Zur Vorteilhaftigkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs gegenüber dem traditionellen Reaktionsinstrumentarium des Strafrechts scheint alles gesagt. Seine Überzeugungskraft in spezial- und generalpräventiver Hinsicht ist umfassend dargelegt worden, die durch ihn endlich realisierte Einbeziehung des Opfers in den Vorgang der Tatbewältigung begrüsst worden. Die Euphorie ist bereits einer selbstverständlichen Rede von Nutzen und Gewinn der kriminalpolitischen Idee gewichen. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage nach dem Motiv auf, zu den zahlreichen rechtswissenschaftlichen Arbeiten zum Täter-Opfer-Ausgleich eine weitere gesellen zu wollen. Der Grund hierfür liegt in der Einseitigkeit der Diskussion. Obgleich der Täter-Opfer-Ausgleich in der Rechtswirklichkeit vorwiegend als Diversionsinstrument Einsatz findet und in dieser Funktion schon begrifflich einen Zielkonflikt mit der Unschuldsvermutung beschreibt, nehmen rechtsstaatlich-kritische Themenstellungen in Bezug auf den Täter-Opfer-Ausgleich einen nur marginalen Stellenwert ein. Dieser Befund ist symptomatisch für den bereits vollzogenen Zugriff der Kriminalpolitik auf das Strafverfahren und für das weitgehende Sich-Arrangieren der Rechtslehre mit dieser Entwicklung. Weil der Täter-Opfer-Ausgleich eine konstruktive Tatbewältigung zulässt, die Einbeziehung der Opferperspektive erlaubt, spezial- und generalpräventiven Strafbedürfnissen in hohem Masse gerecht zu werden scheint, wiegen Bedenken, wie es sich denn mit den rechtsstaatlichen Garantien eines Beschuldigten verhält, wenn dieser, bevor überhaupt auf seine Tatschuld erkannt worden ist, die Folgen der Straftat wieder gut zu machen hat, um aus dem Strafverfahren entlassen zu werden, nur leicht. Diese Arbeit hat es sich in einem grösseren Zusammenhang zum Ziel gesetzt, der Instrumentalisierung des Strafverfahrens zu allerlei kriminalpolitischen Zwecksetzungen entgegenzutreten. Sie zeigt die Instrumentalisierung des Strafverfahrens und insbesondere die mit ihr verbundenen negativen Folgen für die Subjektstellung des Beschuldigten am Beispiel des Täter-Opfer-Ausgleichskonzeptes auf, wie es durch die Vorschriften der §§ 153 a I Nr. 5, II, 153 b I, II StPO i. V. m. § 46 a Nr. 1 StGB beschrieben ist. Dabei soll auch aufgezeigt werden, dass kriminalpolitische Konzepte, die das Strafverfahren überrollen, bei genauerem Hinsehen nur vordergründig hehre Zielsetzungen wie den Opferschutz oder die sozialkonstruktive Tatbewältigung im Sinn haben, sie stattdessen vielmehr als Instrumente fungieren, durch Verzicht auf strenge Förmlichkeiten des Strafverfahrens der Kapazitätserweiterung des Strafrechts Herr zu werden. Die Forderung besteht, dass sich das Strafverfahren wieder auf seinen Grund und seine Legitimation, bei der Aufklärung des Tatvorwurfes die Freiheitsrechte des Individuums gegen die Allmacht des Staates zu verteidigen, besinnen können soll.
Aktualisiert: 2020-12-04
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