Editorial
10 Jahre Bibliophile Gesellschaft Trier
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist inzwischen zehn Jahre her, seit am 3. Juli
1998 im historischen Lesesaal der Bibliothek
des Bischöflichen Priesterseminars die
Bibliophile Gesellschaft gegründet wurde.
Die Gründung war ein Gemeinschaftswerk
von Franz Ronig, der sich seit Jahrzehnten
mit der Geschichte der Trierer Bücherschätze
beschäftigt hatte, von Ekkart Sauser, dem
begeisterten Sammler von Faksimiles, von
Michael Embach, der die Chancen erkannte,
die ein Förderverein für eine theologische
Fachbibliothek bot, und von Gaby Fischer aus
Bad Ems, die unermüdlich Ausstellungen,
Bücherbasare und Konzerte organisierte sowie
zielstrebig ein Skriptorium aufbaute.
An jenem 3. Juli 1998 hatten sich
trotz der späten Stunde immerhin 22
Interessierte im Lesesaal eingefunden, die
den Satzungsentwurf diskutierten und verabschiedeten
sowie einen Vorstand wählten.
Der Verein sollte hochgespannte
Erwartungen erfüllen: Die Ausrichtung von
Seminaren und anderen Veranstaltungen
für Freunde des schönen alten Buches,
die Durchführung von Forschungs- und
Publikationsvorhaben, die Organisation
von Exkursionen, die Herausgabe von
Vereinsmitteilungen, die Erhaltung und
Restaurierung von Handschriften, die
Schaffung einer Wanderausstellung, die
Erforschung der Buchgeschichte, der
Einbände und Farbrezepte, die Schaffung
einer Begegnungsstätte im Lesesaal
der Seminarbibliothek, die Erstellung
von Bibliografien, die fotografische
Dokumentation auswärtiger Trevirensien
und die Herstellung von Kontakten zu
Bibliotheken und Museen. Nach zehn
Jahren liest man diese Zusammenstellung
mit Erstaunen, weil sich eine Reihe von
Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen
Programm ergeben hat, die eine erfreuliche
Weiterentwicklung deutlich machen.
Dennoch kann die Bibliophile Gesellschaft
auf das bisher Erreichte stolz sein,
Veränderungen der Schwerpunkte sind ein
Hinweis auf ein lebendiges Vereinsleben und
ein Ansporn für unsere Mitglieder, sich in
den bisher vernachlässigten Arbeitsbereichen
zu engagieren.
Der Vorstand war dann an jenem Abend
schnell gewählt: Zum Vorsitzenden proklamierte
die Versammlung Franz Ronig, zu seinem
Stellvertreter Ekkart Sauser; beide bekleiden
die Ämter inzwischen schon seit zehn
Jahren. Auch bei den anderen Vorstandsposten
ist eine erstaunliche Kontinuität zu beobachten:
Die Geschäftsführung übernahm
Gaby Fischer, Schriftführer wurde Bernhard
Schmitt, Schatzmeister H.-Bodo Lentzen-
Deis, Beisitzer Hans-Joachim Kann und
Mathilde Hermann, Kassenprüfer Harald
Meyer und Wolfgang Schmid.
Es hatte in den Tagen der Gründung
der Gesellschaft bei den Trierer
Kulturinteressierten für eine gewisse
Verstimmung gesorgt, dass fast zeitgleich,
am 30. Juni 1998, im Kurfürstlichen Palais
die „Gesellschaft der Freunde und Förderer
der Stadtbibliothek Trier e.V.“ aus der Taufe
gehoben wurde. Kritische Stimmen fragten,
ob es denn wirklich sinnvoll sei, nur wenige
hundert Meter voneinander entfernt zwei
bibliophile Gesellschaften zu gründen. Doch
es sollte sich nicht als Nachteil erweisen:
Der Mitgliederkreis ist teilweise identisch,
und beide Gesellschaften entwickelten mit
der Zeit ein eigenes, recht unterschiedliches
Profil: Die „Freunde und Förderer“ konzentrierten
sich auf die Finanzierung von
Restaurierungsmaßnahmen, während bei der
„Bibliophilen Gesellschaft“ ein anregendes
Vortragsprogramm und die Herausgabe der
Mitgliederzeitschrift im Vordergrund stand.
