Das viktorianische Zeitalter und der Tod

Das viktorianische Zeitalter und der Tod von Pohl,  Stephanie Bertel
Der viktorianische Tod und seine Rituale stehen in enger Verbindung zum Körper und Leichnam, der wiederum gekoppelt ist an Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod. Der tote Körper des viktorianischen Zeitalters wird sozial, moralisch, politisch oder ökonomisch aufgeladen und instrumentalisiert, auch von der Königin selbst. Nach dem Tod Alberts ruft Viktoria ein beispielloses Memorial Projekt für ihren Gatten ins Leben und zelebriert ihr nahezu vierzigjähriges Witwentum. Für Frankenstein und Dracula ist der Tod das konstituierende Element ihrer Monstrosität. Wollstonecraft Shelley kritisiert die sie umgebende patriarchale Gesellschaft. Der Tod wird zum Kuppler, das idyllische, bürgerliche Heim zur Wüste erklärt, die weder geistig wertvolle Früchte hervorbringen kann, noch gesellschaftstaugliche Menschen gebiert. Ihren "modernen" Prometheus zeigt sie als egomanen, selbstverliebten, feigen und todbringenden Anatomen, von dem eine kulturelle Gefahr ausgeht. Gegen Ende des Jahrhunderts, in Stokers Dracula, wandelt sich der Arzt vom Monster-Macher (Viktor Frankenstein) zum Heiler (Abraham van Helsing) einer dekadenten Kulturnation. Stoker verbindet sich mit seinem Nervenarzt und verarbeitet Max Nordaus Theorien in seinem einzigen Roman. Als Kritiker verweist er auf den moralischen und didaktischen Wert der Kunst. Nicht zufällig projiziert er seinen archaischen, sexuellen Vampir ins viktorianische London. Draculas Vernichtung löst die als unheilvoll empfundene Verbindung von Tod und Sexualität und einem körperlichen Überleben nach dem Tod. In Dracula und am Ende des Zeitalters verlieren die Rituale um die Toten an Bedeutung. Die toten Körper des viktorianischen Zeitalter lösen sich zunehmend in Rauch auf und mit ihnen verschwindet eine Erinnerungskultur, die wie keine andere Ersatzkörper kreiert hat.
Aktualisiert: 2021-10-05
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Das viktorianische Zeitalter und der Tod

Das viktorianische Zeitalter und der Tod von Pohl,  Stephanie Bertel
Der viktorianische Tod und seine Rituale stehen in enger Verbindung zum Körper und Leichnam, der wiederum gekoppelt ist an Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod. Der tote Körper des viktorianischen Zeitalters wird sozial, moralisch, politisch oder ökonomisch aufgeladen und instrumentalisiert, auch von der Königin selbst. Nach dem Tod Alberts ruft Viktoria ein beispielloses Memorial Projekt für ihren Gatten ins Leben und zelebriert ihr nahezu vierzigjähriges Witwentum. Für Frankenstein und Dracula ist der Tod das konstituierende Element ihrer Monstrosität. Wollstonecraft Shelley kritisiert die sie umgebende patriarchale Gesellschaft. Der Tod wird zum Kuppler, das idyllische, bürgerliche Heim zur Wüste erklärt, die weder geistig wertvolle Früchte hervorbringen kann, noch gesellschaftstaugliche Menschen gebiert. Ihren "modernen" Prometheus zeigt sie als egomanen, selbstverliebten, feigen und todbringenden Anatomen, von dem eine kulturelle Gefahr ausgeht. Gegen Ende des Jahrhunderts, in Stokers Dracula, wandelt sich der Arzt vom Monster-Macher (Viktor Frankenstein) zum Heiler (Abraham van Helsing) einer dekadenten Kulturnation. Stoker verbindet sich mit seinem Nervenarzt und verarbeitet Max Nordaus Theorien in seinem einzigen Roman. Als Kritiker verweist er auf den moralischen und didaktischen Wert der Kunst. Nicht zufällig projiziert er seinen archaischen, sexuellen Vampir ins viktorianische London. Draculas Vernichtung löst die als unheilvoll empfundene Verbindung von Tod und Sexualität und einem körperlichen Überleben nach dem Tod. In Dracula und am Ende des Zeitalters verlieren die Rituale um die Toten an Bedeutung. Die toten Körper des viktorianischen Zeitalter lösen sich zunehmend in Rauch auf und mit ihnen verschwindet eine Erinnerungskultur, die wie keine andere Ersatzkörper kreiert hat.
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