Fahrradverleihsysteme in Deutschland

Fahrradverleihsysteme in Deutschland von Monheim,  Heiner, Muschwitz,  Christian, Reimann,  Johannes, Streng,  Matthias
In jüngster Zeit ist die (stadt-)verkehrspolitische Debatte durch eine Reihe neuer Impulse bereichert geworden. In immer mehr Städten und Regionen entstehen neue, innovative Angebotskonzepte die man unter dem Oberbegriff „Shared Mobility “ zusammenfassen könnte, also „Share Ware“ in Form von öffentlichen Fahrzeugen. Die klassischen begrifflichen und konzeptionellen Grenzen zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr beginnen sich aufzulösen. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass gerade das Fahrrad sich gleich in doppelter Weise verändert: • einmal als öffentliches Fahrrad in Form eines für alle zugänglichen Leihfahrrades im Rahmen von Bike Sharing-Konzepten • und zum zweiten als Pedelec, also als motorunterstütztes Fahrrad, das ein Zwitter zwischen motorisiertem und nicht motorisiertem Verkehr wird. Derzeit ist das Pedelec das mit Abstand am häufigsten verkaufte Elektrofahrzeug in Deutschland. Der Bestand bewegt sich schnell auf 1 Mio. Und der Boom nimmt weiter Fahrt auf. Daneben verändert sich, vor allem in den Zentren, der Charakter des Mobilitätsträgers Auto. Es entwickelt sich ebenfalls vom ausschließlich privat besessenen Verkehrsmittel, über das Car-Sharing, hin zum öffentlichen Leihauto, wie z.B. Car2Go oder Flinkster. Damit wächst die Chance, auch im Autoverkehr eine umfassende Effizienzstrategie einzuführen. Damit aus diesen ersten Tendenzen echte Impulse für eine wirkungsvolle Verkehrswende werden können, werden sich diese Innovationen schnell und weit verbreiten müssen. Hier ist zum einen der Mainstream der Verkehrsmittelwahl zu durchbrechen, als auch eine energische und systematische angegangene Implementationsstrategie entscheidend. So zeigt sich, dass überall dort, wo diese neuen Systeme zu zaghaft oder zögerlich eingesetzt werden, dass ihr Erfolg eher ausbleibt. Es reicht nicht aus, aus reiner Opportunität einfach ein bisschen Leihfahrrad oder ein bisschen Car-Sharing zu machen. Erst wenn diese Systemelemente aus der kleinen, exotischen Nische hervortreten und zum weit verbreiteten Regelangebot werden, sind breite Effekte wahrnehmbar. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sie professionell gemacht sein müssen, das wiederum erfordert kapitalstarke Investoren. Dann allerdings, so meinen wir, bietet sich die Chance, dass sich die neuen „Benutzen statt Besitzen- Angebote“ wirklich breit am Verkehrsmarkt durchsetzen und in nennenswerten Umfang den bisherigen Modal-Split positiv beeinflussen können. Die Zeit dafür scheint günstig zu sein, denn es mehren sich parallel die Anzeichen, dass die neue, innovativen Angebote auf einen neuen Mobilitätsstil, die Multi- und Intermodalität treffen. So wie es im Konsumbereich heute die multidimensionalen Verbraucher gibt, die heute im Bioladen und morgen bei Aldi einkaufen, so durchbrechen in jüngster Zeit mehr und mehr Menschen tradierte Mobilitätsmuster. Die Nutzer von Bike-und Car-Sharing bevorzugen eine differenzierte, selektive Fahrzeugnutzung durch regelmäßigen Gebrauch öffentlicher Fahrzeuge. Damit setzt sich immer mehr eine flexible, situative Verkehrsmittelnutzung durch. Bislang identifizieren die sozialwissenschaftlichen Lebens- und Mobilitätsstilanalysen diese neuen, multioptionalen Verhaltensweisen