Nach zehn Jahren kann man festhalten,
dass sich beide Gesellschaften in der bereits
dicht besetzten Trierer Kulturszene ihren
Platz gesichert haben. Es bleibt jedoch die
Aufforderung, in Zukunft nicht nur erfolgreich
miteinander zu konkurrieren, sondern
auch über Kooperationsmöglichkeiten der
beiden Gesellschaften und der beiden, mittlerweile
unter neuer Leitung befindlichen
Bibliotheken nachzudenken.
Viel Zeit, Geld und Energie hat
die „Bibliophile Gesellschaft“ in ihre
Mitgliederzeitschrift „Libri Pretiosi“ gesteckt.
Aller Anfang ist schwer. Wir begannen
mit einem handgestrickten, fotokopierten
Heft, das sich in seinem äußeren
Erscheinungsbild und seinem Papier an einen
mittelalterlichen Codex anlehnte und
das zweimal im Jahr erscheinen sollte. Mit
Schere, Tipp Ex und Klebestift kämpften wir
gegen die Tücken der Textverarbeitung und
gegen die Zeit. Immer wieder wurden wir von
Vereinsmitgliedern angesprochen „Wo bleibt
denn das nächste Heft?“, während wir gleichzeitig
noch säumigen Autoren hinterher telefonierten.
Mit der Zeit entwickelte sich eine
ordentlich gebundene und mit einem professionellen
Titelblatt versehene Zeitschrift, in
der zunehmend auch anspruchsvolle Beiträge
publiziert wurden. Sie wird inzwischen nicht
mehr in Eigenbau hergestellt, sondern von
einem Verlag produziert, ist mit Farbtafeln
ausgestattet, und sie erscheint einmal im Jahr
zur Mitgliederversammlung.
Das inhaltliche Grundgerüst der „Libri
Pretiosi“ blieb bestehen, ein Editorial, wissenschaftliche
Beiträge, Rezensionen und
Berichte, eher essayistische Buchgedanken
und Berichte aus der Vereinsarbeit. Die
Schwerpunkte haben sich etwas verschoben:
Die wissenschaftlichen Beiträge haben an
Bedeutung gewonnen, für die umfangreichen
Bibliographien wurden keine Bearbeiter mehr
gefunden, und der Veranstaltungskalender
ist auf der Homepage von Bibliothek und
Gesellschaft besser aufgehoben. Das zehnjährige
Jubiläum ist ein weiterer Grund,
den Mitarbeitern der Schriftleitung und
den Hilfskräften, die sie gelegentlich unterstützten,
einen herzlichen Dank auszusprechen.
In den ersten Jahren waren dies
Gaby Fischer, H.-Bodo Lentzen-Deis und
Bernhard Schmitt, zwischenzeitlich Hans-
Joachim Kann und Rainer Schwindt, derzeit
sind es Karl-Heinz Hellenbrand und Patrick
Trautmann.
Das inzwischen professionell gestaltete
Titelblatt der „Libri Pretiosi“ ziert eine
Initiale aus einer St. Gallener Handschrift des
10. Jahrhunderts in der Seminarbibliothek
(Hs. 106). Sie zeigt zwei Drachen, deren
Schwänze kunstvoll miteinander verschlungen
sind. Die Drachen stehen symbolisch
für den Kampf der Redaktion mit
dem Tippfehlerteufel, gegen den wir in den
ersten Heften schmerzhafte Niederlagen erleiden
mussten. Wenn uns kurz nach dem
Erscheinen einige Mitglieder ihre korrigierten
Hefte gezeigt haben, dann war dies für
uns aber auch ein schönes Zeichen, dass die
„Libri Pretiosi“ ihre Aufgaben erfüllt haben,
nämlich einen weit gestreuten Mitgliederkreis
anzusprechen und die Auswärtigen, die nicht
regelmäßig zu den Veranstaltungen kommen
können, über die Vereinsarbeit zu informieren.
Die beiden Drachen befinden sich auch
als Logo auf der Homepage unseres Vereins,
die, nach den Zuschriften an den Betreuer zu
schließen, ebenfalls regen Zuspruch zu verzeichnen
hat.
