„Ein Thier, was Verse macht …“

„Ein Thier, was Verse macht …“ von Naumann-Beyer,  Waltraud
Anna Louisa Karsch (1722-1791) wurde als die »deutsche Sappho« bekannt und machte speziell mit ihren Gedichten zum Siebenjährigen Krieg Furore. Der Philosoph Johann Georg Sulzer schrieb 1761 an einen Freund: »Ich zweifle daran, ob jemals ein Mensch die Sprache und den Reim so sehr in seiner Gewalt gehabt hat, als diese Frau«; er erachte eines ihrer Gedichte der »besten Ode des Horaz wert«. Und Lessings Freund Moses Mendelssohn rühmte in den tonangebenden Briefen, die Neueste Literatur betreffend ihr »ungemeines Genie« und ihre »männliche und fast etwas wilde Imagination«. Sie kam mit den gelehrten und literarischen Kreisen Berlins in Kontakt, verkehrte in der höfischen Gesellschaft und wurde von Friedrich II. zur Audienz empfangen. Mit dem Dichter Wilhelm Ludwig Gleim verband die sie eine enge Freundschaft, die auch noch über die Enttäuschung ihrer unerwiderten Liebe hinaus – bis an ihr Lebensende – anhielt. Johann Gottfried Herder meinte, zwar seien ihre Gedichte keine schulgerechten Oden, doch »als Gemälde der Einbildungskraft« hätten sie »wegen ihrer vielen originalen Züge mehr Verdienst um die Erweckung deutscher Genies als viele Oden nach regelmäßigem Schnitt«. Entsprechend hatte der junge Goethe viel Sympathie für ihre Art zu dichten. Doch als 1764 ihre Auserlesenen Gedichte erschienen waren, flaute die allgemeine Begeisterung dauerhaft ab. Der Verleger Friedrich Nicolai sah ihren künftigen poetischen »Einfällen […] mit wahrem Entsetzen« entgegen. In der Tat war die Sammlung von den Herausgebern nicht glücklich zusammengestellt worden: Viel Panegyrik, viele persönliche Widmungsgedichte, viel geistliche Erbauungslyrik; kaum etwas von den Kriegsgedichten, die ihren Ruhm begründet hatten. Und von den Liebesgedichten für Gleim, in denen sich weibliche Leidenschaft auf bisher in Deutschland nicht gehörte Weise ausdrückte, fand sich nur eins: Sappho an Amor. Ihre anderen Sapphischen Lieder sind erst 2009 publiziert worden. Trotz dieser verdienstvollen Publikation, trotz einer 1996 erschienenen zweibändigen Edition ihres Briefwechsels mit Gleim und obwohl die Stadt Berlin eine Straße nach ihr benannt hat – die Dichterin war und blieb dem kulturellen Gedächtnis der Gegenwart weithin entrückt. Diesem Vergessen entgegenzuwirken ist das Anliegen dieses Buches. In ihm geht es aber weniger um eine literaturhistorische Neubewertung oder »Rettung« ihrer Gedichte, sondern in erster Linie um die Beschreibung ihres Lebens im Kontext der Geschichte Preußens, seiner Kriege um Schlesien und der Verhältnisse in Polen, wo sie vor ihrer Übersiedelung nach Berlin einige Jahre wohnte. Nach Art einer Biographie romancée erzählt das Buch von dem schwierigen Weg einer schreibenden Frau im männerdominierten 18. Jahrhundert, die im Unterschied zu anderen Dichterinnen oder Schriftstellerinnen dieser Zeit keiner adligen, wohlhabenden oder zumindest gebildeten Familie entstammte. Die Tochter eines armen Bierbauers in einem winzigen Nest im preußisch-polnischen Randgebiet hat sich aus der Bildungsferne einer »niederen« sozialen Schicht, aus der Unterdrückung in zwei patriarchalen Ehen mit dem zeittypischen Kinderreichtum, aus materieller und geistiger Not zu einer regional gefragten Gelegenheitsdichterin und schließlich zu einer (wenigstens vorübergehend) in ganz Preußen anerkannten Dichterin emporgearbeitet. Im Nachzeichnen dieses Weges greift das Buch über das eng biographische Interesse hinaus und reflektiert den Zusammenhang des Einzelschicksals in seiner Individualität mit der Allgemeingeschichte. Am Beispiel Karschs zeigt es auch ein Stück Alltags- und Kulturgeschichte und macht nolens volens den emanzipatorischen Gewinn deutlich, den Frauen seither errungen haben.
Aktualisiert: 2021-09-02
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