im Verkehr als typisch urban. Urbane Menschen verhalten sich in besonderem Maße multioptional, ihre Autofixierung sinkt stark, ihre private Motorisierung ist schon lange weit unterdurchschnittlich. Speerspitze der innovativen Leihfahrradsysteme, sind allen voran diejenigen in Frankreich und Spanien. Sie operieren verglichen mit den derzeitigen deutschen Systemen mit einer viel größeren Zahl von Rädern und Stationen. Sie machen dadurch ein nahezu ubiquitäres Angebot. Sie beachten im Detail eine enge Systemverknüpfung zu den ÖPNVHaltestellen. Die dortige Akzeptanz dieser innovativen Systeme ist groß. Bis zu zehn Nutzungen pro (betriebsbereitem) Rad und Tag lassen aufhorchen. Die starke ökonomische Power der Investoren aus der Werbewirtschaft und beachtliche Innovationsbereitschaft der engagierten Kommunen führt zu einer erfreulichen Dynamik nach der Zahl und Größe der Systeme. In Deutschland ist die Dynamik noch verhaltener. Umso wichtiger war der Impuls des Bundesmodellprogramms des BMVBS zu den innovativen Leihfahrradsystemen, das 2009 begonnen wurde und dessen Realisierungsstufen inzwischen von Zwischenstadien bis zu fertigen Endausbaustufen reichen. Der Versuch hat die öffentliche Wahrnehmung des Themas Leihfahrradsysteme und das kommunale Interesse in Deutschland klar gefördert. Umso bedauerlicher ist, dass nur ein Teil der seinerzeit zum Versuch angemeldeten Projekte auch wirklich umgesetzt werden konnte. Andererseits haben inzwischen auch viele andere Kommunen und Regionen eigene Aktivitäten im Bereich der Leihfahrradsysteme entfaltet, weil natürlich die beiden großen Anbieter Call a Bike und Nextbike weiter aktiv an der Vermarktung ihrer Konzepte (inkl. Hardware und Software) arbeiten. Damit wird die Lage unübersichtlich, weil ja nur der kleinste Teil der Systeme auch empirisch-analytisch begleitet wurde bzw. wird und die Anbieter mit ihrer Datenbereitstellung (Angebots- und Nutzungsdaten) ziemlich zugeknöpft sind. Insofern behandeln die in diesem Buch zusammengestellten Informationen und Einschätzungen vor allem die Akteure des Bundesmodellprogramms und das metropolradruhr-System. Angesichts der tatsächlich weitaus breiteren Realisierung, werden aber keine abschließenden Urteile vermittelt, sondern eher eine breite Zwischenbilanz aufgezeigt. Zumal ja auch im internationalen Maßstab weiterhin eine äußerst dynamische Entwicklung anhält. Ständig werden irgendwo in Europa neue Systeme entwickelt bzw. neue Variationen der bereits eingeführten Systeme in jeweils neuen Anwendungskontexten eingeführt. Diese Dynamik hat übrigens mittlerweile den ADAC federführend für mehrere europäische Automobilclubs veranlasst, die Autoren mit einer europaweiten Vergleichsanalyse von 40 Leihfahrradsystemen zu beauftragen. Das zeigt, wie ernst mittlerweile auch seitens der Autolobby diese neuen Mobilitätsdienstleistungen genommen werden. Um wenigstens etwas Struktur in die breite Vielfalt zu bringen, können grobe Typisierungen vorgenommen werden. Hinsichtlich der Gebietsabgrenzung lassen sich unterschieden • Systeme mit einem eng begrenzten Geltungsbereich, meist auf ein Innenstadtgebiet (z.B. Call a Bike in Berlin Mitte oder Hamburg) • gesamtstädtische Systeme mit einem die jeweilige Kernstadt und deren näheres Umland umfassenden Einsatzgebiet (z.B. Vélib Paris oder ve’loH! Luxemburg) • regionale bzw. interkommunale Systeme mit sehr großem, polyzentrischen Einsatzgebiet (z.B. im urbanen Bereich das metropolradruhr mit zehn einbezogenen Städten, im ländlichtouristischen Bereich das UsedomRad oder NiederrheinRad) Hinsichtlich der Menge an Fahrrädern und Stationen lassen sich mit Bezug auf die Einwohner, Arbeitsplätze und Übernachtungen eines Gebietes unterscheiden • Systeme mit wenigen Rädern und Stationen (das betrifft die Mehrheit der bisherigen deutschenSysteme) • Systeme mit vielen Rädern, aber relativ wenigen Stationen (z.B. das Usedomrad) • Systeme mit sehr vielen Rädern und sehr vielen Stationen (z.B. als bekanntestes europäisches Beispiel das Velib in Paris mit seinen knapp 25.000 Rädern und 1.500 Stationen). Hinsichtlich der Betreiberkonstellation lassen sich unterscheiden • Systeme in kommunaler Trägerschaft • Systeme in Trägerschaft von Verkehrsunternehmen (DB Rent bei Call a Bike oder die MVG als Träger des Mainrads in Mainz) • Systeme in privatwirtschaftlicher Trägerschaft (ein Teil der Nextbike- und JC Decaux-Systeme, sie finanzieren sich zusätzlich zu den Benutzerentgelten aus Werbeeinnahmen) • Systeme als Mitarbeiter, Behörden- oder Kundenrad in Trägerschaft von Firmen, vielfach in Verbindung mit Fahrradleasing (Nextbike oder Leaserad bieten solche Leistungen an, klassische Nutzer sind z.B. Hotels, die die Leihräder als Gästeräder anbieten). Für die systematische Einordnung moderner Leihfahrradsysteme ist ihre Abgrenzung zu einigen schon sehr viel länger bestehenden Klassikern des Fahrradverleihs wichtig. Diese betreffen • Fahrradstationen (leider bislang immer noch außer in Nordrhein-Westfalen in Deutschland wenig verbreitet), die immer auch Leihräder im Angebot haben, allerdings mit der klassischen Mietvertragsregelung und meist auch Rückgaberegelung. Neuerdings gibt es aber auch Verbundsysteme unter den Fahrradstationen, die auch Einwegfahrten mit dort ausgeliehenen Rädern und Rückgabe an einer anderen Fahrradstation zulassen (z.B. im Verbund der Fahrradstationen im Rheinland), • klassischen touristischen Fahrradverleih durch Fahrradläden und andere kleine Krauter in Tourismusregionen, mit Mietvertragsregelung, individueller Auswahl der Fahrräder und einem auch für Gruppen geeigneten Angebot (sehr häufig in Nord- und Ostseebädern sowie neuerdings auch verstärkt in Mittelgebirgsregionen); ähnlich funktioniert das Angebot von Ersatzrädern, wenn jemand sein Fahrrad reparieren lässt. Angesichts dieser beachtlichen Systemdifferenzierungen soll dieses Buch dazu beitragen, den Fachdiskurs zu forcieren, damit kommunale Fahrradverleihsysteme von der Ausnahme zur Regel werden können. Auf dem Weg dahin sind einige Fragen zu klären: • Werden öffentliche Fahrräder und Autos eines Tages zum ganz selbstverständlichen Bestandteil urbaner Mobilitätsangebote und touristischer Dienstleistungsketten? • Wird der Rechtsrahmen angemessen reformiert? Beispielsweise durch Sonderparkregelungen für Leihfahrräder, Car-Sharing und Car2Go Autos? Oder durch Integration in die normale ÖPNV-Tarifierung? • Wird der Finanzierungsrahmen angemessen reformiert? Etwa durch Erweiterung der Infrastrukturförderung um entsprechende Anlagen und Fahrzeuge? • Wird es für die notwendige Logistik und die Tarifierung einheitliche Standards geben? • Werden Bike- und Car-Sharing Regelbestandteil des kommunalen und betrieblichen Mobilitätsmanagements? • Wird die Wirtschaft die Multioptionalität und den erweiterten Mobilitätsservice als Zukunftsmärkte