Die Höhepunkte des Vereinslebens waren
vor allem die Vorträge. Hatten wir am Anfang
noch ganz erhebliche Schwierigkeiten, bei
dem recht dichten Trierer Kulturprogramm
überhaupt Zuhörer zu mobilisieren – zumal
viele Mitglieder außerhalb von Trier
wohnen –, so entstand dann doch ein Kern
von Gästen, der sich vor allem auch über
das Glas Wein und das Gespräch nach den
Veranstaltungen freute; ein zunächst kleiner
Kreis, der sich in den letzten Jahren
zu einer stattlichen Zahl von Besuchern
auswuchs. Dies ist einmal das Verdienst
von Franz Ronig, der eine große Zahl an
Vorträgen zur Buchkunst des Mittelalters
anbot und bei diesen Gelegenheiten seinen
beachtlichen „Fanclub“ mobilisierte. Und es
ist das Verdienst von Michael Embach, der
die Kontakte der Bibliothek zur Universität
ausbaute und eine ganze Reihe renommierter
Germanisten und Kunsthistoriker für
Referate gewinnen konnte. Die Vorträge
führten auch einige Kollegen von der
Universität in die Bibliothek. Einmal angekommen,
standen viele Gäste staunend vor
den langen Bücherreihen im Lesesaal, warfen
einen Blick in die Ausleihe und nahmen
sich fest vor, auch einmal während der
Öffnungszeiten in die Bibliothek zu kommen.
Besonderen Zulauf hatte eine Serie
von Buchvorstellungen, die es den Autoren
ermöglichte, ihre neuen Werke einem interessierten
Fachpublikum zu präsentieren.
Dass eine Reihe von Vorträgen in der Reihe
der Mitteilungen und Verzeichnisse der
Bibliothek publiziert wurde und somit auch
käuflich erworben werden konnte, hat die
Bekanntheit der Veranstaltungen noch gesteigert.
Neben den Vorträgen spielten
Besichtigungen und Exkursionen eine wichtige
Rolle: Bereits 1998 fuhr die Gesellschaft
nach Metz, 1999 nach Mainz, 2000 wurden
die Bibliotheken von St. Matthias,
die in Bernkastel-Kues, die des Görres-
Gymnasiums in Koblenz und die Emil
Meynen-Bibliothek Trier besichtigt, 2001
die des Liturgischen Instituts und die der
Weißen Väter; zudem wurden Ausstellungen
in Trier und Mannheim – eine gemeinsame
Exkursion mit dem Förderverein der
Stadtbibliothek – besucht. 2002 fuhren wir
nach Köln und Heidelberg und besuchten
in Trier die Bibliothek des Rheinischen
Landesmuseums, 2003 ging es nach Redu
und 2008 in den Trierer Domschatz.
Schließlich sei der Hinweis gestattet, dass
der Förderverein mehrfach Spendenaufrufe
an seine Mitglieder richtete und auch in
Veranstaltungen die Werbetrommel zum
Kauf von Faksimileausgaben rührte. Beim
Erwerb des Hainricus-Sakramentars konnte
die Gesellschaft einen namhaften Betrag zur
Finanzierung leisten.
Leider gibt es auch Verluste zu beklagen.
2004 starb plötzlich und unerwartet Bernhard
Schmitt, der seit 1989 als Fachreferent und
als stellvertretender Leiter in der Bibliothek
tätig war, nach der Gründung des Vereins
dann als Schriftführer und schließlich auch
als Geschäftsführer für den Verein. Er hat die
wachsende Mitgliederzahl betreut und auch
sehr intensiv an der Mitgliederzeitschrift
mitgearbeitet, für die er regelmäßig umfangreiche
Bibliographien verfasste. Bernhard
Schmitt starb kurz vor der Eröffnung einer
Ausstellung über das Rheinland und
das Heilige Land im Spiegel der Trierer
Bücherschätze, für die er noch einen kleinen
Katalog erarbeitet hatte.
