ gemacht hatten, Juden zu verstecken. Roman Rosdolsky wurde als politischer Häftling verfolgt, nach Auschwitz und später in die Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen deportiert.
1947 emigrierte er mit seiner Frau und seinem Sohn aus Angst vor dem stalinistischen Terror aus dem sowjetisch besetzten Österreich in die USA. Bis zu seinem Tod im Jahr 1967 lebte er in Detroit. Sein Hauptwerk, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen ›Kapital‹, über MarxensGrundrisse hatte in den 1970er Jahren starken Einfluss auf die neomarxistische Debatte und galt innerhalb der Neuen Linken als Einstieg in die Kritik der politischen Ökonomie; bereits kurz nach Erscheinen avancierte es zum Standardwerk.
Helmut Reichelt würdigt die Schrift in seiner Arbeit Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs gleich zu Beginn: »Als Roman Rosdolsky im Jahre 1948 zum ersten Male Gelegenheit hatte, den Rohentwurf des Kapitals zu studieren, nahm er an, daß mit der Veröffentlichung dieses umfangreichen Textes eine neue Phase in der Auseinandersetzung mit dem Marxschen Werk eingeleitet würde. Zwar glaubte er nicht – wie man der Vorrede zu seinem Kommentar des Rohentwurfs entnehmen kann –, daß dieser Text in einen breiten Lesekreis eindringen würde; das hielt er wegen der ›eigentümlichen Form und der teilweise schwer verständlichen Ausdrucksweise‹ für ausgeschlossen. Gleichwohl war er überzeugt, daß es in Zukunft kaum mehr möglich sein werde, ein Buch über Marx zu schreiben, ohne vorher die Methode im Kapital und deren Beziehung zur Hegelschen Philosophie genau studiert zu haben: und das würde über kurz oder lang zu einer allgemeinen Klärung vieler ungelöster Fragen im Marxschen Werk beitragen.«
In einem Radio-Essay aus dem Jahr 1969 hebt auch der Adorno-Schüler Martin Puder Rosdolskys Arbeit besonders hervor: »Der von Rosdolsky kommentierte Rohentwurf des Kapital wirft auf sie [die Frage, ob Marx überholt sei] deshalb neues Licht, weil er den fließenden Charakter von Kategorien des Marxschen Denkens erkennen lässt, die nach der traditionellen Auffassung ganz fixiert zu sein scheinen.« Weiter heißt es: »Rosdolsky [widersteht] trotz seiner neomarxistischen Grundhaltung allen Versuchen, die Theorie von der Verelendung des Proletariats durch Begriffe wie ›mentale Verelendung‹, ›psychische Verelendung‹ oder gar ›moralische Verelendung‹ zu retten. Selbst den Terminus ›relative Verelendung‹ lehnt Rosdolsky ab. Er geht davon aus, dass derartige Übertragungen, in denen sich der akademische Marxismus gegenwärtig wieder gefällt, nur von der Stumpfheit ihrer Autoren gegenüber wirklichem, physischem Entbehren zeugen.«
Rosdolskys Arbeit stellt das Marxsche Kapital durch den Rückbezug auf den Ursprungstext der Kritik der politischen Ökonomie in einem anderen Licht dar. Damit wendet er sich sowohl gegen akademische wie auch marxistische Lesarten des Kapitals und legt einen Grundstein für die Neue Marx-Lektüre.
Zur Edition der vorliegenden Ausgabe: Unsere Ausgabe beruht in großen Teilen auf der Erstausgabe, die die Europäische Verlagsanstalt (EVA) 1968 vorlegte. Unsere Edition weist daher eine Seitenkonkordanz zur Erstauflage der EVA auf (die Zweitauflage der EVA wurde um den sogenannten Anhang, der etwa 200 Seiten umfasste, mit einem winzigen Hinweis gekürzt) und wird darüber hinaus um ein von Roman Rosdolsky zwar geplantes, doch von den Herausgebern der Erstauflage gestrichenes (und zum Teil grobschlächtig umgestelltes) Kapitel im Anhang der Neuauflage erstmals publiziert. Außerdem wurden alle Zitate kritisch geprüft und nach heute gängigen Ausgaben zitiert; Fehler in der Kapitelzählung sowie Rechtschreib- und Grammatikfehler wurden korrigiert und immer an entsprechender Stelle durch Eingriffe, die die Herausgeber vornehmen mussten, dokumentiert. Ein kritischer Kommentar der Herausgeber, der dem Buch vorweggeschickt wird, erstattet erstmals Bericht über die Entstehungsgeschichte der Entstehungsgeschichte, die sich keineswegs einfach gestaltete. Dem Anhang der neuen Edition ist ein komplett überarbeitetes Personenregister und eine aktuelle Auswahlbibliographie der Arbeiten, die Roman Rosdolskys im Rahmen einer Kritik der politischen Ökonomie verfasst hat, beigegeben. Dennoch – so viel vorweg – handelt es sich hiermit um keine historische-kritische Ausgabe, da nach wie vor der Gehalt des Buches für sich selbst sprechen und zu einer Neudiskussion des Textes einladen soll.
Aktualisiert: 2023-04-12
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Bücher von Hellbrück, David
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- Hellbrügge, Theodor
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- Hellbrunn, Richard
- Hellbusch, Heinz
- Hellbusch, Jan Eric
- Helldörfer, Thomas
- Helldorf, Anna Lena
- Helldorf, Wolf D von
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