annehmen? Und wird sie sich dann auf breiter Basis am betrieblichen Mobilitätsmanagement beteiligen? • Welche Branchen (Fahrzeugheersteller, Logistiker, Verkehrsunternehmen) werden in die neuen Geschäftsfelder investieren? Jedenfalls passen, wie schon erwähnt, die alten Begrifflichkeiten nicht mehr auf die neue Entwicklung. Das öffentliche Auto oder das öffentliche Fahrrad sind keine klassischen Individualverkehrsmittel mehr. Und der traditionell als Massenverkehr festgeschriebene ÖPNV wird durch Integration von Leihfahrrädern, Car-Sharing und Car2Go in seinem Angebotsprogramm kleinteiliger, flexibler, individueller. Die Angebotsseite wird eben auch multioptionaler, vielfältiger, weniger in starren Schubladen festgefügt. Angesichts solcher Trends und Fragen ist es sehr wichtig und positiv, dass das BMVBS das Thema aufgegriffen hat, sein eigenes Modellvorhaben aufgelegt hat und damit so viel Anklang fand, dass eine selektive Auswahl der besonders innovativen Beispiele getroffen werden musste. • Es haben sich anders als zunächst erwartet ungeplant auch viele Mittel- und Kleinstädte und ländliche Regionen engagiert beteiligt. • Neben rein kommunalen Konzepten gibt es interessante über kommunale Kooperationsmodelle. • Die Trägerschaftsoptionen umfassen rein kommunale Trägermodelle, Trägerschaften von Verkehrsunternehmen und Trägerschaften von privaten Betrieben. Jetzt stellt sich nach gut drei Jahren Diskussion, Planung und Implementierung sowie nach Beendigung des Bundesmodells die Frage, wie es jetzt weitergehen soll. Bund, Länder und Kommunen einschließlich der kommunalen Verkehrsunternehmen sowie der DB sollten die Herausforderung annehmen und sich in diesen Feldern integrierter Verkehrssystemangebote stark engagieren. Damit aus einzelnen Pilotprojekten ein etablierter Angebotsstandard wird. Und damit aus der zunächst im Vergleich zu den europäischen Nachbarn (insbesondere Frankreich und Spanien) sehr vorsichtigen Dimensionierung ein vollwertiges Mobilitätsangebot wird. Erst dann kann man die wirklichen Potenziale ermitteln. Dieser Schritt erfordert einen sehr viel massiveren Mitteleinsatz bei Investitionen und bei Kommunikation, Marketing und Werbung. Dazu gehört auch die Bereitstellung ausreichender Personalressourcen für Planung, Implementierung und Betrieb dieser Systeme. Vor allem im Betrieb (bedarfsgerechte regelmäßige Verteilung der Räder im System, Wartung der Räder und Stationen, Marketing, Werbung, Abrechnung) sollten ausreichend Arbeitskräfte eingesetzt werden. In Paris sind immerhin 400 neue Arbeitsplätze für den Betrieb von Vélib geschaffen worden. Daraus folgt, “für lau“ kann man kommunale Fahrradverleihsysteme nicht betreiben, sie erfordern einen angemessenen Aufwand, wenn sie gut funktionieren sollen. Dazu fehlt derzeit in vielen kommunalen Beispielen noch die Bereitschaft. Deswegen hat Deutschland einstweilen den Anschluss an professionell organisierte Multimodalität noch nicht erreicht. Für einen professionellen Mobilitätsservice kann man dann aber auch angemessene Preise verlangen. Die vielfach kostenlose Nutzung der ersten halben Stunde ist so gesehen nicht unbedingt der geeignete Weg zu angemessener Kostendeckung. Da ist es sehr viel sinnvoller, universelle, überall in den Systemen des gleichen Betreibers geltende Jahresabonnements zu vertreiben, gut kombinierbar mit den entsprechenden Abonnements des öffentlichen Verkehrs.