2007 verließ Michael Embach die
Bibliothek, um wenige hundert Meter weiter
die Leitung der Trierer Stadtbibliothek
zu übernehmen. Er war seit 1982 als
Bibliotheksrat und seit 1989 als Direktor der
Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars
tätig, war in dieser Funktion auch von
Anfang an Mitglied des Vorstandes unserer
Gesellschaft und hat in seiner stillen und diplomatischen
Art manchen Konflikt zwischen
den verschiedenen Gruppierungen innerhalb
des Vereins entschärft. Durch seine Kontakte
zu Fachkollegen, zur Universität und
zum Historisch-Kulturwissenschaftlichen
Forschungszentrum (HKFZ) Mainz-Trier
hat er vieles zum Profil des Vortrags- und
Ausstellungsprogramms beigetragen und
auch manchen Kollegen aus der Germanistik
und Kunstgeschichte zum Besuch der
Veranstaltungen mobilisieren können.
Schließlich ging Anfang 2008 Karin
Flohr in den wohlverdienten Ruhestand. Sie
darf bei den Danksagungen nicht vergessen
werden, denn sie hat über Jahre hinweg das
Rahmenprogramm zu den Vorträgen organisiert.
Im Anschluss an die Veranstaltung
gab es regelmäßig ein oder auch zwei Glas
Wein und ein Brötchen im angrenzenden
Seminarraum – und die Möglichkeit zu einer
anregenden Unterhaltung mit dem Referenten
und den anderen Zuhörern. Bei diesen
Gesprächen lernten sich die Mitglieder untereinander
kennen, wurde mancher Kontakt
vermittelt, manche Idee zu einem Vortrag,
einem Projekt oder einem Aufsatz geboren.
Karin Flohr sei hier stellvertretend für
eine ganze Schar fleißiger Helfer genannt,
die den Lesesaal und den Seminarraum
vor den Veranstaltungen aus- und dann
am nächsten Morgen wieder einräumten.
Gedankt sei auch denjenigen, die sich um die
Verdunkelung, die Bildpräsentation und die
Lautsprecheranlage kümmerten. Nachdem
man bei einigen Vorträgen in der Frühzeit des
Vereins kaum etwas hören und sehen konnte,
haben die Zuhörer wie die Referenten den
reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen
schätzen gelernt.
Diese Veränderungen stellen für die Bibliophile
Gesellschaft eine Herausforderung
dar. Seit Anfang 2008 ist Rainer Schwindt
neuer Direktor der Bibliothek; er war zuvor
von 2005 bis 2007 Fachreferent,
Stellvertreter und auch Geschäftsführer unserer
Gesellschaft. Anfang 2008 wurde zudem
Patrick Trautmann Nachfolger von Rainer
Schwindt auf der Stellvertreterstelle. Zur
gleichen Zeit hat Lucie Raul die Aufgaben
von Karin Flohr übernommen.
Der Vorstand unseres Vereins besteht so
aus Personen mit langjähriger Erfahrung
und solchen mit neuen Ideen. Es wird in
den nächsten Jahren darauf ankommen, die
Bibliophile Gesellschaft neu zu positionieren:
Auf unsere Mitgliederzahl von 156 können
wir stolz sein, aber es mangelt wie in den
meisten anderen Vereinen an Personen, die
das Rentenalter noch nicht erreicht haben.
Es wird darauf ankommen, gerade
auch im Kreis der am Bildschirm arbeitenden
Theologen, Germanisten, Historiker,
Kunsthistoriker und Bibliothekare (beiderlei
Geschlechts) neue Mitstreiter zu gewinnen.
Wir brauchen diese vor allem auch für
unsere Zeitschrift, weil die Redaktion nicht
nur die Drucklegung betreut, sondern auch
im zehnten Vereinsjahr noch im Spätsommer
hinter potentiellen Autoren hinterher telefoniert.
Auch das Vortragsprogramm muss
weiterentwickelt werden, zumal jetzt auch
die Stadtbibliothek mit einem deutlich verbreiterten
Angebot an die Öffentlichkeit
getreten ist. Hier sind eine Infrastruktur geschaffen
und ein Publikum vorhanden, doch
müssen ansprechende Vortragsfolgen, spannende
Themen und qualifizierte Referenten
gewonnen werden, um die Arbeit erfolgreich
fortsetzen zu können.
Wolfgang Schmid