Aktualisiert: 2023-04-05
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Urbane Seilbahnen – Moderne Seilbahnsysteme eröffnen neue Wege für die Mobilität in unseren Städten

Urbane Seilbahnen – Moderne Seilbahnsysteme eröffnen neue Wege für die Mobilität in unseren Städten von Auer,  Wolfram, Monheim,  Heiner, Muschwitz,  Christian, Philippi,  Matthias
In immer mehr Städten dieser Welt tun Seilbahnen zuverlässig ihren Dienst als integrierter Bestandteil eines multimodalen Verkehrsnetzes. Mit dieser Veröffentlichung soll verdeutlicht werden, welche Antworten Seilbahnen auf die Herausforderungen der wachsenden Verkehrsprobleme unserer Städte haben. Seilbahnen werden bislang kaum wahrgenommen und die Gründe dafür sind schnell erklärt: - Seilbahnen sind assoziativ bei den meisten Planern und Entscheidern fest mit Tourismus und Skifahren im alpinen Bereich verbunden. Daher können diese sich nicht oder nur sehr eingeschränkt vorstellen, wie solche Systeme in Städten funktionieren können. - Kenntnisse über Seilbahnen, Seilbahntechnik sowie ihre Anwendungsmöglichkeiten werden an vielen Hochschulen nicht vermittelt. Damit fehlt es Planern und Technikern an der entsprechenden Wissensgrundlage. - Seilbahnen sind in Mitteleuropa bislang nur selten im urbanen Kontext eingesetzt worden. Die wenigen Beispiele sind weitgehend unbekannt geblieben. Ohne das .Best-Practice-lmaqe" fehlt vielen der Mut zum Nachahmen. Die Seilbahntechnik hat in den vergangenen Jahrzehnten entscheidende Fortschritte gemacht, die ihre urbane Einsetzbarkeit, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit stark verbessert und optimiert haben. Heute stehen ganz andere Qualitäten zur Verfügung als noch in den 1960er Jahren. Diese Publikation gibt Planern und Elitscheidungsträgern in den Kommunen, Verkehrsexperten, den Hochschulen, Verkehrsunternehmen, Mitgliedern aus Umwelt- und Verkehrsverbänden, Journalisten und den politischen Mandatsträgern Fachinformationen und Planungs- und Entscheidungshilfen zum Thema "Urbane Seilbahnen im Kontext moderner ÖV-Konzepte" an die Hand. Systemmerkmale von urbanen Seilbahnen Um die Rolle von Seilbahnen im System der öffentlichen Verkehre sinnvoll bestimmen zu können, müssen zunächst deren wesentliche Systemmerkmale bestimmt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Diskussion über urbane Seilbahnsysteme jung ist. Erst seit wenigen Jahren wird von den Herstellern versucht, diesen Markt zu erschließen. Dementsprechend unterliegt die Seilbahntechnik für diesen Bereich einer beachtlichen Dynamik. Immer neue Möglichkeiten werden erprobt, um das Produkt Seilbahn den besonderen Herausforderungen urbaner Verkehrsmärkte anzupassen. Daher ändern sich auch die typischen Einsatzfelder. Trotzdem sind ein paar Grundaussagen zu den relevanten Merkmalen urbaner Seilbahnsysteme möglich. Seilbahnen sind Landverkehrsmittel auf besonderem, verkehrsunabhängigem Fahrweg. - Seilbahnen verkehren Ld.R. im vollautomatischen Betrieb als Stetigförderer (nach dem Paternosterprinzip). - Seilbahnen können daher mit minimaler Wartezeit beim Einstieg oder Umstieg benutzt werden. - Seilbahnen setzen in der Regel kleine bis mittlere Fahrkabinen mit einer Kapazität von 6-35 Personen ein, bei Pendelbahnen kommen Kabinen für bis zu 200 Personen zum Einsatz. Daraus ergeben sich je nach der Zahl der Kabinen am Seil Streckenkapazitäten von bis zu 5.000 Personen je Stunde und Richtung. - Seilbahnen können neben den beiden Endstationen auch mehrere Zwischenstationen haben. Da an jeder Haltestelle die Geschwindigkeit der Fahrzeuge reduziert wird, erhöht sich die Fahrzeit mit der Anzahl der Haltepunkte. - Seilbahnen werden als sehr schnelles Nahverkehrsmittel mit günstiger Reisezeit wahrgenommen, da sie zwei Punkte auf kürzester Strecke (Luftlinie)verbinden, mit einer konstanten Geschwindigkeit von 27 km/h (50 km/h bei Standseilbahnen) verkehren, die sonst im ÖPNV üblichen Wartezeiten beim Ein- und Umsteigen entfallen, verkehrliche Behinderungen auf der Fahrt nicht vorkommen und das Reiseerlebnis hoch ist. - Seilbahnen kommen vor allem für kurze und mittlere Entfernungen bis 7 km Luftlinie in Frage. Allerdings gibt es aktuelle Sonderfälle, in denen Seilbahnen auch über sehr viel längere Distanzen konzipiert werden, weil alternative Schienenstrecken wegen schwierigen Geländes deutlich teurer und alternative Busstrecken wegen sehr umwegiger Straßenführung erheblich langsamer wären. - Seilbahnen werden i. d. R. vor allem linear, also mit wenig Kurven trassiert. Allerdings gibt es neuerdings auch Möglichkeiten einer begleitenden Spurführung, die auch Krümmungen im Streckenverlauf möglich machen und damit eine Anpassung von Seilbahnen an gekrümmte Straßenverläufe oder einen Richtungswechsel von Seilbahnen an wichtigen städtebaulichen Eckpunkten zulassen. - Seilbahnen werden normalerweise ohne Weichen und Kreuzungen konzipiert. Dennoch sind mittlerweile auch Abzweigungen und Einmündungen technisch möglich. Selbst Kreuzungen und Seilbahnknoten sind vorstellbar, wenn man an der betreffenden Stelle mehrere Seilbahnen enden bzw. beginnen lässt. Das Umsteigen zwischen verschiedenen Seilbahnen ist problemlos möglich, weil ja in kürzester Zeit in jede Richtung die nächste Kabine vorbeikommt. - Seilbahnen können in der Trassierung jedem Gelände leicht angepasst werden. Sie können alleArten von Hindernissen (Flüsse, steile Berghänge, Autobahnen oder Bahntrassen, große Industrieareale) problemlos und kostengünstiger als alle anderen Öffentlichen Verkehrsmittel überwinden. - Seilbahnen benötigen sehr wenig Fläche für die Stützen und Stationen. Ein durchgängiger, flächenaufwändiger Fahrweg ist nicht nötig. Daher passen Seilbahnen auch in enge Straßenräume, zumal sie ja sogar Häuser überschweben können. Aufgrund des geringen Platz- und Infrastrukturbedarfs können Seilbahnen sehr schnell geplant und realisiert werden. Die Bauzeiten beschränken sich auf das Fundamentieren und Aufstellen der Stützen sowie den Bau der Endstationen und Haltestellen. Hierfür werden vielfach vorgefertigte Bauteile verwendet. Daher können urbane Seilbahnen innerhalb weniger Monate errichtet werden. - Seilbahnen haben eine hervorragende Umweltbilanz, denn als Stetigförderer brauchen sie weniger Energie zum Anfahren, da sie nicht dauernd sog. Losbrechmomente" zu überwinden haben, anders als Bahnen oder Busse. Ein Systemvergleich zeigt klar, dass die Seilbahn in allen Belangen besser abschneidet als die Konkurrenzverkehrsmittel. - Seilbahnen vermitteln ein besonderes Fahrerlebnis mit vielen interessanten Ausblicken. Daher bedienen sie nicht nur das Transportbedürfnis, sondern auch emotionale Bedürfnisse. Insofern machen Seilbahnen den Öffentlichen Verkehr besonders attraktiv. Während aufgrund der großzügigen Finanzierung aus Mitteln von Gemeindeverkehrsfinanzierungs- und Regionalisierungsgesetz die Investitionskosten einige Jahrzehnte lang eine wenig limitierende Rolle spielten und vor allem im Schienenverkehr viele sehr teure Großprojekte realisiert wurden (U-Bahnprojekte und Projekte der Hochgeschwindigkeitsbahn), wird jetzt bei Entscheidungen zum Öffentlichen Verkehr viel mehr auf Verringerung der Investitions- und Betriebskosten geachtet. Hier kommen Seilbahnen gerade recht. Denn im Vergleich zum konventionellen Schienenverkehr und zu den konventionellen H-Bahnen sind die Investitionskosten von Seilbahnen deutlich niedriger. Und Seilbahnen sind im Vergleich zu Bussen und Bahnen in den Betriebskosten sehr kostengünstig, wegen des geringen Personalbedarfs und Energieverbrauchs. Systematisch gehören Seilbahnen als Bestandteil urbaner ÖPNV-Systeme als Schienenverkehr zum Linienverkehr. Sie bedienen wie Busse und Bahnen oder Linientaxen Relationen mit regelmäßigem Verkehrsaufkommen. Linienweg und Haltestellenfolge sind festgelegt. Dagegen bedarf es bei Seilbahnen keines eigenen Fahrplans, abgesehen von der Festlegung der Betriebszeiten. - Seilbahnen sind das derzeit barriereärmste öffentliche Transportmittel überhaupt. Niveaugleiche Einstiege gehören hier zum normalen Standard. Aufwendige Rampen oder Behindertenaufzüge sind im Normalfall nicht erforderlich. Was bedeutet dies nun? An dieser kurzen Aufzählung der Besonderheiten wird zweierlei deutlich: - Aus den wachsenden Anforderungen im alpinen Bereich heraus haben sich Seilbahnen von einem Spezialverkehrsmittel mit geringer Förderkapazität zu einem komfortablen Massenverkehrsmittel mit der nötigen Flexibilität für den urbanen Einsatz entwickelt. Durch ergänzende Spurführung, mögliche Abzweigungen oder Umsteigeknoten wird der Aktionsradius von Seilbahnen im urbanen Raum deuticherweitert. Trotzdem sind Seilbahnen keine .Alleskönner", die man universell für alle Teilaufgaben im öffentlichen Verkehr einsetzen kann. Es geht immer um besondere AufgabensteIlungen und Problemlösungen, die allerdings künftig sehr viel häufiger zur Anwendung kommen können, weil sich das politischplanerische Umfeld deutlich verändert hat. All dies macht Seilbahnen heute zu einem besonders interessanten Verkehrsmittel für unsere Städte.
Aktualisiert: 2023-04-05
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Architekten und ihr umweltschützendes Verhalten beim Wohnungsbau

Architekten und ihr umweltschützendes Verhalten beim Wohnungsbau von Muschwitz,  Christian
Wohnen ist ein Grundbedürfnis des Menschen und um es zu erfüllen werden ganz erhebliche Umweltressourcen in Anspruch genommen. Vielfach fällt dies kaum auf, weil der Wohnungsneubau sich relativ stark in der Fläche verteilt. Dennoch werden in Deutschland jeden Tag durchschnittlich schätzungsweise 100 ha Fläche neu beb. In einigen Städten hat die Flächenversiegelung massive Größenordnungen erreicht (Herne im Ruhrgebiet ca. 66 %). Rund 40 % des gesamten deutschen Abfallaufkommens entstammt dem Sektor Bauen. Jeder Bewohner verbraucht rechnerisch dreimal so viel Baustoffe pro Jahr als er an Hausmüll produziert: Etwa ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs resultiert aus dem Heizen von Gebäuden. Die technische Gebäudeausrüstung beeinflusst maßgeblich den hohen Verbrauch von rechnerisch zur Zeit ca. 130 l Wasser pro Kopf am Tag. Daher sind Optimierungen in diesem Feld von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Nach über 25 Jahren des Experimentierens und Forschens stehen genügend ausgereifte, finanzierbare Möglichkeiten zur Verminderung der Umweltbelastungen beim Wohnungsneubau zur Verfügung. Von einer breiten Umsetzung des "know-hows" kann dagegen nicht gesprochen werden. Dieses Buch beschäftigt sich mit der Erklärung dieser offenkundigen Kluft zwischen "Wissen und Handeln", am Beispiel des selbstgenutzten Wohnungsneubaus bei der Akteurgruppe der Architekten. - die Überzeugung das "umweltschützende Techniken und Maßnahmen" im Vergleich zum üblichen Standard überlegen sind, - die Überzeugung das "umweltschützende Techniken und Maßnahmen" wenig Risiken besitzen, - eine "Empörung über zu wenig Umweltschutz" und - das Erkennen eigener Handlungsspielräume ("eigene Kontrolle"). Ein ausgeprägter "Ärger über zu viel Umweltschutz" hat einen negativen Wirkungszusammenhang. Insgesamt ergibt sich ein neues Bild der Architekten und ihrer Beweggründe beim Umweltschutz, mit dem sich die angesprochene Kluft durchaus besser verstehen lässt.
Aktualisiert: 2019-12-20
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